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Zirkus-Direktor Bernhard PaulKöln und der Klüngel: Das ist ewig gestrig

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Seit 1975 ist der „Circus Roncalli" sein Leben und seine große Liebe: Direktor Bernhard Paul

Köln – Seit 43 Jahren spielt sich sein Leben ab zwischen Clownsnasen, Zuckerwatte und Manege. Nun hat Bernhard Paul (70) den Circus Roncalli neu erfunden, gastiert mit dem Programm „Storyteller" noch bis zum 21. Mai auf dem Kölner Neumarkt. Dort traf EXPRESS den Zirkusdirektor zum Gespräch – auch über Köln.

EXPRESS: Herr Paul, Warum haben Sie Ihren Circus Roncalli neu erfunden?

Das war die größte Kurs-Korrektur, die es in unserer Geschichte je gegeben hat. Was ich wollte, war, den Circus neu erfinden, aber Roncalli bleiben. Es gibt jetzt Begriffe wie tierfrei, vegetarisch, plastikfrei.Alles total zeitgemäß, nicht gestrig sondern heutig und trotzdem gibt’s Clowns und Poesie und Zuckerwatte und Seifenblasen. Hätte ich das nicht gemacht, ging’s mir bald wie den vielen Zirkussen, die verschwunden sind. 

War es schwer loszulassen?

Es ist nix dabei, was mir unangenehm ist. Das einzige, was ich schade finde: Dass keine Pferde mehr da sind. Nur noch  indirekt – als Hologramm. Aber man kann nicht am Neumarkt Pferde stehen haben, wo alle zwei Minuten die Straßenbahnen vorbei rattern und alleweil die Ambulanz. Wenn man die Tiere liebt, geht das nicht.

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Was halten sie von Pferden im Rosenmontagszug?

Das ist eine angeheizte Diskussion. Bis zum 19. Jahrhundert gab’s keine Autos, dafür überall Pferde. Man könnte ja auch argumentieren, der Mensch arbeitet heute auch Computer und sammelt keine Beeren mehr. Wenn man’s richtig macht, die Pferde die richtigen Hufe haben, und die Sache zeitlich begrenzt ist, find ich das nicht falsch. Pferde sind von je her Haus- und Nutztiere.

Und es gibt Tierschutzgesetze, an die man sich halten muss....

Das macht zum Beispiel der Zirkus Krone, der macht sogar viel, viel mehr als der Tierschutz verlangt. Trotzdem stehen die Tierschützer vorm Zelt und brüllen Tierquäler, Tierquäler. Dazu gibt’s die Populisten unter den Politikern, die sagen, gut, dann erlauben wir keine Tiere mehr im Zirkus. Ich habe nicht zuletzt deshalb auf die paar Ponys, die wir noch hatten, verzichtet, weil ich jetzt das Maul aufreißen kann. Dass ich sagen kann, was ich denke.

Sie haben die Tierrechtsorganisation „Peta“  als „Arschlochverein“ bezeichnet...

Habe ich. Und ich steh dazu. Hinterher kam ein dickes Schreiben vom Rechtsanwalt. Drin stand, was ich alles nicht sagen darf, was ich widerrufen muss und so weiter und so weiter. Ich hab gedacht:  Super! Weil ich weiß wahnsinnig viel über Peta. Und ich hab gehofft, es kommt zum Prozess und gedacht: Da leg ich mal alles auf den Tisch, was die wirklich machen. Ich hab gewartet und gewartet und gewartet. Aber die haben nix gemacht. Nur als Abschreckung den Brief.

Wird es in  den klassischen Zirkussen mit Tieren denn bald gar nicht mehr geben?

Ich argumentiere bei solchen Sachen immer sehr vorsichtig, will auch keine Kollegenschelte betreiben. Aber die Zukunft des Zirkus’ kann nicht die Arche Noah sein. Zirkus und Entertainment hat sich immer danach zu richten, was die Leute sehen wollen. Und heute sind das sicher nicht mehr Kamele, die zehn Minuten durch die Manege laufen. 

Und wie sieht dann der Zirkus 2025 aus?

Es muss ein paar Tugenden geben, die beibehalten werden: Zirkus ist Gefühl. Es muss Überraschungen geben, keine Monotonie. Dazu die Ästhetik und bis zu einem gewissen Grad auch die Erotik. Es gibt sie schon, die Gewürze, aus denen der Zirkus besteht. Das muss man mit dem Zeitgeist uns technischen Neuerungen verweben. Zirkus funktioniert nur, wenn er zeitgemäß ist. Das war gestern so, und wird morgen so sein. Als die Glühbirne erfunden wurde, war Sarasani der erste Zirkus, der Glühbirnen an der Fassade hatte. Und die Eltern mussten in der Nacht ihre Kinder abpflücken, weil die so fasziniert waren. Also der Zirkus muss sehr wohl zeitgemäß sein, Neuerungen einbeziehen. Viele machen es nur nicht.

