Tausende Corona-Kranke in NRWSo will Kölner Krankenschwester jetzt viele Leben retten

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Mareike Schneider steckte sich mit dem Sars-CoV-2-Virus im Skiurlaub im Zillertal an. Heute will sie anderen Erkrankten helfen.

von Sieglinde Neumann ()

Köln – Mareike Schneider (34) ist eine kleine, sportliche Person. Sie steckte sich mit dem Sars-CoV-2-Virus im Skiurlaub im Zillertal an. Das qualifiziert die Kölnerin jetzt, womöglich selber das Leben eines schwer an Covid-19 erkrankten Menschen zu retten.

Die Kinderkrankenschwester war die „Spenderin Nummer 3“ in der neu eröffneten Ambulanz in der Universitätsklinik Köln für genesene Covid-19-Patienten. Am 7. April, nach dem Frühdienst auf der Kinderintensivstation, ging sie zu ihrem Termin ins Institut für Transfusionsmedizin.

Im Rahmen einer Art Blutwäsche ließ sich Schneider 350 ml Blutplasma abnehmen, um mit ihren Antikörpern die Immunabwehr akut Erkrankter zu unterstützen.

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Die Uniklinik Köln erhielt am 30. März als erste Einrichtung in NRW die Genehmigung, solche Konzentrate herzustellen und bei Covid-19-Patienten auf der Intensivstation anzuwenden (hier lesen Sie mehr). Die Uniklinik Bonn folgte.

Die Hilfsbereitschaft ist enorm, die Resonanz riesig. Über 1000 Mails bekam das interdisziplinäre Team aus Transfusionsmedizinern und Virologen schon in den ersten zwei Wochen.

Kölnerin ist stolze Pionierin der Antikörper-Therapie der Uniklinik

„Als ich hörte, dass sich Genesene melden sollen, habe ich das sofort gemacht“, sagt Mareike Schneider, stolze Pionierin der Antikörper-Therapie, an die auch sie selber große Hoffnung knüpft.

„Jetzt, nach überstandener Corona-Infektion, will ich denen helfen, die es auch trifft, und zwar sehr viel schlimmer“, erklärt sie. Und: „Gar keine Frage, man möchte auch dazu beitragen, dass alle möglichst schnell aus diesem Krisenzustand herauskommen können.“

Kinderkrankenschwester war Skifahren im Zillertal

Sie und ihren Lebensgefährten hatte die Pandemie im Skivergnügen völlig unvorbereitet erwischt. „Als wir Anfang März ins Zillertal gefahren sind, konzentrierte sich alles noch in Italien, wir sind noch in aller Ruhe abgereist. Die Rückkehrwelle aus Österreich betraf vor allem Ischgl. Erst im Nachhinein haben wir gesehen, dass auch die Bar, in der wir traditionell beim Après-Ski feiern, aufgelistet war als einer der im Zillertal betroffenen Läden.“

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Am Mittwoch, 11. März, packten die Kölnerin und ihr Freund die Ski-Klamotten in den eigenen vier Wänden wieder aus. Mareike schwächelte ein wenig. In dieser Woche führte die Uniklinik Köln für Mitarbeiter ein systematisches „Kontaktmanagement“ mit Testungen ein.

Chef empfahl nach dem Urlaub sicherheitshalber Quarantäne

Schneiders Teamleiter erkundigte sich bei der Urlaubsrückkehrerin, wo sie war, wie es ihr ginge. Als Schneider erwiderte: „Skiurlaub in Österreich. Etwas Kopfweh, schlapp, aber bis zum Dienst am Montag bin ich wieder fit“ schrillten die Alarmglocken.

Sicherheitshalber empfahl der Chef häusliche Quarantäne. Freitagmorgen erschien die engagierte Krankenschwester zum Rachenabstrich, noch am selben Abend teilte man ihr persönlich das Ergebnis mit: „Sie sind Covid positiv.“

Kölner Kinderkrankenschwester: „Kriegt man erst mal einen Schock”

„Da kriegt man erst mal einen Schock“, sagt Schneider. „Es fing in Deutschland gerade erst an mit immer mehr Corona-Fällen. Ich habe mich damit beruhigt, dass ich keine Vorerkrankungen habe, noch sehr jung bin.“ In zwei Tagen war der Spuk dann auch ausgestanden. „Ich hatte Kopf- und Gliederschmerzen, wie ich es so nicht kannte, Ibuprofen brachte nichts. Ich fühlte mich etwas grippig“, erinnert sie sich an den Freitag, den Samstag. Sonntag war sie wieder fit.

Ihr Partner (34) wurde später auch positiv getestet, bei ihm verlief die Infektion „quasi symptomlos“, so Schneider. Sie selber musste vor Wiederaufnahme der Arbeit täglich zum Abstrich, am 30. März war kein Virus mehr da, sie kehrte mit Mundschutz in den geliebten Job zurück.

Kölnerin will helfen: „Hatte ausreichend Antikörper gebildet”

Vor einigen Wochen wurde der Uniklinik Köln die Antikörpergewinnung und -therapie im Rahmen individueller Heilversuche genehmigt. Schneider reagierte direkt auf den Immunspende-Aufruf an alle genesenen Ex-Coronabetroffenen im Intranet. Genauere Blutuntersuchungen zeigten, dass sie für eine Spende infrage kommt. „Ich hatte Antikörper gebildet und dies auch in ausreichender Menge.“

Ein Nadelstich in die Vene, eine gute halbe Stunde an dem Gerät, das in einer Art Blutwäsche das Plasma mit den Antikörpern gewinnt. Erledigt. Sie kennt das Procedere von früheren Blut- und Plasmaspenden. „Ich habe geschrieben, falls sie noch Bedarf haben, sollen sie sich nochmal melden“, ist die junge Frau für eine Wiederholung motiviert.

„Solange es keine Medikamente und keinen Impfstoff gibt, ist diese Therapie ja das einzige was man tun kann, um akut Betroffenen zu helfen.“

„Wie genau sich das Virus verhält, weiß man im Vorhinein nicht”

Sie ist für sich und ihren Freund vor allem dankbar. „Dass man es erstens, so milde überstanden hat, und zweitens, keine Angst mehr von Ansteckung haben muss, etwas sorgenfreier durchs Leben geht.“

Hätten alle so milde Verläufe wie sie, ergänzt sie nachdenklich, wäre Herdenimmunität über Ansteckung aufzubauen vielleicht eine Idee. Aber auch nur eine Idee. „Wie genau sich das Virus bei wem verhält, weiß man im Vorhinein halt nicht.“

Also bleibt nur weiter Abstand halten, Ansteckung vermeiden – und die Hoffnung, dass es mithilfe der Antikörpertherapie gelingt, schwere Covid-19-Verläufe zu bremsen.