Später in Rente wegen Corona?Kölner Wirtschaftsprofessor mit erschreckender Prognose

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Wirkt sich die Corona-Pandemie etwa auch auf die Renten aus? Hier sitzen am 31. August Senioren auf einer Bank in Dresden. 

von Madeline Jäger (mj)

Köln – Müssen viele Menschen jetzt wegen der Corona-Pandemie länger arbeiten oder bekommen weniger Rente? Führende Wirtschaftsinstitute fordern wegen steigender Staatsschulden ein höheres Rentenalter von 70 Jahren. Der Kölner Wirtschaftsprofessor Michael Krause gibt im EXPRESS-Interview eine Prognose zur schlechten Renten-Entwicklung ab.

  • Wirkt sich die Corona-Pandemie auf die Rente aus?
  • Führende Wirtschaftsinstitute fordern Rente mit 70 Jahren
  • Kölner Wirtschaftsprofessor mit erschreckender Prognose

Herr Krause, Kurzarbeit und Überbrückungshilfen belaufen sich auf milliardenschwere Beträge – ein höheres Renten-Eintrittsalter wird bereits diskutiert. Wie dramatisch ist die Lage?

Michael Krause: Das deutsche Rentensystem steht unter Spannung – auch ohne Corona. Die aktuelle wirtschaftliche Lage schafft nur zum Teil eine zusätzliche Belastung, obwohl die Corona-Hilfen sehr hoch klingen. Denn laut Sachverständigenrat Wirtschaft ist das Bruttoinlandsprodukt zwar mit 40 Prozent belastet, wenn man alle Corona-Maßnahmen zusammenrechnet. Die gute Nachricht ist aber, dass es sich hierbei zu zwei Dritteln um Bürgschaften, Kredite und Garantien handelt, die wahrscheinlich nie relevant für den Staatshaushalt werden.

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Bei der Rente sprechen wir aktuell über Entwicklungen, die sich schon lange anbahnen. In den nächsten zehn bis 15 Jahren geht die Generation der „Babyboomer“ in Rente, die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre. Dadurch wächst der Anteil der Anspruchsberechtigten an der Bevölkerung.

Doch der Anteil der Rentenbeitragszahler fällt tendenziell – vor allem durch den demografischen Wandel (die alternde Gesellschaft). Ab 2030 wird diese Diskrepanz noch einmal sehr aktuell und bisher ist das Problem noch nicht gelöst, weil wir immer noch kein nachhaltiges Wachstum der Erwerbsbevölkerung haben.

An welchen Stellschrauben müssen wir bei der Rente drehen, um entgegenzuwirken?

Corona wird zwar den Staatshaushalt zusätzlich belasten und der Staat bezuschusst die Rente auch bereits mit über 100 Milliarden Euro im Jahr, aber solange der Haushalt nicht zu stark unter Druck gerät, – wovon wir momentan ausgehen – wird sich die Pandemie nicht zusätzlich auf das Rentensystem auswirken.

Doch es gibt drei Stellschrauben, an denen wir auch ohne Corona unbedingt drehen müssen. Und eine allein wird nicht ausreichen. Entweder erhöhen wir die Rentenbeiträge der arbeitenden Bevölkerung oder wir verringern die Rente oder wir erhöhen das Renteneintrittsalter. Wie bei vielen Problemen, zeigt Corona mit dem Brennglas die Missstände auf, die wir bereits länger haben. Eine Rentenverringerung wäre in dieser Frage jedoch der unsympathischste Weg, das steht fest, da Pensionierte nicht ohne weiteres hinzu verdienen können.

Gibt es bestimmte Berufsgruppen, die sich definitiv auf ein längeres Erwerbsleben einstellen sollten?

Für die Bevölkerung, die noch länger arbeiten könnte und auch würde, wird es zukünftig wichtig sein, dass sie das auch dürfen und es auch gute Zuverdienst-Möglichkeiten im Alter gibt.

Insgesamt muss der Staat flexiblere Renten-Lösungen anbieten. Ich würde zum Beispiel als Professor an der Uni Köln gerne noch länger arbeiten dürfen als bis 67. Doch zum Beispiel für Mitarbeiter in Pflegeberufen ist ein hohes Renteneintrittsalter von 70 kein denkbares Szenario. Für bestimmte Berufsgruppen müssen andere und flexible Renten-Lösungen gefunden werden, ohne dass Abschläge in Kauf genommen werden müssen.

Wie werden sich die bereits ausgezahlten Corona-Hilfen auf die „Rentner von Morgen“ – also auf die junge Generationen auswirken?

Die junge Generation wird sich auf ein höheres Rentenalter einstellen müssen, also erst später in Rente gehen können, oder höhere Beiträge zahlen müssen.

Die Bildungsentwicklung hat durch die Corona-Zeit stark gelitten und der Arbeitsmarkteintritt wird sich für jetzigen Absolventen und Berufseinsteiger zeitweise schwieriger gestalten. Der schwache Arbeitsmarkt braucht trotzdem – oder jetzt erst recht – Fachkräfte, auch wenn die Belastungen in der Wirtschaft noch länger vorhanden sein sollten. Doch sobald der durchschlagende Impferfolg eintritt, wird sich auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt weiter normalisieren.