Köln – Am 9. Juni 2004 explodierte in der Kölner Keupstraße eine Nagelbombe und verletzte zahlreiche Menschen.
Die Horror-Tat und der Umgang mit den Opfern stößt bei den Beteiligten auch 16 Jahre später auf Unverständnis.
Opfer aus der Keupstraße jahrelang als Täter gesehen
Jahrelang waren die Opfer des Anschlags den Schikanen der Behörden ausgesetzt und sollten selbst zu Tätern werden. „Die Menschen wurden vorverurteilt”, erzählt Kutlu Yurtseven von der Initiative Keupstraße gegenüber EXPRESS. Erst Jahre später konnte der Anschlag der Terrororganisation NSU zugeordnet werden.
Die Erinnerung an den Umgang von damals mischt sich mit den aktuellen Ereignissen aus Amerika. Nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd durch einen Polizisten kommt es vielerorts zu heftigen Unruhen und die Zahl der, teilweise brutalen, Polizeieinsätze steigt. (Hier lesen Sie mehr)
Nach Tod von George Floyd: Rassismus ist auch in Köln noch Thema
„Das sind die Menschen, die uns helfen können. Wenn wir vor diesen Menschen Angst haben, dann haben wir ein Problem”, so Yurtseven.
Er hat selbst türkische Wurzeln und sagt: „Es ist dieser subtile Umgang, den wir täglich erleben. Ich kenne viele, die sich nicht trauen, die Polizei anzurufen, weil sie nicht in die Täterrolle gedrängt werden wollen.”
Diskussion um Mahnmal an der Keupstraße bleibt bestehen
Yurtseven spricht von einem strukturellen Rassismus gegen andere Ethnien, der nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland zu spüren sei. „Wenn jemand eine Straftat begangen hat, dann sollte er auch dafür bestraft werden, aber nicht so. Es geht nicht, dass man nur nach dem Aussehen ein Urteil fällt.”
Auch 16 Jahre nach dem Anschlag müssen die Opfer der Keupstraße, ihm zufolge weiterhin um Anerkennung kämpfen. Das geplante Mahnmal zur Erinnerung steht aufgrund der anhaltenden Standort-Diskussion (hier lesen Sie mehr) immer noch nicht.
Köln: Opfer des Nagelbombenanschlags gedenken George Floyd
Die Initiative möchte einen Ort der Erinnerung an der Ecke Keupstraße-Schanzenstraße errichten – dabei gehört die Fläche einer Investorengruppe, die auf dem Areal Wohnungen, Büros und Ladenlokale plant.
Kutlu Yurtseven hofft, wie viele andere, auf mehr Zuspruch aus der Politik. Bislang fühlten sich die Betroffenen von der Stadt im Stich gelassen, immerhin soll das Bauwerk des Künstlers Ulf Aminde „ein Mahnmal für alle sein”, so Yurtseven.
Am 9. Juni um 19 Uhr soll die jährliche Gedenkveranstaltung zum Nagelbombenanschlag in der Keupstraße stattfinden. Auch der Amerikaner George Floyd soll Thema sein, denn die Veranstaltung soll Yurtseven nach an alle Opfer rassistischer Gewalt erinnern. (sj)