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Kölner Kabarettist„Wikipedia hat fast meine Karriere zerstört“

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Die freie Enzyklopädie: Wikipedia.

Köln – Vor dem Balkon tuckern die Schiffe auf dem Rhein vorbei. Kein Autolärm stört. Man kann in Köln sicher schlechter wohnen als Thomas Reis (55) in der Agrippinawerft.

Der Kabarettist braucht offenbar diese Ruhe, um ordentlich loszupoltern. Reis zählt seit Jahren zu den scharfzüngigsten Wortakrobaten Deutschlands. Bestes Beispiel: Als wir ihn besuchen, trudelt gerade eine Mail des Bayerischen Rundfunks ein: Ein geplanter Beitrag Reis‘ sei zu heftig. Kein Wunder also, dass er auch im Köln-Gespräch kein Blatt vor den Mund nahm.

Herr Reis, Sie sind in Freiburg geboren, leben aber seit 1985 in Köln: Worin unterscheiden sich beide Städte?

Freiburg hat  einen coolen Fußballverein. Den hat zwar Köln auch. Aber mit dem „SC“ bin ich schon sehr verwurzelt. Freiburg ist eine sehr ernsthafte Stadt. Während Köln einen Konfliktfall mit Kölsch, lecker Mädchen und Blootwoosch regelt, flogen in Freiburg schon mal die Pflastersteine. Die Badener waren ja auch während der Deutschen Revolution 1848 an vorderster Front und haben sich abknallen lassen.

Heute ist das doch eher eine Öko-Stadt, oder?

Man kann auch sagen: In den 1970er Jahren wurde in Freiburg die Alternativkultur zur Herrschaftskultur erhoben. Musli-Fressen und Jutesack-Tragen wurde zur moralischen Verpflichtung. Alles in allem: Köln ist deutlich lustbetonter als Freiburg.

Kölner Komikerin: Gaby Köster spricht über ihr Leben nach dem Schlaganfall – HIER mehr lesen! 

Wegen des Karnevals?

Da merkt man das besonders gut. Während in Köln die Roten Funken vor sich hinhüpfen, ist die alemannische Fasnet eine Angelegenheit zum Fürchten. Allein diese holzgeschnitzten, grauenhaften Masken, die aussehen wie Ausgeburten der Hölle! Und diese Lieder: „Wurschdig, wurschdig ist die Sau“ – das wird in Freiburg zur Fasnet gesungen. Dagegen ist der kölsche Karneval doch sehr spielerisch und erotisch.

Wie hat sich Köln in drei Jahrzehnten verändert?

Die Ringe, speziell das Friesenviertel, war eine wunderbare Gegend. Es gab Künstler, Ganoven, Wurst-Willi und laute Kneipen. Es wurde gelebt und geliebt. Heute hat sich das Milieu Richtung Hansa-Viertel verschoben. Aber es hat sich viel Gutes getan: Nehmen Sie  die Agrippinawerft und die ganze Gegend: Das war  verrottetes und verrotztes Sperrgebiet. Heute ist es wunderschön hier, vielleicht sogar etwas zu gefällig.

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EXPRESS-Reporter Christof Ernst (l.) besuchte Thomas Reis in seiner Wohnung in der Agrippinawerft. 

Wie leben Sie mit dem Wikipedia-Vorwurf, Sie seien ein frauenfeindlicher Mario Barth des linken Kabaretts?

Zunächst einmal: Mario Barth ist für mich kein Komiker, sondern der Beweis für die Notwendigkeit der Stammzellenforschung. Ich will mit dem nicht als Kollege verglichen werden. Davon mal abgesehen bezieht sich dieser Wikipedia-Eintrag auf mein Programm „Machen Frauen wirklich glücklich?“, und das ist 12 Jahre alt! Ich habe damals nahezu euphorische, begeisterte Zustimmung gerade von Frauen bekommen. Tatsache ist, dass dieser verdammte Wiki-Eintrag meiner Karriere erheblich geschadet hat.

Wieso das?

