Wohnraummangel in KölnWird die Stadt für neues Bauland Kleingärten opfern?

Kleingarten Ansicht

Die Kleingartenanlage am Blücherpark

von Ayhan Demirci (ade)

Köln – Das Gärtnern, Grillen und Chillen ist des Kölners Lust.

An diesen Hitzetagen zieht es wieder Tausende auf ihr Pachtländchen mit Schaukel und Wasserpool für die Kleinen. Im Gespräch mit Michael Franssen (58), Geschäftsführer des Kreisverbands Kölner Gartenfreunde (dem Dachverband gehören alle 115 Kölner Kleingartenvereine an), geht es unter anderem um den Druck, den er angesichts fehlenden Wohnraums in Köln erlebt.

Die Flächen der Kölner Kleingärten wecken Begehrlichkeiten bei der Stadt. 

Alles zum Thema Deutsche Bahn

EXPRESS: Wird die Stadt jetzt eigentlich grüner oder eher grauer?

Michael Franssen: Die Kleingärtner tragen natürlich zu einem erheblichen Teil dazu bei, dass die Stadt grüner wird. Dennoch befindet sich die Stadt Köln in einem Konflikt. Die Beliebtheit der Stadt führt zu einem Mangel an Wohnraum, weil viele Menschen hier leben möchten. Es gibt zum Glück auch viele Mitbürger, die ein großes Interesse daran haben, die Stadt weiter grün zu gestalten. Dagegen steht der Druck auf dem Wohnungsmarkt. Die Erweiterungsflächen, die Köln zur Verfügung hat, sind nicht so groß. So kommen die Stadtplaner schnell auf die Idee, Grünflächen oder Kleingärten für den Wohnungsbau in Betracht zu ziehen.

Wo passiert das konkret?

Die Nippeser Kleingartenanlage „Flora e. V.“ war im Jahre 2016 betroffen. Das wurde zum Glück und mit etwas politischer Arbeit verhindert. Aus der dortigen Kleingartenanlage hat sich die Aktionsgemeinschaft „Grüne Lunge“ gegründet, die auch durch uns unterstützt wurde. Es konnte durch verschiedene Aktionen geschafft werden, dass das Bauprojekt erstmal in der Schublade verschwunden ist. Aktuell gibt es ein Wohnbauprojekt in Rondorf, neben einer Kleingartenanlage. Dort entsteht aus einem bisherigen Feldweg eine Umgehungsstraße, die direkt neben der Kleingartenanlage entlangläuft. Die Stadtplanung hat uns zwar zugesichert, dass keine Gärten wegfallen werden, wir müssen jedoch auch darauf achten, dass die Zufahrtmöglichkeiten, insbesondere für Rettungsfahrzeuge, bestehen bleiben.

Ausdehnen können Sie sich kaum. Gibt es eine Bedarfsrechnung?

Im Frühjahr haben wir uns mit der Stadtverwaltung zu dem Thema unterhalten. Es besteht ein Rechenmodell, nach dem ein theoretischer Bedarf an Kleingärten berechnet werden kann. Hier wird die Anzahl der Bürger zugrunde gelegt, die in Mehrfamilienhauswohnungen wohnen. Danach ergibt sich ein Bedarf von ca. 25.000 Kleingärten für die Stadt Köln bei der aktuellen Bevölkerungszahl. Tatsächlich haben wir in Köln derzeit nur etwa 15.500 Kleingärten, das sind ca. 13.000 Kleingärten auf städtischen Flächen und weitere 2.500 auf sonstigen Flächen, überwiegend auf Gelände der Deutschen Bahn.

Wie reagiert die Stadt, wenn Sie sagen: Sehen sie, wir brauchen mehr Platz.

Hier stoßen wir durchaus auf Verständnis. Wir versuchen, den Entscheidungsträgern immer wieder klar zu machen, wie wichtig grüne Ausgleichsflächen, insbesondere Kleingärten in einer Stadt wie Köln sind. Wir müssen einerseits verhindern, dass der Wohnungsbau uns weitere Flächen wegnimmt. Andererseits soll in Köln die Bevölkerungszahl bis 2040 auf 1,2 Millionen Bürger ansteigen – da würde die Unterdeckung, die wir heute ja schon haben, noch weiter steigen. Unser mindester Anspruch ist also, die jetzige Gartenflächen zu erhalten und wenn möglich zusätzliche Flächen hinzu zu bekommen. Wir versuchen parallel, Möglichkeiten auszuschöpfen, dass durch Verdichtung die Anzahl der Gärten auf gleicher Fläche erhöht wird. In früherer Zeit sind die Gärten noch sehr groß angelegt worden. Das gestaltet sich aber schwierig, da die Teilung eines großen Gartens immer nur im Rahmen eines Pächterwechsels möglich ist.

Ändert sich das Kleingärtnermilieu – vom klassischen Arbeiter- und Angestelltenehepaar zur kreativen Familie aus dem hippen Viertel?

Das ist je nach Stadtteil sehr unterschiedlich. Wir haben zum Beispiel in der Nähe vom Belgischen Viertel Gartenanlagen, die riesigen Zulauf vornehmlich junger Familien haben. Die Vereine können natürlich nur Gärten vergeben, wenn ein alter Pächter kündigt. Nach meinen Informationen haben diese Vereine jeweils 30 bis 40 Anwärter auf der Warteliste. Tatsächlich wechseln dann aber pro Verein nur drei bis vier Gärten im Jahr. Das bedeutet, dass man sich lange gedulden muss, bis man dort einen Garten pachten kann. Das ist natürlich der besonderen Lage, nahe der Innenstadt geschuldet. In einer Gartenanlage, die weiter weg vom Stadtzentrum liegt, sind die Wartezeiten natürlich deutlich kürzer.

