Nach Party-Eklat in WiddersdorfNachtruhe ab 22 Uhr: Ist das für Köln noch zeitgemäß?

Nachtruhe-Lärm-Ruhestörung-Illustration

Abends draußen sitzen und Spaß haben. Für die einen ist das ein Lebensgefühl, für andere ist das Ruhestörung.

Köln – In Widdersdorf wird eine Gartenparty gefeiert, nach 22 Uhr fühlen sich Nachbarn durch laute Musik gestört, rufen das Ordnungsamt, die Situation eskaliert, die Polizei muss zu Hilfe kommen, ein ZDF-Reporter, der ebenfalls Gast der Gartenparty ist, wird in Gewahrsam genommen (hier mehr lesen).

Was die Politik über die „Nachtruhe“ denkt

Unabhängig von der Frage, wie es zu solch einer Eskalation überhaupt kommen kann, wird jetzt in Köln wieder über die Nachtruhe diskutiert. Sie beginnt laut Gesetz um 22.00 Uhr. Doch ist dies noch zeitgemäß? EXPRESS hat einige Politiker aus dem Stadtrat dazu befragt.

Die Linke will „fit zur Arbeit“

Linke-Fraktionschef Jörg Detjen hat eine klare Meinung: „Die Nachtruhe muss auch in Zukunft um 22 Uhr beginnen. Die meisten Menschen gehen zwischen 22 und 23 Uhr ins Bett, um am nächsten Morgen fit für die Arbeit zu sein. In Wohngebieten muss es deswegen ruhig sein“, sagt Detjen – und ergänzt: „In den Innenstädten brauchen wir Zonen, in denen sich Menschen länger draußen aufhalten können. Denn die Feierkultur ändert sich. Und für Jugendliche und junge Erwachsene brauchen wir unkommerzielle Angebote, die man auch nutzen kann, ohne dass sie Geld kosten.“

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Die CDU hält in Wohnviertel an 22 Uhr fest

Der Vorsitzende des Stadtentwicklunsgausschusses, CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz, sagt: „Die Nachtruhe muss man differenziert betrachten. In reinen Wohnvierteln wie Widdersdorf halte ich 22 Uhr für durchaus realistisch. An Wochenenden könnte man vielleicht sogar über eine Stunde länger nachdenken. In pulsierenden, urbanen Gebieten mag 22 Uhr überholt sein, aber auch hier braucht es einen guten Interessenausgleich zwischen Feiernden und Anwohnern.“

Die SPD will die Nachtruhe begrenzt ausweiten

SPD-Fraktionschef Christian Joisten ist ebenfalls gegen eine Aufweichung der Ruhezeiten. Er bezieht sich nochmal auf die eskalierte Gartenparty und stellt fest: „Wer sich daneben benimmt, Widerstand gegen Polizeibeamte leistet – und dann noch seinen Pressestatus missbraucht – gehört bestraft!“

SPD-Fraktionschef Christian Joisten hat bei der Nachtruhe eine klare Meinung: „Grundsätzlich sollte es bei 22.00 Uhr bleiben, da es natürlich immer noch genügend Menschen gibt, die sehr früh aufstehen müssen und ihren Schlaf brauchen.“

Joisten spricht sich aber für „großzügigere Regelungen für Volks- und Veedelsfeste“ aus und erklärt: „Ich meine, dass jeder Bürger zweimal im Jahr an einem Wochenendtag einen erhöhten Lärmpegel durch öffentliche (!) Feiern bis mindestens Mitternacht hinnehmen muss! Und an zentralen Plätzen muss dies auch an mehr Abenden im Jahr möglich sein! Aber in reinen Wohngebieten muss weiterhin um 22.00 Uhr Schluss sein!“

