Rollstuhlfahrer aus KölnWenn eine einzige Stufe zur unüberwindbaren Hürde wird

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Sabine ist zwar durch ihre Tetraspastik eingeschränkt doch hier am Rhein fühlt sie sich ein wenig freier.

Köln – Bestimmt sind Sie in Köln schon einmal einem Rollstuhlfahrer begegnet. Vielleicht haben Sie sich dann gefragt, wie er oder sie wohl in Köln zurechtkommt.

EXPRESS wollte das näher wissen und hat zwei Rollstuhlfahrerinnen getroffen.

Jenny und Sabine in Köln: „Wir lieben die Natur“

Jenny Westbomke (35) ist Sozialarbeiterin und berät Menschen mit Behinderung. Das kann sie besonders gut, denn sie selbst sitzt im Rollstuhl. Daher kennt sie die Probleme ihrer Klienten aus eigener Erfahrung.

Auch Sabine Weinmann (45) aus Krefeld ist Rollstuhlfahrerin und berät Menschen mit Beeinträchtigung. Um Freunde zu treffen oder an Aktionen von Vereinen teilzunehmen, ist sie regelmäßig in Köln und weiß die Stadt sehr zu schätzen.

Beide haben eine sogenannte Tetraspastik, dabei handelt es sich um eine krankhafte Erhöhung der Muskelspannung, die durch eine Schädigung des zentralen Nervensystems hervorgerufen wird.

Völlig unterschiedliche Schwierigkeiten

Doch die Schwierigkeiten, die durch diese Erkrankungen hervorgerufen werden, sind bei den beiden sehr verschieden. Während Jenny ihr Handy beispielsweise mit den Händen bedienen kann, benötigt Sabine einen speziellen Mundstift, um Nachrichten schreiben zu können.

„Ich fahre gerne mit dem Schiff, denn das ist zum Glück barrierefrei“, erzählt Sabine. Außerdem mag sie den Rhein und den Königsforst. Jenny geht gerne in den Kölner Zoo oder mit Freunden in den Park.

Außerdem weiß sie als Landkind das gute Streckennetz der Stadt Köln sehr zu schätzen.

Barrierefreiheit in Köln – für Rollstuhlfahrer unverzichtbar

Doch auch die beste Infrastruktur hilft Rollstuhlfahrern wie Jenny und Sabine nur, wenn sie barrierefrei ist. „Um von A nach B zu kommen muss ich immer sehr gut planen“, erklärt Jenny.

Grund dafür ist, dass viele Haltestellen nicht ausreichend barrierefrei sind. Für Jenny und Sabine kann eine kleine Stufe zur Barriere werden, denn diese können sie mit ihrem Rollstuhl nicht ohne fremde Hilfe überwinden. Außerdem seien zentrale Verkehrsknotenpunkte wie der Barbarossaplatz und der Friesenplatz nicht barrierefrei.

„Gerade der Barbarossaplatz wäre praktisch für mich, um zu meinem Arbeitsplatz in der Südstadt zu kommen. Deshalb muss ich einen Umweg in Kauf nehmen“, berichtet Jenny.

Dabei sind laut KVB 90 Prozent der Bus- und Bahnhaltestellen barrierefrei. „Ich würde sagen, es sind höchstens 70 Prozent“, sagt Sabine aus Krefeld. Jenny ergänzt, dass es oft davon abhängt, welcher Bahn-Typ gerade unterwegs ist und wie viele Passagiere mit der Bahn fahren, ob der Einstieg für sie barrierefrei ist.

Das Problem Stufe: Kreative Lösungen in Köln

Oft ist es aber auch nur eine einzige Stufe, die Rollstuhlfahrern den Zutritt verwehrt. Um diese zu überwinden, braucht es viel Körperkraft, eine Assistenz oder eine Lego-Rampe.

Das Projekt „100 Legorampen für Köln“ wurde 2017 von Junge Stadt Köln ins Leben gerufen. Ziel des Projektes ist, mittels kleiner, mobiler Rampen aus Legosteinen Barrierefreiheit herzustellen.

