Anbieter mit heftiger Bahn-Kritik„Wir können für die meisten Verspätungen gar nichts“

Ein Zug von National Express fährt von Köln Richtung Krefeld.

Ein Zug von National Express fährt von Köln Richtung Krefeld.

Täglich Frust bei Pendlern und Pendlerinnen in NRW! Jetzt rechnen die Bosse von National Express knallhart ab. Sie sagen: Die Deutsche Bahn ist mit ihren Baustellen schuld am Chaos.

Große Versprechen von Bahnchef Richard Lutz und Ministerpräsident Hendrik Wüst – doch bei den Konkurrenten herrscht pure Skepsis.

„Abwarten“, sagt Michael Hetzer, einer der Geschäftsführer von National Express im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Aus unserer Perspektive, und das ist die eines privaten Eisenbahnverkehrsunternehmens, müssen wir leider feststellen, dass momentan das Gegenteil der Fall ist.“

Und das spüren die Pendler und Pendlerinnen in NRW jeden Tag. Der Regionalzug kommt zu spät, die S-Bahn fällt aus, die Durchsagen nerven nur noch. Doch wer ist schuld? Hetzer wehrt sich: „Unser Personal muss den Frust ertragen. Dabei können wir für die meisten Verspätungen gar nichts.“

Alles zum Thema Deutsche Bahn


Keine Köln-News mehr verpassen: Jetzt hier gratis die EXPRESS-App runterladen – entweder via iPhone oder Android.


Und dafür liefert er harte Zahlen. Hetzer: „Wir können das nachweisen. Bei den Baustellen zum Beispiel. Inzwischen werden mehr als 90 Prozent von der DB InfraGo nicht fristgerecht angekündigt, obwohl sie dazu verpflichtet ist. Das ist eine der Hauptursachen für das Chaos.“

Aber warum ist eine kurzfristige Info so ein Riesen-Problem? Die Antwort liegt in der komplizierten Personalplanung.

„Alle Eisenbahnunternehmen, die Tarifverträge mit der Lokführer-Gewerkschaft GDL abgeschlossen haben, müssen die Schichtpläne für ihre Lokführer und Lokführerinnen mit einem Jahr Vorlauf aufstellen“, erklärt Hetzer. Die Pläne sind quasi in Stein gemeißelt. Ändert die Bahn-Tochter DB InfraGo dann kurzfristig ihre Baustellenpläne, bricht das ganze System zusammen.

Tobias Krogmann und Michael Hetzer (rechts), die Geschäftsführer des Eisenbahnverkehrsunternehmens National Express, stehen im Juli 2025 vor einem Regionalzug im Kölner Hauptbahnhof.

Tobias Krogmann und Michael Hetzer (rechts), die Geschäftsführer des Eisenbahnverkehrsunternehmens National Express, stehen im Juli 2025 vor einem Regionalzug im Kölner Hauptbahnhof.

Ein Beispiel, das Pendler und Pendlerinnen zur Weißglut treibt: Eine lange geplante Baustelle zwischen Köln und Bonn wird plötzlich verschoben. Eigentlich sollte dort kein Zug fahren.

„Und dann mit wenig Vorlauf auf einmal doch wieder“, so Hetzer. Die Folge: National Express kann trotzdem nicht fahren. „Weil das Personal längst anderweitig verplant ist und das jeden Wochen- und Monatsplan durcheinanderwirbelt.“

Für die Fahrgäste ist das nicht zu verstehen. Züge fallen aus, obwohl gar nicht gebaut wird! „Die Pendler sind zu Recht verärgert und machen uns dafür verantwortlich. Weil sie die Hintergründe nicht kennen“, so Hetzer. Im Fall der Regionalbahn 25 konnte man nur noch eine Notlösung anbieten: Der Zug fährt nur noch einmal pro Stunde.

Sein Geschäftsführer-Kollege Tobias Krogmann bringt es auf den Punkt: „Es heißt immer, die Infrastruktur und die vielen Baustellen seien das Problem. Das stimmt nur zum Teil. Der Umgang damit ist das Problem.“

Hetzer nennt ein weiteres Unding: Die Bahn sperrt eine Strecke für die Sanierung und baut dann gleichzeitig auf der offiziellen Umleitungsstrecke. „Am Ende müssen wir nachweisen, dass wir für die Verspätungen, die aus einer solchen Baumaßnahme entstehen, nicht verantwortlich sind. Sonst müssen wir Vertragsstrafen zahlen.“

Für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von National Express ist der tägliche Betrieb ein reiner Stressfaktor. Kommt man pünktlich an oder muss der Zug vorher wenden, weil sonst die Arbeitszeiten überschritten werden?

Toiletten können nicht geleert werden, Züge stranden

„Jede Verspätung macht das System ineffizienter“, sagt Geschäftsführer Krogmann. Die Folge: Toiletten können nicht geleert werden, Züge stranden. Die Kollegen und Kolleginnen aus dem Betrieb nennen es das „Spinnennetz“.

Hetzer erklärt das Bild: „Wenn man sich einmal darin verfangen hat, kommt man so leicht nicht wieder heraus.“ Deshalb versuche man alles, um pünktlich zu sein. „Aber im Grunde ist das die Wahl zwischen Pest und Cholera.“ (red)