Toben als StressabbauRaufen macht glücklich! Wo Erwachsene in Köln zu Kindern werden

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Mit verbundenen Augen erhält das Raufen noch einmal einen ganz anderen Blickwinkel.

von Susanne Scholz (susa)

Köln – Es ist mucksmäuschenstill, als ich die Sporthalle im Hinterhof betrete. Sieben Frauen und vier Männer sitzen auf dem Boden und beobachten sich. Gesa macht den Anfang. „Willst du mit mir raufen?“, fragt die junge Frau den Mittfünfziger ihr gegenüber.

„Klar“, kommt die Antwort. Ein vorsichtiges Abtasten, der Gegner wird taxiert, während im Hintergrund die ersten giggeln. Dann gibt es kein Halten mehr. Gesa und Torsten kugeln sich auf dem Boden, es wird gerangelt. Und vor allem: es wird gelacht! So wie Kinder das tun, wenn sie raufen und sich balgen.

Wer hier auf der Matte im Aikido Dojo an der Neusser Straße rangelt, ist wieder Kind. Die Teilnehmer sind allesamt jenseits der 20 (im Schnitt zwischen 25 und 60 Jahren) und haben etwas für sich wiederentdeckt: Den Spaß am Raufen und Toben.

Einziger Playfight-Klub in Nordrhein-Westfalen

Seit Oktober 2018 gibt es die „Playfight Tobebande Köln“ – den bislang einzigen „Raufklub“ in NRW. Ins Leben gerufen von Sibylle Kaminski (55) und Natalie Weber (45).

Ein Zeitungs-Artikel über das Raufen für Erwachsene hatte bei Sibylle Kaminski, die u.a. als Business- und Gesundheits-Coach arbeitet, Interesse geweckt. Bei der Recherche nach einem Angebot in Köln oder Umgebung stieß sie auf Natalie Weber. Die begeisterte Freizeit-Sportlerin hatte schon Rauf-Erfahrung in Berlin gesammelt, wo das Toben bereits seit zehn Jahren für Erwachsene angeboten wird.

„Es war eine glückliche Fügung, dass wir uns getroffen haben“, sind sich beide Frauen einig. Schnell war die Idee von einem Playfight-Klub in Köln geboren und umgesetzt. Als Teil des „Grenzenlosen Sportvereins e.V.“ wird nun einmal im Monat im Schatten der Agneskirche gerauft und gerangelt.

Üblicherweise gibt es einen leichten Männer-Überschuss. Frauen sind da (noch) zurückhaltender. Um ihnen mögliche Berührungsängste zu nehmen, bieten Natalie und Sibylle auch Raufen nur für Frauen an (das nächste reine Frauen-Raufen ist am 11. August 2019).

Playfight Tobebande Köln: Nicht das Siegen, der Spaß steht im Mittelpunkt

„Hier werden keine Aggressionen aneinander ausgelassen“, betont Übungsleiterin Natalie Weber. Vielmehr ist es der Ansatz, „das innere Kind rauszulassen“.  Es wird miteinander, nicht gegeneinander gerauft.

Natürlich gibt es klare Regeln (jeder kann jederzeit den Kampf abbrechen, Schlagen, Beißen, treten sind ebenso untersagt wie Griffe in die Intimzone oder an die Brust der Frau). Wichtigste Regeln aber bleiben Regel 1: Spaß haben, Regel 2: noch mehr Spaß haben!

„Wichtig ist, dass jeder Teilnehmer seine Grenzen ausloten kann“, erklärt Natalie Weber und fügt hinzu: „Man muss auch  ­«Nein» sagen lernen.“ Es geht nicht ums Gewinnen, es geht um Spaß. „Wenn wir in der Mitte sind, vergessen wir alles.“

Was Kinder noch ganz intuitiv und unbefangen machen, müssen wir Erwachsenen erst wieder lernen. „Viele Teilnehmer, insbesondere die Frauen, sind anfänglich sehr zurückhaltend“, berichtet Sibylle Kaminski aus eigener Erfahrung. „Doch wer sich darauf einlässt, merkt schnell die Befreiung. Das ist das Tolle daran“, sagt sie.

