+++ EILMELDUNG +++ Vertrag schon unterschrieben Bayern-Coach oder Bundestrainer? Nagelsmann-Entscheidung gefallen!

+++ EILMELDUNG +++ Vertrag schon unterschrieben Bayern-Coach oder Bundestrainer? Nagelsmann-Entscheidung gefallen!

Klartext-InterviewPeter Brings über Merkel, Querbeat, Kommerz im Karneval und Özil

Brings

Kölschrocker Peter Brings in seinem Garten.

von Markus Krücken (krue)

Köln – Daheim im Garten in Ehrenfeld kann auch ein Kölschrocker mal abschalten.

Peter Brings (53) sitzt auf seiner Veranda und sieht in den blauen Sommerhimmel. 28 Jahre mischt er mit seiner Truppe von Brings die Musikszene in der Stadt auf.

Im großen EXPRESS-Interview gibt der Frontmann Einblick in seine Gefühlswelt – und haut so manches raus...

Alles zum Thema Peter Brings

Herr Brings, von wegen Sommerloch. In den letzten Monaten geschah in Köln so einiges. Welche Themen regen Sie persönlich auf? Zum Beispiel der Fall Horitzky?

Peter Brings: Ja, das habe ich natürlich mitbekommen. Der Druck auf die Dame war letztlich so groß, dass sie ihr Mandat zurückgegeben hat. So Sachen abzuziehen, ob man das moralisch mit dem Gewissen vertreten kann, glaube ich nicht. Klar muss ein Hotel laufen. Mit Nächstenliebe hat das wenig zu tun.

Apropos Politik. Sie haben sich in der Vergangenheit oft für Angela Merkel ausgesprochen. Befürworten sie die Politik der Kanzlerin nach den jüngsten Entwicklungen weiterhin?

Sie steht weiter zu ihrer Aussage, dass sie aus humanitären Gründen so gehandelt hat. Die Kanzlerin war selbst einmal Flüchtling. Sie bleibt sich treu und das schätze ich an ihr.

Ich bin nicht prinzipiell immer Freund ihrer Politik und des Aussitzens. Aber wissen Sie: manchmal ist es einfach auch mal besser die Fresse zu halten und Entwicklungen abzuwarten.

Was macht Ihnen aktuell mehr Angst: Die gefühlt immer häufigeren Nachrichten von kriminellen Zuwanderern oder die aufkommende AfD?

Das eine geht mit dem anderen Hand in Hand. Was da mit dem Mädchen Susanna passiert ist, das ist schrecklich, ohne Frage. Aber unsere Angst hat auch viel mit Berichterstattung in unserem Land zu tun.

Ich glaube, die Angst ist viel größer als es die Realität widerspiegelt. Laut Statistik ist die Kriminalität ja zurückgegangen. Dazu kommen die sozialen Netzwerke. Da kommen die rechten Säcke aus allen Löchern gekrochen.

Sie haben musikalisch mit dem Song „Liebe gewinnt“ ein Zeichen dagegen setzen wollen.

Ja, „Liebe gewinnt“ ist mit Bedacht eine hochdeutsche Nummer. Auch im Karneval haben die Leute mal fünf Minuten Zeit, um ihr Bier wegzustellen und sich zu fragen: Was erzählt der Peter da vorne? Die Leute haben das angenommen.

„Pitter, muss das immer sein mit der Politik?“, höre ich oft. „Ja, das muss sein“, sage ich dann. Ich habe drei Kinder in diesem Land großgezogen. Solange sich diese Partei Alternative schimpft, die gar keine ist, werde ich dagegen vorgehen. Da sind viele Braune drin.

Wenn z. B. ein Herr Gauland sich wagt, zu sagen, die Nazis waren ein Vogelschiss der deutschen Geschichte, dann reden wir von über 50 Millionen Toten. Das ist verantwortungslos, was solche Menschen sagen. Die AfD nutzt Fälle wie Susanna, um Politik zu machen.

Erleben wir bald einen Karnevalsprinz mit Migrationshintergrund?

Auf jeden Fall. Es gibt Menschen aus allen Länder dieser Erde in Karnevalsvereinen, das ist nichts Neues. Viele von meinen türkischen Kumpels sind kölscher als viele gebürtige Kölner. Klar, beten die auf dem Teppich, wir auf der Bank, aber am Ende des Tages beten wir alle zum selben Gott. Wobei der Karneval ja auch ein religiöses Fest ist, eine katholische Angelegenheit, das muss man bedenken. 

Wie schafft man es als Band, nach so vielen Jahren noch zusammen zu sein?

Übertragen auf jede Familie kann man sagen: Es ist schwer, den Segen gerade zu halten. Das geht nur wenn man die Belange aller hört. Wir sind im 28. Jahr, mögen uns alle fünf noch und sind gerne beieinander. Brings ist nur die Band Brings wie sie jetzt ist.