Werden Ihre Kinder den Circus Roncalli in die Zukunft führen?

Die Kinder, also Adrian, Vivi und Lili haben den Zirkus mit der Muttermilch aufgesogen, haben auch immer den Wandel miterlebt. Die werden den Zirkus weiterentwickeln. Weil sie wissen, das ist das Wesen des Zirkus. Die denken sehr modern und frei. Sagen wir es so: Ich sehe sehr hoffnungsfroh in die Zukunft. So wie sie sich bewegen, so wie sie sich benehmen, wie sie sich entwickeln, muss ich sagen: Wir sind auf einem sehr guten Weg. Der Adrian ist künstlerischer Leiter im Apollo-Theater in Düsseldorf, die anderen sind als Künstlerinnen in der Manege, die Lili im Apollo, die Vivi hier bei Roncalli. Die lernen immer noch weiter, es geht immer weiter voran.

Wie lange wollen Sie selbst denn noch weitermachen?

Bis es in die Kiste geht. Ich kann doch nicht irgendwo auf der grünen Wiese sitzen und nix tun. Da würde ich ja verrückt. Es ist doch so: Es macht unheimlich viel Spaß. Außerdem hab ich mit dem Circus ein Produkt, über das sich die Leute freuen, was Positives. Das ist ja keine Last, das ist ja eher wie in einer großen Familie,  in der man gern zusammen ist. Ich hab ja gar kein Recht auf Urlaub und auf Pension. Ich bin doch viel zu reich beschenkt, weil ich liebe, was wir machen und weil ich es auch weiter machen darf.

Und was ist mit Zippo, dem Clown, den Sie immer verkörpert haben? Wird es die legendäre „Bienchen, Bienchen, gib mir Honig“-Nummer wieder geben?

Es ist ja so: Einer meiner beiden Partner ist gestorben, der andere ist krank, kann nicht mehr auftreten. Ich war jetzt auf Entdeckungsreise, auch nach neuen Clowns. Und bei Christirrn, dem Mexikaner, der mit bürgerlichem Namen Marco Antonio Vega heißt, da denk ich, der wäre der richtige, um mal als Bienchen zu fliegen. Ich werde die Nummer wohl wieder aufleben lassen mit dem nächsten neuen Programm, in zwei Jahren.

Wie sieht es mit den Kölner Museums-Plänen aus?

Die Sammlung ist jetzt überkomplett (lacht). Ich hab mich ja entschieden das in Köln, am Winterquartier zu machen. Grundstück, Architekt und die Pläne sind da. Die Ansuchen bei der Stadt sind raus, nun warten wir auf die nötigen Genehmigungen. Mein Zeitplan sieht so aus: In ungefähr zwei Jahren soll der „Boulevard Of Broken Dreams“, so wird das Museum heißen, eröffnen.

Köln ist neben Wien Ihre zweite Heimat. Wie sehen Sie die Stadt?

Was mir auffällt, und nicht nur mir, denn wir haben ja viel Besucher und ich höre aufmerksam zu: Es ist unglaublich schmutzig geworden. Ich war im Winter in Moskau. Es war da dermaßen sauber, da lag nicht ein Zigarettenstummel auf dem Boden. Hier wird einfach alles fallen gelassen. Allerdings gibt es in Köln einfach zu wenig Mistkübel. Und ich frag mich: Was kostet es, die Leut, die eh schon Flaschen aufsammeln müssen, zu bezahlen, damit sie Köln sauberer halten? Das müsste nur richtig organisiert werden. Das tät Köln gut!

Was mir noch auffällt: Ich kenn keine Stadt, in der es so viele Baustellen gibt. Der Autobahnring rund um Köln, da ist Dauerstau, all die kaputten Brücken... Da hätte man viel früher was unternehmen müssen. Mir fehlt da eine konsequente Stadt-Planung. Hier funktioniert es eher nach dem Motto „statt Planung“.... Ich sag das nicht, weil ich was gegen Köln hab, ganz im Gegenteil. Ich sag das, weil ich den Vergleich hab, mit anderen Städten. Und das es mit dem Klüngel um Pöstchen und Posten einfach nicht aufhört, siehe den Fall Martin Börschel, dass find ich auch ewig gestrig.

Ist Köln neben Wien denn für Sie auch Zuhause?

Ja schon. Und für die Kinder erst. Vivi und Lili sind ja hier geboren. Wenn Lili die Domtürme sieht, dann jubelt sie schon. Die ist total verrückt nach Köln. Ich bin zwar ein Wiener – aber wegen der Menschen in Köln komm ich gern hier her. Die sind direkt, die haben ein Humorempfinden, das ist sensationell, sind eben nicht so bierernst, sondern spontan und positiv. Die sagen nicht, das was geht nicht, die machen einfach. Insofern fühl ich mich hier schon sehr wohl und auch zuhausig.

(exfo)