Wikipedia hat heute den Stellenwert, den früher der Brockhaus hatte: Was da drinsteht, stimmt. Was natürlich nicht stimmt. Aber  viele Veranstalter lesen das und buchen mich lieber nicht. Ich bin der Frauenfeind, das kann nur Ärger geben.

Sie sind 55 Jahre alt, haben aber schon drei Schlaganfälle und einen Herzinfarkt hinter sich. Was sind die Ursachen?

Ich habe in der Vergangenheit nicht gerade gesund gelebt. Ich habe gequarzt wie ein Wahnsinniger, viel getrunken und gelebt wie ein Fürst. Einige halten das ewig durch, andere gar nicht – und zu denen gehöre ich wohl.

Sie kommen gerade mit Ihrem Sohn aus Indien und Nepal . . .

. . .  ja, wir machen jedes Jahre eine kleine Weltreise. Davor waren wir auch schon in Brasilien und China. Ich reise halt wahnsinnig gerne.

Und Sie haben keinerlei „Flugscham“, um ein neudeutsches Wort zu gebrauchen?

Ich sage immer: Wer die Welt retten will, muss sie vorher erst einmal kennenlernen.

Köln nennt sich gerne die Hochburg des Kabaretts. Ist das gerechtfertigt?

Ja, hier leben sehr viele Kabarettisten und Comedians. Es gibt viele Auftrittsmöglichkeiten. Die Stadt hat was Sympathisches für Humoristen. Wenn in Köln mal was funktioniert, kommt sofort die Frage: Was läuft hier schief? Die Stadt ist ein Gesamt-Kitschkunstwerk mit Multikulti und „Wir-haben-uns-alles-lieb“. Und man muss den WDR lobend erwähnen. Die vielen Sendungen sowohl im Radio als auch im Fernsehen mit Kabarett- und Comedy-Inhalten – das ist schon toll.

Geht Ihre Köln-Begeisterung so weit, dass Sie auch kölsche Musik hören?

Aber ja! Ich sitze zwar jetzt nicht mit dem Kopfhörer da und singe die Lieder mit. Aber diese kölsche Folklore – auch wenn man sich hemmungslos anderen Liedguts bedient – ist schon großartig. Und alles ist offenbar karnevalstauglich, selbst die leisen und eigentlich hochpolitischen Lieder von Willi Ostermann. „Ich mööch zo Foß no Kölle jonn“ – das berührt mich ganz tief.

Sie sind jetzt auch bei den „Kritzelköpp“ dabei, die neue Motive für die 23 Kölner Mottowagen des Karnevalszuges erarbeiten sollen, stimmt’s?

Ja, und ich fühle ich mich sehr geehrt, von Zugleiter Holger Kirsch in dieses Team berufen worden zu sein. Dass selbst ein Mensch mit meinem bösen Humor in diesem Ritterschlags-Gremium landet, hat mich doch überrascht und gefreut.

Wollen die Kölner dank Ihnen  jetzt ähnlich bissig werden wie Jacques Tilly beim Düsseldorfer Zug?

Ich halte diesen Hype um Tilly für einen großen Irrtum. Der macht eine gute One-Man-Show, ist auch ein Super-Cartoonist, der für seine Ideen seine Pappmaché-Hiwis hat, die dann die Wagen bauen. Aber solche Motive, dass Bomben fallen oder jemand in den Arsch gef…t wird, die entsprechen nicht dem Humor des Kölner Karnevals. Hier versucht man eher, den Leuten auf den Schwanz zu treten, ohne dass sie es direkt merken.

Thomas Reis: Kurz-Bio

Die meiste Zeit seines 55-jährigen Lebens Thomas Reis inzwischen  in Köln verbracht. Aber seine Heimat ist Freiburg. Seit 1992 hat Reis zehn Solo-Programme (u.a. „Gibt’s ein Leben über 40“) geschrieben und aufgeführt. Er ist aber auch als Autor für andere Humor-Künstler tätig. Reis ist geschieden und hat einen Sohn.