Lost Places in KölnMysteriös: Das Geheimnis der vergessenen Rennbahn

Geheimnisvoll und fast vergessen – es gibt sie nicht oft im Großstadt-Dschungel einer Millionen-Metropole: Lost Places. Einsame, geheimnisvolle Orte, wo einst das Leben pulsierte, wie eine alte Rennbahn in Köln.

von Uwe Bödeker (ubo)

Auf der Hundewiese Biesterfeld gehen ein paar Rentner mit ihren Vierbeinern Gassi, die Parkbänke werden für einen kölschen Klaaf genutzt. Ein paar Meter weiter lädt eine Frau den Gruppen-Bollerwagern mit den Pänz aus, schickt die Kleinen in Matschhosen auf den Abenteuer-Spielplatz.

Willkommen in Köln-Vogelsang. Eine kleine, grüne Oase im Kölner Westen. Und wenn man vom Kolkrabenweg den Pfad durch das Gebüsch findet, steht man plötzlich mitten auf einer historischen Sportanlage der Stadt Köln. Was steckt hinter dem mysteriösen Ort?

Lost Places Köln: In Vogelsang existiert Erinnerung an vergangene Zeit

Eine große Betonrampe wirkt wie aus vergessener Zeit, die Inschrift mit weißen Steinen ist aber noch gut zu erkennen: „1. BMX Club Köln“ steht auf der Rampe. Acht Fahrbahnen sind auch noch markiert, doch der Beton ist brüchig, die Fläche teils mit Lehm und Moos überdeckt.

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Ein echter „Lost Place“ von Köln. EXPRESS.de ging dem Geheimnis der vergessenen Kölner BMX-Bahn auf die Spur. Anfang der 1980er-Jahre schwappte der BMX-Boom nach Deutschland.

Lost Places Köln: Die vergessene BMX-Bahn

BMX ist die Abkürzung für Bicycle Motocross, das X steht dabei für Cross. Für die Bikes mit kleinen Rahmen und 20-Zoll-Laufrädern gab es in den Anfängen zwei Disziplinen: Entweder machten die Jugendlichen Tricks (Freestyle) oder sie fuhren Rennen auf Crossstrecken (Racing).

Nun war Köln schon immer eine Radsport-Hochburg. Und schnell entwickelte sich neben den Rennrad- und Bahnfahrern eine große BMX-Szene in der Stadt. Zunächst trafen sich die Pioniere auf der Domplatte, um dort mit den Bikes Tricks zu üben oder die Treppen hinauf und hinunterzuspringen. Im Jahr 1982 hatten ein paar BMX-Enthusiasten dann größer Pläne. Sie wollten eine große Rennstrecke in Köln bauen.

In Vogelsang wurde der perfekte Ort gefunden. Doch als man bei der Stadt Köln anfragte, musste erstmal eine Organisation gegründet werden, um dann später eine Bahn bauen zu können. Ein Verein musste her: der „1. BMX-Club Köln“ wurde unter dem Dach des „Bund Deutscher Radfahrer“ (BDR) gegründet.

Lost Places Köln: 1982 - BMX-Strecke mit Baggern und Planierraupen gebaut

Dann gab es das „Go“ von der Stadt, die BMX-Strecke durfte gebaut werden, das Gelände am Biesterfeld wurde freigegeben. Es handelte sich um ein Waldstück. Mit Kettensägen schlugen sich die BMX-Cracks einen Weg durch das Dickicht. Als eine große Fläche endlich gerodet war, rückten Bagger und Planierraupen an. Nach ein paar Monaten Bauzeit war das Schmuckstück fertig.

Der 1. BMX-Club Köln hatte eine der ersten großen Rennstrecken in Deutschland erbaut. Auf der Startrampe hatten acht Fahrer nebeneinander Platz, um auf die Rundstrecke zu gehen. Oben gab es eine Magnet-Klappe, die bei grüner Ampel nach unten sprang, sodass die Athleten starten konnten. Es war alles professionell organisiert wie bei den X-Games oder Olympia. Sponsoren-Banner sorgten für Einnahmen, um das Projekt zu finanzieren.

Der Aufwand war riesig, hatte sich aber gelohnt. Die Bahn in Vogelsang wurde zu einem Magneten. Regelmäßig fanden Rennen mit über 300 Teilnehmern statt. Grand-Prixs oder Qualifikationsrennen für Deutsche Meisterschaften. Zu den Highlights zählten auch internationale Besuche. Ein australisches Team mit allen Altersklassen kam nach Köln, ebenso wie ein US-amerikanisches Profi-Team (Hutch) um BMX-Legende Tim Judge aus Miami (heute 57).

Doch so schnell der BMX-Hype hochschoss, so schnell verglühte er auch. Auf der Bahn wurden nur wenige Jahre Rennen gefahren. 1986 wurde die Strecke immer weniger für Veranstaltungen genutzt. Doch befahren wurde sie immer – bis heute.

Lost Places Köln: BMX-Strecke gehört zur Radsport-Geschichte

Hans-Jürgen Habetz (56), der in Bickendorf einen Radladen führt, erinnert sich: „Köln war immer schon eine Hochburg für den Radsport. Da gehörte auch eine BMX-Strecke dazu. Auch wenn die Strecke heute nicht mehr für Rennen genutzt wird, sie gehört einfach zu Köln und seiner Radsport-Geschichte.“ Habetz war früher erfolgreicher Rennradfahrer. Zur Abwechslung fuhr er mit seinen Freunden auch des Öfteren mit den Rennrädern auf der BMX-Bahn, auch wenn Trainer Dieter Koslar, der 2002 verstarb, dies verboten hatte und als „Spielkram“ abtat.

Heute ist von der ursprünglichen Rennstrecke kaum noch etwas zu erkennen, doch das Areal wird weiter als Dirtpark und Freestyle-Strecke genutzt. „Zahlreiche Kunden von mir zeigen da immer noch beachtliche Sprünge“, so Habetz. BMX-Fahrer oder Freerider haben über die Jahre zusätzliche Rampen aus Lehm modelliert. Manche lassen auch ihre ferngesteuerten Mini-Autos über die Hügel springen.

BMX-Rennen wie in den 80er Jahren finden leider nicht mehr in Vogelsang statt. Die Szene hat sich eher nach Berlin verlagert, aber auch in Belgien und Holland gibt es noch Rennstrecken. Beim Blick auf die bröckelige Startrampe in Vogelsang kann sich auch heute noch jeder Besucher vorstellen, was hier zu Hochzeiten mal los war.