Nach EXPRESS-BerichtKölns Oberstaatsanwalt: Darum bleiben Diebe so oft straffrei

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Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer.

Köln – Sind Kölns Supermarkt-Chefs Langfingern machtlos ausgeliefert? Versagt bei Ladendiebstählen die Justiz, weil Täter keine ernsten Strafen fürchten müssen?

EXPRESS-Bericht schlägt hohe Wellen

Der EXPRESS-Bericht „Kölner Supermarkt-Chef wird ständig beklaut: Die Reaktion der Justiz macht ihn sauer“ (hier die Hintergründe) sorgte für jede Menge Diskussionen. Rund 100 Strafanzeigen hatte der selbständige Kaufmann Gerald Gans (44) aus Vingst bereits gesammelt. Die Polizei bekommt die vom Ladendetektiven ertappten Diebe quasi frei Haus geliefert, plus eindeutige Videobeweise für die Tat.

Und dann? Passiert nichts. Bis auf Post von der Kölner Staatsanwaltschaft: „Verfahren eingestellt!“ heißt es da meistens. Gründe sind etwa: „Kein öffentliches Interesse“, „Geringfügigkeit“, „jugendliche Unreife“ oder „Beschuldigte ist strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten“.

Alles zum Thema Facebook

Viele Reaktionen zum Thema Ladendiebstahl

Mit dem Ärger über die lasche Justiz ist Gans nicht allein. „Heute haben Diebe Narrenfreiheit“, „Eine Anzeige bei der Polizei macht keinen großen Sinn“, „Kleinkriminalität ist mittlerweile Volkssport“ oder „Zustände in Deutschland, die wir vor einigen Jahren nicht für möglich gehalten hätten“ sind nur einige von vielen zustimmenden Kommentaren auf der EXPRESS-Facebook-Seite.

Auch persönlich bekam der Marktleiter viel Zuspruch: „Endlich traut sich mal einer, den Mund aufzumachen, freuten sich Kollegen aus anderen Filialen“, berichtet Gans. „Es sind wohl viel mehr Supermärkte in Köln von dem Thema Ladendiebstahl betroffen, als man öffentlich so wahrnimmt. Aber da spricht halt keiner drüber.“

Staatsanwalt Bremer über Ladendiebstahl in Köln

EXPRESS befragte Kölns Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer: Was ist da los? Warum werden Ladendiebe nicht konsequent bestraft? „Wie immer – und das gilt auch für die Fälle des Ladendiebstahls – unterliegt jede Tat einer individuellen Betrachtung des Sachverhalts und der Person des Täters“, so Bremer. „Sofern der Wert der entwendeten Sachen 25 Euro nicht übersteigt, spricht man von einem Diebstahl geringwertiger Sachen. In diesen Fällen kann es durchaus sein, dass bei einem Ersttäter das Verfahren eingestellt wird.“

Ladendiebe in der JVA Ossendorf

Bei Jugendlichen könne aus erzieherischen Gründen eine Verwarnung ausreichend sein. Bei Wiederholungstätern – egal ob Jugendlicher oder Erwachsener – soll es in der Regel keine Einstellung ohne Auflagen, etwa Sozialstunden oder Geldstrafen, geben.

Bremer: „Sollte zum Beispiel ein erwachsener Angeklagte im Falle einer Verurteilung zu einer Geldstrafe diese nicht zahlen, wird er eine Ersatzfreiheitsstrafe in der JVA verbüßen müssen. Bei notorisch handelnden Tätern kommen auch Freiheitsstrafen ohne Bewährung in Betracht. Also: Auch Ladendiebe können in der JVA landen!“

Ladendiebstahl: 25 Euro Grenze

Und wenn die Beute höher als 25 Euro liegt? „Dann wird die Zahl der Einstellungen ohne Auflagen niedriger sein, insbesondere, wenn Gegenstand des Diebstahls Luxuskonsumgüter sind“, so Bremer.

Rückblickend auf den EXPRESS-Bericht fügt der Oberstaatsanwalt noch hinzu: „Dass der Leiter des Supermarkts frustriert ist, kann ich natürlich verstehen – wir müssen aber jeden Fall individuell prüfen und können nicht alle Taten über einen Kamm scheren.“