Stadt schafft es nichtPeinlich bis unterirdisch: Das Kölner Haltestellen-Desaster

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An der Haltestelle Reichenspergerplatz gibt es keine Rolltreppen, geschweige denn Aufzüge. Für Eltern mit Kinderwagen oder in der Mobilität eingeschränkte Menschen ist das der Horror.  

von Chris Merting (mert)

Köln – Viele KVB-Haltestellen sind ein schlechter Treppenwitz: Kein Aufzug, nicht mal eine Rolltreppe – wahrhaft unterirdisch. Dabei soll bis zum 1. Januar 2022 die Barrierefreiheit beim gesamten ÖPNV hergestellt sein. So lauten gesetzliche Vorgaben, sie seit Jahren bekannt sind. Doch davon ist Köln weit entfernt.

Die Verwaltung räumt jetzt sogar ein, dass sich diese Zielvorgabe „auf keinen Fall erreichen lässt“. Als Gründe führt sie fehlende „personelle Ressourcen“ und „begrenzte Fördermittelkontingente“ an. Das geht aus einer Antwort auf eine Anfrage der Ratsgruppe „Bunt“ hervor.

Senioren trifft es hart

Das Desaster trifft viele: Ältere Leute mit eingeschränkter Mobilität (Rollator), gehandicapte Menschen, Eltern mit Kinderwagen, Reisende mit Koffer.

Am Reichenspergerplatz etwa kommt alles zusammen: Bahnsteig nicht den Bahnen angepasst, auf Stufen aus dem Waggon. Am unterirdischen Bahnsteig wartet dann eine Treppe, von einem Aufzug oder einer Rolltreppe keine Spur. Wenn Menschen mit eingeschränkter Mobilität dort ins Gericht wollen, müssen sie an der entfernten Haltestelle Ebertplatz aussteigen und beten, dass die Aufzüge nicht außer Betrieb sind – wie es so oft der Fall ist.

Die Mängelliste der Stadt

Daran wird in den nächsten Jahren nichts ändern. Kein Geld, kein Personal – die Stadt könne Barrierefreiheit an Stadtbahnhaltestellen nur nach und nach herzustellen.

„Bis 2022, so die Mängelliste der Stadt, „wird demnach voraussichtlich bei nachfolgenden Stadtbahnhaltestellen die Barrierefreiheit noch nicht gegeben sein“:

Venloer Straße/Gürtel, Aachener Straße/Gürtel, Dürener Straße/Gürtel, Gleueler Straße/Gürtel, Weinsbergstraße/Gürtel, Euskirchener Straße, Zülpicher Straße/Gürtel, Oskar-Jäger-Straße/Gürtel, Berrenrather Straße/Gürtel, Wüllnerstraße, Geldernstraße/Parkgürtel, Fuldaer Straße, Reichenspergerplatz, Escher Straße, Appellhofplatz/Zeughaus (Linie 5), Slabystraße Süd (Linie 18), Slabystraße Nord (Linie 13) und Longerich Friedhof.

Auch für die Stadtbahnhaltestellen Friesenplatz, Barbarossaplatz, Nußbaumerstraße, Subbelrather Straße und Lohsestraße werden die Umbaumaßnahmen voraussichtlich nicht vollständig abgeschlossen sein.

Wie konnte es dazu kommen?

In Köln werden seit Jahrzehnten Stadtbahnanlagen gebaut. „Die Barrierefreiheit des Systems stand lange nicht im Vordergrund“, so die Stadt. Die Anlagen wurden den funktionalen Erfordernissen entsprechend in der Regel mit Treppenzugängen und gegebenenfalls zusätzlichen, aufwärtsführenden Fahrtreppen errichtet. Erst seit den 1980er Jahren werden auch die unterirdischen Stadtbahnhaltestellen barrierefrei ausgebaut.

Ältere Stadtbahnanlagen werden seitdem schrittweise mit Aufzügen nachgerüstet. Erste Projekte waren etwa die Aufzugsnachrüstungen an den Haltestellen Poststraße, Florastraße und Hans-Böckler-Platz. Danach wurden von der Stadt Köln Aufzüge an den Stadtbahnhaltestellen Ebertplatz, Bahnhof Deutz/Messe und Neusser Str./Gürtel eingebaut. Derzeit werden die Stadtbahnhaltestellen Kalk-Post und Vingst mit Aufzügen nachgerüstet.

Wiener Platz: Ein Aufzug kostet allein 700.000 Euro

Wie teuer das ist, zeigt das aktuelle Beispiel Wiener Platz. Die Politik wünscht sich einen Aufzug. Die Stadt teilt dazu mit: „Der prognostizierte Kostenorientierungswert für den Einbau einer Aufzugsanlage, als Ersatz für die heute verbaute Fahrtreppe, beträgt rund 700.000 €. Hierbei unberücksichtigt ist eine möglicherweise erforderlich werdende bauliche Anpassung des Trogbauwerks für den Einbau des Aufzuges.“

Hinzu kämen jährliche Kosten für Wartung, Reinigung und Reparaturen von Sachbeschädigungen. Auf Grundlage von Erfahrungswerten bei der Unterhaltung von Aufzugsanlagen im Stadtbahnbereich und aufgrund der Lage des Aufzuges könnten diese wiederkehrenden Kosten bei rund 50.000 bis 75.000 Euro pro Jahr liegen. Und weiter: „Da solche Reparaturen erfahrungsgemäß sehr häufig anfallen und oft nicht zeitnah ausgeführt werden können, ist mit längeren Stillstandszeiten zu rechnen.“

Die Kosten für die regelmäßige Unterhaltung einer Rolltreppe liegen hingegen bei rund 15.000 Euro im Jahr.