Das Thema Nutzen für die Umwelt -  was sind aktuelle Tipps und Schwerpunkte? Das Thema Bienen ist ja gerade sehr präsent  

Wir haben in diesem Jahr das Seminarprogramm für unsere Pächter deutlich erweitert. So bieten wir verschiedene Workshops zum Thema Wildbienen und Honigbienen an. Auch haben wir das Thema alte Obst und Gemüsesorten aufgegriffen und bieten zu diesem Thema Seminare an. In unserem Lehrgarten haben wir gemeinsam mit einer Schule aus Müngersdorf einen Insektenfreundlichen Garten angelegt und ein Insektenhotel gebaut.

Was kann der Pächter da besser machen?

Das fängt an mit dem Einrichten eines Insektenhotels. Gleichzeitig sollte sich jeder fragen: was pflanze ich an? Wie gestalte ich meine Wiese und meinen Garten? Lege ich da eine normale kurze Wiese an, auf der nichts blüht, oder lege ich eine kleine Wildblumenwiese an, wo man das Gras auch mal kontrolliert wachsen lässt und bestimmte Wildkräuter und Blumen anpflanzt, die letztlich auch als Nahrungsgrundlage für die Bienen und andere Insekten dienen.

Also gilt das Credo: Mehr Wildnis zulassen?

Naturnaher Gartenbau ist immer zu befürworten. Natürlich muss ein Kleingarten aber in regelmäßiger Form bewirtschaftet werden. Und das muss auch erkennbar sein. Dazu gehört, dass man Teilbereiche auch mal wachsen lässt, aber zu einer Verwilderung darf es natürlich nicht kommen.

Guckt man sich die Gärten in Köln an, erkennt man ein großes Fahnenwehen. Woher kommt die Sitte, dass man seinen Garten beflaggt und Fahnenmasten dafür aufstellt?

Tatsächlich erscheint es manchmal mehr, als es eigentlich ist. Viele versuchen dadurch entweder ihre nationale Identität zum Ausdruck zu bringen oder nur die Verbindung zu einem Verein zu bekunden. Erstaunlicherweise ist mir diese Frage nach Regeln dazu erst vor paar Tagen von einem Vereinsvorsitzenden gestellt worden. Unsere Gartenordnung ist schon recht umfangreich – dieses Thema haben wir bislang aber noch nicht behandelt. Es hat bis dato auch zu keinen größeren Beschwerden geführt. Ansonsten sehe ich keinen Handlungsbedarf, dass wir einschreiten müssten. Im aktuellen Fall hat sich ein Pächter – Nachbar eines Fahnenbesitzers – beklagt, ob es da nicht Vorschriften gibt, was die Höhe des Mastes angeht und den Abstand zum Gartennachbarn. Es geht da nicht um die Symbolik der Fahne, nur um den Mast an sich. Da musste ich selbst erst einmal passen. Ich habe die Frage an die Stadt weitergegeben und warte nun auf eine Antwort.

Steigen eigentlich auch die Gartenpachten?

Die ist in diesem Jahr etwas teurer geworden. Aber es gibt im Bundeskleingartengesetz eine klare Begrenzung des Pachtpreises, der sich an den Preisen im professionellen Gemüseanbau der Gegend bemisst. Der wird über ein Gutachten ermittelt, und der Pachtpreis darf nur den maximal vierfachen Satz dieses berechneten Grundpreises betragen. Bei einem durchschnittlichen, also 300 Quadratmeter großen Garten, beträgt die Pacht 177 Euro, hinzu kommen Beiträge für den Verein und Verbrauchskosten für Wasser, gegebenenfalls Stromkosten und Versicherung. Man kommt ungefähr auf 300 bis 450 Euro im Jahr.

Kleingärtner gelten als akkurat: Wie ist denn die Regeltreue bei den Kölner Gärtnern?

Die Gärten in Köln sind überwiegend in gutem Zustand. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass wir Verstöße gegen die Regeln feststellen müssen. Vor allem Bautätigkeiten führen immer wieder zu Streitpunkten. Manche denken, ich nehme mir hier mal ein paar Bretter und bau schnell mal was. Da kommt hier ein Quadratmeter dazu, da noch einer usw. Wir vom Verband werden leider oft als Buhmann wahrgenommen, weil wir natürlich auf diese Regeln achten müssen.

Gibt es nicht zu viele Regeln?

Regeln werden hauptsächlich durch das Bundeskleingartengesetz festgelegt.

Viele fragen sich: Was soll das? Ist das Bundeskleingartengesetz überhaupt noch zeitgemäß? Zum Beispiel die Pflicht zum Gemüseanbau, da heißt es dann: das braucht doch keiner mehr, die Versorgung ist heute doch gut. Aber ich sage: Genau das Gegenteil ist der Fall. Es ist gut, wenn sich die Bevölkerung mit der Frage beschäftigt, wie unsere Lebensmittel entstehen und dass sie nicht im Supermarktregal wachsen.

Darüber hinaus bietet das Bundeskleingartengesetz nicht nur Nachteile durch Baubeschränkungen und die Forderung einen Nutzgarten anzulegen. Es garantiert auch den Pächtern auch einen sehr günstigen Pachtpreis und bietet einen hohen Kündigungsschutz. Um unsere Kleingartenanlagen zu erhalten und den Bestand zu schützen ist es daher wichtig, auf die Einhaltung der Regeln zu achten. Dafür machen wir uns auch einmal gerne zum Buhmann bei den Pächtern.

(exfo)