Toben ist eine enorme Kraftanstrengung

Getobt wird so wie es beiden Teilnehmern gefällt. Jeder wie er will und wie er kann. Mann mit Mann, Frau mit Frau, oder Mann mit Frau. „Es ist interessant zu sehen, wie gerade Frauen aus sich herausgehen, während die Männer lernen, sich ihre Kraft einzuteilen und sich zurückzunehmen.“

Wer nun denkt, das bisschen Toben sei ein einfacher Zeitvertreib, irrt. Es ist knalle anstrengend. Schon die Aufwärmphase bringt die Teilnehmer mächtig ins Schwitzen.

Auch hier wird auf spielerische Akzente gesetzt. Fangspiele oder ähnliches lassen die Tobe-Teilnehmer miteinander warm werden, ehe es zum Duell auf die Matte geht. Gerauft wird zu zweit, während die anderen im Kreis herumsitzen. „Ich brauch mal Luft“, liegt Harald lachend, aber außer Puste auf dem Rücken und stellt direkt klar: „Ich will nochmal.“

Bei meinem Besuch in der Halle bin ich nicht sicher wer mehr Spaß hat: Die beiden, die sich gerade kabbeln, oder die, die sich das Treiben von außen ansehen. Es wird viel gelacht – und reflektiert. Silvia ist fasziniert vom Rangeln. „Ich war ganz dabei, aber ohne Aggressionen“, sagt sie.

Ein toller Nebeneffekt des Tobens: Es macht nicht nur jede Menge Spaß, es baut auch ganz nebenbei Stress ab.

Besondere Konzentration ist gefordert, wenn die Teilnehmer mit verbunden Augen rangeln. „Das ist total spannend“, findet Birgit, und genießt die Pause, um erst einmal durchzuatmen.

Drei Stunden sind wie im Flug vergangen. Verschwitzt, aber mit einem breiten Grinsen geht’s unter die Dusche und dann nach Hause. Ich bin ein wenig neidisch, diesmal nur zugeguckt zu haben. Der Blick in die Gesichter der Teilnehmer lässt keine Zweifel zu: Raufen macht glücklich!

Playfight Tobebande Köln – so können Sie mitmachen

  • Warum sollten Erwachsene raufen? Es bietet eine neue Form der Selbsterfahrung und führt zu kindlichen Unbefangenheit zurück.
  • Wer kann mitraufen? Teilnehmen kann jeder Erwachsene (sofern keine gesundheitlichen Gründe gegen das Raufen auf dem Boden sprechen).
  • Getobt wir einmal monatlich sonntags (Termine und weitere Infos unter
  • Teilnehmer müssen kein Vereinsmitglied sein. Für den Beitrag von 15 Euro kann sich jeder anmelden. Ermäßigung auf Anfrage möglich: Dem sozialen Ansatz des Vereins folgend, soll niemand aus finanziellen Gründen vom Raufen ausgeschlossen werden.

Voraussetzungen

  • Es sind keine besonderen sportlichen Fähigkeiten nötig. Allerdings sollten die grundsätzlichen gesundheitlichen Voraussetzungen für sportliche Aktivitäten erfüllt sein. Bei körperlichen Einschränkungen bitte Einverständnis von einem Arzt einholen.

Ausrüstung

  • Empfohlen wird bequeme Kleidung, die Arme und Beine bedeckt oder weiche Knie- und Ellenbogenschützer um Schürfwunden (Mattenbrand) zu vermeiden.
  • Wegen der möglichen der Verletzungsgefahr bitte keine Kleidung mit Reißverschlüssen oder sonstigen harten oder scharfen Gegenständen. Schmuck vorher ausziehen. Gegebenenfalls an Wechselkleidung denken - es wird reichlich geschwitzt.