Von Super RTL ins MilieuJournalist (56) deckt Storys aus dem alten Köln auf

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Autor Carsten Göttel, hier ein Foto vom 16. November 2020, hat ein Buch über das Kölner Milieu geschrieben.

von Ayhan Demirci (ade)

Köln – „Der Teufel im Schatten der Kathedrale – Echte Ganovengeschichten aus dem Kölner Milieu“ – so heißt das in diesen Tagen erschienene Buch des Journalisten Carsten Göttel (56).

Es hat eine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte: 25 Jahre arbeitete der aus Duisburg stammende und in Köln-Ehrenfeld lebende Autor bei Sendern wie ZDF, Vox und RTL. Zuletzt war er langjähriger Programmdirektor bei Super RTL.

Kölner Milieu: Ex-RTL-Autor schreibt Buch über das alte Köln

Eine Premierenfeier im Museum Ludwig zum Film „Wir waren das Miljö“ brachte Göttel 2016 eher zufällig auf die Spur der legendären Kölner Rotlichtszene der 1970er bis 1990er Jahre: „Meine Frau arbeitet beim WDR und sie hatte mich mitgenommen.“

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Nach der Premiere ging Göttel mit den ergrauten Jungs einfach weiterfeiern, vor allem der „Dicke Johnny“, Ex-Gastwirt und Ex-Türsteher, wurde fortan für den ehemaligen TV-Mann zum Türöffner.

Kölner Milieu: „Eine seltsame Anziehung geht aus von diesen Typen”

Göttel macht keinen Hehl draus. Ja – die Männer, die er traf, hatten in ihrer besten Zeit ihr Geld mit Sex und Crime verdient. Sie waren Zuhälter, Diebe, Hehler, Glücksritter. „Und trotzdem“, schreibt er auf bestechende Art: „Eine seltsame Anziehung geht aus von diesen Typen. Und deshalb sind sie in die Kölner Folklore eingegangen.“

Dafür reichten allein schon ihre Namen. Fast kölsche Poesie, verniedlichend und doch nach prolligen Adelstiteln klingend: ob Schäfers Nas oder Dummse Tünn, ob Abels Män oder Zementkopp, Hermanns Tünn oder Schmidtke Udo.

Die alten Zeiten sind vorbei, doch die Werte des Kölner Milieus leben noch

„Das Milieu ist überall noch da, auch wenn viele natürlich schon tot sind“, sagt Göttel. In den vergangenen Jahren traf er viele einstige Protagonisten: in der Regel Rentner mit Knasterfahrung und Familie, oder zumindest einer Ehefrau an der Seite.

„Das Schöne ist: Man kann sagen, die alten Zeiten sind vorbei – aber viele der Leute von damals halten die Werte noch hoch, die damals galten.“ Es hätte so etwas wie Ganovenehre gegeben: „Eine Art Gesetz, einen Kodex, der dieser Halbwelt seinen Stempel aufdrückte.“

Besonders beeindruckt von Gespräch mit „Zementkopp”

Diese Halbwelt kommt von Zeit zu Zeit zusammen, wie beim 70. Geburtstag vom „Frischen Günter“ 2019 in Rath-Heumar. 200 Gäste waren in einem Hotel am Rande des Königsforsts erschienen. Viele kamen von auswärts, elegante Damen waren darunter – von denen einige in jungen Jahren das Rotlicht aus nächster Nähe kannten.

Bei der Party mit DJ war auch Carsten Göttel unter den Gästen, als Mensch aus der seriösen Berufswelt ein Exot: „Am präsentesten ist mir die Begegnung mit Zementkopp. Er saß mit Frau am Tisch. Ich ging zu ihm und meinte: Sie wissen nicht, wer ich bin – aber ich hätte gerne ein Statement. Da sagte er: Wenn ich nicht wüsste, wer du bist, dann wärst du nicht hier.“

Das Buch soll keine Rotlicht-Nostalgie sein

Doch bei aller Sympathie: Sein Buch, schreibt Göttel, sei Ausdruck eines nostalgischen Realismus, nicht von Rotlicht-Nostalgie: „Nichts und niemand kommt ungeschoren davon.“

Auf 231 Seiten (Preis: 15 Euro) ist ein augenzwinkerndes Werk entstanden: eine Sammlung interessanter Geschichten mit viel persönlichem Touch, dazu gibt es eine Reihe von Erklärstücken, zum Beispiel den „Luden-Duden“.