„Fangen sofort an zu weinen“Kollektiver Burn-out? Kölner Kinderärztin schlägt Alarm

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Die Kölner Ärztin Dr. Karella Easwaran schlägt Alarm. Unser Symbolfoto wurde 2015 aufgenommen.

von Madeline Jäger (mj)

Köln – „Ich liebe meine Arbeit und diese kleinen Menschen so sehr, aber ich mag auch die Eltern, denn eine Familie ist eine Einheit und für die ist die Situation gerade sehr schwer“, sagt die Kölner Kinderärztin Dr. Karella Easwaran und schlägt Alarm.

Kölner Kinderärztin: Ungesunder Dauerstress für Eltern durch Corona-Krise

Viele Eltern, die tagtäglich zu ihr in die Praxis kommen, wissen gerade nicht, wie sie mit ihren Kindern umgehen sollen. 

„Wenn es dem Arbeitgeber schlecht geht, wirkt sich das auch auf Familien und damit auf Kinder aus. Deutschland ist gestresst“, sagt die Ärztin. Gerade die Mütter hat sie dabei besonders im Blick.

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„Mütter kommen zu mir und ich frage sie, wie es ihnen geht. Dann erzählen viele von ihren Ängsten und Sorgen, dass die Zukunft unsicher sei und manche fangen schon an zu weinen“, beschreibt Dr. Easwaran.

Kölner Ärztin: „Was tun wir, wenn es in allen Ecken dunkel wird?“

„Neulich hatte ich eine alleinerziehende Mutter bei mir, die sofort in Tränen ausgebrochen ist. Ihr Kind ist zweieinhalb Jahre alt, vor Corona hatte die Frau Hilfe durch die Großmutter. Das geht jetzt nicht mehr.“

Auch die Tagesbetreuung fällt gerade weg, weil das Kind ständig krank ist. Ihr Arbeitgeber war sauer, dass sie nicht kommen konnte und hat in der Corona-Krise auch noch Insolvenz beantragt. Was macht man in so einem Fall, wenn es in allen Ecken plötzlich dunkel wird?“ fragt die Ärztin und behält dabei auch den gesundheitlichen Risikofaktor Nummer eins im Blick.

Ärztin: „Stress ist der Nummer eins Krankmacher der westlicher Welt“

„Stress macht uns nicht nur unglücklich, erschöpft und ängstlich, sondern führt zu stressbedingten Krankheiten wie Bluthochdruck, Übergewicht, Stoffwechselstörungen, Herzkreislauf Erkrankungen und Immunschwächen. Stress ist der Nummer-1-Krankmacher der westlicher Welt“, so die Ärztin.

Umso wichtiger sei es, Stress ernst zu nehmen und Betroffenen zu helfen.

Ärztin: „Wir passen gerade auf vieles auf, aber nicht auf die Mütter“

„Gestresste Menschen sind immer in einem Kampfmodus, sind ungeduldig, schreien und toben – oder es passiert das Gegenteil, sie verstummen und ziehen sich betrübt zurück. Wir passen gerade auf vieles auf, aber nicht auf die Mütter“, appelliert die Ärztin. 

„Deswegen behaupte ich, dass wir kurz vor einem kollektiven Mütter-Burn-Out stehen“, so Easwaran und erklärt Hintergründe für die Überlastung.

„Mütter machen 80 Prozent der Hausarbeit, so ist das weiterhin“

„Mütter machen 80 Prozent der Hausarbeit, so ist das weiterhin. Mütter arbeiten mehr am Tag als Väter. Vor der Krise waren es schon 4,5 Stunden mehr und jetzt sechs Stunden mehr am Tag“, erklärt die Kinderärztin und beruft sich dabei auch auf eine aktuelle Bertelsmann-Studie.

Die extreme Überlastung, die sie täglich bei Müttern sehe, sei also kein Wunder, betont Easwaran. Gegen den Stress hat die Ärztin ein Rezept.

Rat der Kölner Ärztin: Stress als positive Herausforderung ummünzen

„Menschen brauchen Zuversicht, Hoffnung und konkrete Empfehlungen zur Hilfe oder Selbsthilfe“, appelliert die Ärztin.

„Um das zu erreichen, müssen sie aus der Stressschleife herausfinden, denn gestresste Menschen können nicht gleichzeitig lösungsorientiert denken. Es gibt für vieles eine Lösung und immer einen neuen Weg, den jeder finden kann, wenn er sucht“, so Easwaran.

Kölner Ärztin: „Unsicherheiten als Herausforderung betrachten“

„Es ist ein Unterschied, ob wir die bevorstehenden Unsicherheiten als Herausforderung betrachten und dafür Auswege finden oder sie als Gefahr betrachten und uns in einen Kampfmodus begeben. Mit meiner Beneficial Thinking Methode lernen Mütter, das eine vom anderen zu trennen“, betont die Ärztin.

Wichtig sei außerdem immer, sich Hilfe zu suchen. Nur dann könne man mit Stress umgehen und ihn als positive Herausforderung wahrnehmen, betont Easwaran.