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Mega-Verlust wegen Corona„Roncalli“-Chef: „Notfalls wieder als Clown auf der Straße“

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Roncalli-Direktor Bernhard Paul

von Simon Küpper (sku)

Köln – Es ist sein Lebenswerk, sein größter Schatz. Für die Kölner ist es fast noch mehr als das: Hätz, Jeföhl – ein Stück Köln.

Von ganz unten hat Bernhard Paul (72) den „Circus Roncalli“ aufgebaut. In der Corona-Krise steht auch die Gute-Laune-Welt der Manege auf dem Prüfstand.

„Circus Roncalli“: Mega-Verlust wegen Corona

Eigentlich hätte der Circus jetzt gerade wieder seine Zelte auf dem Kölner Neumarkt aufgeschlagen. Das Gastspiel in Recklinghausen wäre sogar schon vorbei. Beide Stopps wurden verschoben. Einige der Artisten machen Kurzarbeit.

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Zwischen 500.000 und einer Million Euro sind es, die bislang in der Kasse fehlen, schätzt Paul. Ein Mega-Verlust, den das Unternehmen – noch – auffangen kann. „Aber das stemmen wir noch“, sagt Paul mit seiner gewohnt ruhigen, aber deutlichen Stimme. Sorgen macht aber auch er sich.

„Klar mache ich mir Sorgen, aber wir sind nicht verzweifelt. Wir arbeiten und machen alles, was geht“, sagt er im Gespräch mit EXPRESS. Derzeit ist er im Winterquartier des Circus‘ in Mülheim. Paul selbst hält sich – weil in der Risiko-Gruppe – so gut es geht von anderen Menschen fern, hat seinen abgetrennten Bereich.

„Woanders als Köln dürfen wir ja eh nicht hin. Wien ist abgesperrt. Aber ich bin froh, dass ich hier bin. Fad wird uns nie – das Winterquartier ist groß genug“, so Paul. Einen positiven Corona-Fall gab es bei Roncalli übrigens nicht.

„Roncalli“-Chef Bernhard Paul über positive Seite der Krise

Alles habe auch eine positive Seite. „Positiv ist, dass wir alles überdenken. Wo kann man Geld sparen, wo mehr Einkünfte einnehmen? Und es ist Zeit, ein paar Dinge zu regeln. Steuerlich. Wissen Sie: Circus ist Kultur – in England, Russland, Frankreich, überall. Nur in Deutschland nicht. Seit er im Dritten Reich durch Herrn Goebbels aus der Kunst rausgeschmissen wurde. Der hat wortwörtlich gesagt: ‚Circus ist Afterkunst‘“, erklärt Paul.

Das heißt für den heutigen Circus: „Deshalb sind wir steuerlich ein Gewerbe und keine Kultur. Wir zahlen jedes Jahr Gewerbesteuer. Und in der Berufsgenossenschaft untersteht der Circus der Gastronomie – das ist absurd. Da bin ich dabei, das aufzuschreiben und will dafür kämpfen, dass die Basisbedingungen für den Circus verbessert werden können.“

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Stillstand in der Manege heißt längst nicht Stillstand bei Bernhard Paul und seinen Circuskollegen. Das ganze Wochenende hätten seine Frau und Tochter Kostüme sortiert, gereinigt und restauriert.

„Roncalli“-Chef: „Notfalls wieder als Clown auf der Straße“

Wenn es hart auf hart kommt, gibt Paul sein letztes Hemd für den Circus. Beeindruckend, wie ruhig und sachlich er sich der Situation stellt. „Ich habe ja schon zwei Mal mit Null angefangen. Ich bin ein Kämpfer und habe vollstes Vertrauen zu mir selbst, dass ich jedes Problem lösen kann. Aber wir müssen kämpfen und kreativ sein.“

Circusleute seien Idealisten. Die machten eben das, was sie liebten und verzichteten dafür auf Wochenenden, Feiertage oder Ferien.

„Im Notfall stelle ich mich wieder als Clown in die Fußgängerzone“, sagt Paul. Und weiter: „Der alte Kelly – Vater der Kelly Family – hat mir mal gesagt: ‚Solange du einen Hut hast, kannst du nicht verhungern.‘ Wir können ja alle was. Notfalls machen wir den Roncalli-Familiencircus, aber so weit wird es nicht kommen.“

Aufgeben gibt es bei Paul nicht. In seinem sympathischen Wiener Schmäh sagt er: „Werden auch das schaffen. So lange wir existieren können. Wir leben ja relativ bescheiden. Mehr als Essen brauchst du nicht und ich hab ja eh schon Probleme mit Übergewicht. Ich brauche auch keine teuren Autos oder so.“

Und er weiß aus der Vergangenheit, dass er es schaffen kann. „Wir haben uns früher das Holz an der Messe verdient, indem wir Stände abgebaut haben. Es gibt für alles eine Lösung. Wir haben schon so viele Opfer gebracht. Wir haben nächtelang mit Glasscherben den Lack an den alten Circuswagen abgekratzt. Wir waren uns für nichts zu schade. Und die Leute haben das auch gespürt. Vor allem die Kölner. Sie werden es uns auch diesmal zurückzahlen.“

Internet-Stream? Beim Circus keine Option

So wie damals, als sie dem Circus bei seinem ersten Gastspiel in Köln im Jahr 1980 die Karten nur so aus den Händen rissen. „Nach den drei Monaten war der Circus schuldenfrei“, erinnert sich Paul.

Und die Zelte werden bald wieder auf dem Neumarkt stehen (die neuen Termine: 2. Juli bis 12. August). „Wir werden nach dieser Zeit das Lachen und das Schöne zurückbringen“, sagt Paul und hofft: „Es wäre schön, wenn das Publikum uns weiter vertraut und schon Karten kaufen würde. Der Vorverkauf läuft.“

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Eine Alternative zum Zelt und der Manege hat der Circus nicht. Zwar liefen schon Pferde als Hologramm durchs Rund, eine Show-Übertragung im Internet, wie es viele Musiker derzeit tun, kommt für Paul aber nicht in Frage. Weil das echte Erlebnis fehlt. „Das riecht doch nicht. Die Dimensionen sind nicht da. Es gibt Sachen, die sind möglich am Handy – aber Circus sicher nicht“, sagt er.

Was macht ihm Hoffnung für die Zukunft? „Naja, die letzten Wochen waren die Leute ja sehr diszipliniert. Das trägt Früchte. Wenn man aufpasst, kriegt man das in den Griff. Man darf nicht zu früh leichtsinnig werden. Aber es gab schon so viele Epidemien und Pandemien. Das hier ist auch keine für die Ewigkeit. Und es arbeiten ja zig Labore daran, Medizin zu finden. Die werden sie irgendwann auch finden.“

Und dann sind Bernhard Paul und der „Circus Roncalli“ startklar. „Wir sind bereit. Sobald es geht, spielt die Musik und dann heißt es für Roncalli wieder: Manege frei!“

Das Kölner Publikum freut sich sicher schon darauf, „seinen“ Roncalli wieder zu erleben. Ganz in echt.