Diese Rampen werden von den Mitwirkenden an lokale Unternehmen und Cafés übergeben, wo sie bei Bedarf vor eine Stufe gelegt werden können.

Wenn es jedoch keine Legorampe gibt, müssen sich Rollstuhlfahrer anders zu helfen wissen. So hat Sabine immer eine eigene Rampe dabei, um Barrieren überwinden zu können. Diese kommt immer dann zum Einsatz, wenn Stufen für die 45-Jährige zu hoch sind oder es für sie unüberwindbare Lücken gibt: Wie zum Beispiel den Spalt zwischen Zug und Bahnsteigkante.

Jenny aus Köln: „Das Treffen endet oft, wenn ich aufs Klo muss“

Jenny ist in ihrer Freizeit viel unterwegs: Sie geht gern shoppen, unternimmt gerne etwas mit Freunden oder geht in eine Bar, um einen Cocktail zu trinken.

Doch wo sie hingehen kann, hängt von der Barrierefreiheit der Lokalitäten ab. Und wenn der Eingang zu einer Bar barrierefrei ist, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass es dort auch eine Behindertentoilette gibt. Denn viele Toiletten sind zu klein für einen Rollstuhlfahrer oder nur über Treppen erreichbar.

„Da hat mich dann schon einmal ein sexy Kellner die Treppe runter zum Klo getragen“, erzählt Jenny lachend.

Auch helfen will gelernt sein

Die Kölner erleben Jenny und Sabine überwiegend als sehr hilfsbereit. Aber manchmal ist die Hilfsbereitschaft auch zu gut gemeint. So habe einmal ein Mann ihren Rollstuhl gepackt, um sie an einen Ort zu bringen, an den sie seiner Meinung nach wollte.

„Und wenn ich dann um Hilfe schreie, werde ich nicht ernstgenommen, denn alle denken, er wäre mein Assistent“, empört sich Jenny. Und auch manches Klischees halten sich fest in den Köpfen der Kölner.

Viele gehen beispielsweise davon aus, dass Menschen mit Behinderung niemals alleine unterwegs sind. Und wenn diese keine Assistenz dabei haben, wird einfach der Mensch angesprochen, der direkt neben oder hinter ihnen steht.

„Einmal im Supermarkt wurde der Herr hinter mir in der Schlange gebeten, doch meinen Einkauf zu bezahlen. Ich habe dann gesagt, dass er das gerne machen kann, aber ich nicht weiß, ob er das auch möchte“, sagt Jenny lachend.

Jenny aus Köln: „Wir brauchen keine goldenen Rampen“

Ginge es nach Jenny, so würde sie den kompletten ÖPNV barrierefrei gestalten. Auch Sabine ist ein barrierefreier ÖPNV sehr wichtig. Sie würde vor allem alle Aufzüge durch Rampen ersetzen.

„Denn die sind nicht dauernd defekt“, erklärt sie. Außerdem würde Jenny dafür sorgen, dass Bankautomaten niedriger angebracht werden, denn so könne sie deren Bedienelemente besser erreichen.

Für Sabine ist das jedoch kein Problem: „Ich kann keine Knöpfe drücken, dass muss meine Assistenz für mich übernehmen.“

„Es wäre auch sinnvoll, Restaurantbetreibern günstige Möglichkeiten zu bieten, um Barrieren abzubauen“, schlägt Jenny vor.

Sabine kennt eine solche Möglichkeit aus ihrer Heimatstadt Krefeld: Dort verteilt sie aktuell sogenannte Service-Klingeln an Restaurants und Geschäfte. „Diese Klingeln werden außen am Geschäft angebracht und jeder, der Hilfe braucht, kann dann da draufdrücken“, erklärt sie die Idee der Service-Klingel.

Die Hilfe kann dann ganz unterschiedlich aussehen: So können Rampen herausgelegt oder Blinden beim Einkauf geholfen werden.