Kölner FDP fordert „Rücksicht auf die Nachtruhe“

FDP-Fraktionsgeschäftsführer Uli Breite sagt: „Schwierige Frage, aber in einer  Familienhaussiedlung mit Kindern sollte schon Rücksicht auf die Nachtruhe genommen werden, oder?! Man muss einen Zeitpunkt festlegen. Es geht hier ja nicht um die Innenstadt oder die Ringe im Speziellen, sondern um Wohnsiedlungen.“

Kölner Grüne sehen gegenseitige Rücksichtnahme

Grünen-Fraktionschefin Brigitta von Bülow wohnt selbst an einem der „Hotspots“ – und sieht die Sache insgesamt gelassen: „Damit die unterschiedlichsten Bedürfnisse in Einklang gebracht werden können, halte es grundsätzlich für richtig, an der Nachtruhe ab 22 Uhr festzuhalten – damit am Ende nicht jeder macht, was er will. Genauso klar ist aber auch, dass es doch durch gegenseitige Rücksichtnahme in den meisten Wohnvierteln auch funktioniert. Oft sitzen die Bewohner mehrerer Häuser beisammen und feiern gemeinsam, das ist auch in Ehrenfeld vielfach so.“

Was ist mit zentralen Plätzen in Köln?

Die Meinung der Politiker ist also eindeutig: Strikte Nachtruhe in reinen Wohngebieten ab 22.00 Uhr. In Innenstädten, auf Partymeilen könne man das differenzierter sehen. Doch haben die Anwohner in der Innenstadt nicht auch ein Anrecht auf Nachtruhe ab 22.00 Uhr? Was ist mit den Anwohnern des Brüsseler Platzes, von denen die meisten dort schon gewohnt haben, bevor der Platz zur Partyzone wurde – ausgelöst übrigens durch den katholischen Weltjugendtag 2005.

Brüsseler Platz und andere Hotspots

Am Brüsseler Platz hat es jahrelang Mediationsverfahren zum Ausgleich zwischen Anwohnern und Feiernden gegeben, die Kosten für Mediator und Konzepte, bauliche Veränderungen, Beleuchtung etc. erreichten sechsstellige Summen. Gebracht hat es praktisch nichts.

Im Lauf der Jahre sind weitere Party-Hotspots hinzugekommen. So hat es auch am Lenauplatz in Ehrenfeld bereits handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen Anwohnern und Feiernden gegeben. Ebenfalls in Ehrenfeld kommt spätabends und nachts auch am Alpener Platz ein buntes Völkchen zusammen.

Lesen Sie hier: Darum gibt es immer mehr Lärmbeschwerden von Anwohnern in Köln.

In Nippes werden die Anwohner am Schillplatz wegen des immer zahlreicher werdenden Partyvolks unruhig, auch hier gibt es erste Beschwerden.

In Mülheim treffen sich viele abends am Rheinufer („Katzenbuckel“ oder Höhe Münzstraße), auch hier ist vereinzelt von Beschwerden zu hören. Vor der Kneipe „Limes“ (Mülheimer Freiheit Ecke Wallstraße) breiten sich ebenfalls eine Menge Leute aus, aber die Nachbarschaft verfährt hier nach dem Motto „Leben und leben lassen“.

Beschwerden auch am Kölner Rheinboulevard

Aber auch beim Rheinboulevard mit der großen Freitreppe in Deutz gibt es Beschwerden, obwohl es hier fast keine Anwohner gibt. Hier beklagen viele, die die Aussicht genießen wollen, dass andere mit Bluetooth-Lautsprechern Party machen.

Der Rechtsbegriff der Nachtruhe ist in einigen Landes-Immissionsschutzgesetzen geregelt. Während der Nachtruhe sind Betätigungen verboten, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind. Die Nachtruhe dauert in Deutschland im Allgemeinen von 22 Uhr bis 6 Uhr.

Allerdings gibt es auch Ausnahmen, Stichwort Fluglärm. In vielen Städten, so auch in Köln, zahlt der Flughafen aber besonders schallisolierende Fenster. Die stoßen aber an ihre Grenzen, wenn man im Sommer bei offenem Fenster schlafen will...