Wenn einer sie verlassen würde, wäre das nicht mehr wie jetzt. Wenn einer krank wird und nicht mehr auf die Bühne kann, ist das was anderes. Ich glaube das verzeiht das Publikum auch. Aber wenn alles zerfällt, hast du irgendwann das Gefühl, dass du in deiner eigenen Coverband spielst. Das kann funktionieren, können wir uns für uns aber nicht vorstellen. Ich würde es mir wünschen, dass wir irgendwann gemeinsam in den Sack hauen.

Wie halten Sie sich fit?

Ich mache viel Sport, versuche täglich acht bis zehn Kilometer zu laufen. Damit ich weiter so essen und leben kann, wie ich es immer gemacht habe. Fürs Mentale ist es wichtig. Dann bin ich mal 'ne Stunde bei mir. Zum Glück habe ich gute Gelenke, mir würde sonst was fehlen.

Spüren Sie den Druck, der durch die jungen Bands auf die Etablierten wie Brings ausgeübt wird, immer mehr?

Mit den Jahren, die du auf dem Buckel hast, wird das ganze Unternehmen nicht leichter. Wir haben sicher einen Anteil daran, dass die Szene in der Stadt heute so wie ist wie sie ist. Junge Bands haben bei uns gesehen, dass man nicht nur Schunkelwalzer im Fasteleer spielen muss. Ich denke, wir haben Bands wie Kasalla, Cat Ballou, Querbeat Mut gemacht. Speziell an Querbeat haben wir sehr geglaubt, wir haben sie oft als Gäste mitgenommen.

Wieso ausgerechnet Querbeat?

Sie sind so erfolgreich, weil sie so eigenständig sind. Ich liebe die Band, die Berger-Brüder, die machen tolle Songs.

Für die nachkommende Generation ist es wichtig, dass sich der Karneval verjüngt. Als wir kamen, war er schon angestaubt. Wir freuen uns über eine Konkurrenz auf Augenhöhe, das hält uns wach und ist gut für uns.

Wie stehen Sie zu den kölschen Liedermachern wie etwa Björn Heuser?

Er macht sein Ding, das ist in Ordnung. Was er macht, darf man. Man darf covern, es gibt von tausend großen Bands Coverbands. Diese Stadt ist außergewöhnlich, nirgendwo gibt es so viele Bands, die von der Stadt, der Sprache leben. Aber es gibt auch ungeschriebene Gesetze. Ich selbst käme nie auf die Idee, im Karnevalszelt die Lieder anderer Bands zu singen.

Damit würde ich ihnen die Butter vom Brot nehmen. Aber das muss jeder selbst wissen – und das muss das Publikum entscheiden. Und wenn die Hallen voll sind, scheint es dem Publikum egal zu sein, wer die Lieder singt. 

Das Festkomitee und „Jeck im Sunnesching“ nähern sich offenbar an. Wäre das zu begrüßen?

Wir haben „Jeck im Sunnesching“ von Anfang an mitbegleitet. Ich sage: Der Kölner macht den Karneval dann, wenn er will. Er ist anarchistisch unterwegs, das ist der Ur-Gedanke des Karnevals.

Karneval ist was Kommerzielles, die Stadt lebt davon. Das ist ein großer Wirtschaftszweig. Und wenn die Leute im Sommer Bock zu haben, sich zu verkleiden, ist es so. Ob du es kölsche Nacht nennst oder „Jeck im Sunnesching“, ist egal.

Das Festkomitee hat es selbst einmal versucht. Es hat nicht funktioniert. Dann im Nachhinein zu stänkern, ist ein bisschen schwierig. Ich kann auch die Vereine verstehen, die sagen, man solle die Tradition nicht übers Knie brechen.

Aber wenn die Leute feiern wollen und friedlich sind, muss das doch richtig sein. Die Leute, die Kneipen betreiben, sind froh drüber.

Wie sehen Sie die Zukunft der kölschen Sproch?

Bei uns zu Hause hat keiner Hochdeutsch gesprochen. Wenn ich heute in der Kneipe mit Freunden bin, rede ich Kölsch. Und ich merke: Das Image der kölschen Sprache ist in den letzten Jahren besser geworden. Es gilt bei den jungen Menschen wieder als cool, Kölsch zu singen.

Nur so kann die Sprache überleben. Wenn sich Bands wie Lupo mit der kölschen Sprache beschäftigen und sagen: Mensch, das Wort Liebe gibt es ja gar nicht, kann das nur gut sein.

In Ihrem Viertel Ehrenfeld stirbt die Clubszene. Wie sehr leiden Sie mit?

Ich zeige Ihnen was zum Thema Underground: Dieses Stück Mauer hat ein Freund mir geschenkt. Andere Leute haben Mauerreste von der Berliner Mauer, diese Mauer ist vom Underground. Als mein Kumpel mir das überreichte, hatte ich echt Tränen in den Augen.

Im Underground ist Musikgeschichte geschrieben worden, auch wir haben dort unsere Karriere begonnen. Die Subkultur macht das Leben interessant, wenn die aufhört, geht immer ein Stück flöten.

Zum Fußball. Die WM hat begonnen und Deutschland diskutiert über Özil und Gündogan. Sie auch?

Die Sportler sagen oft: Ich habe mit Politik nichts zu tun, ich spiele nur Fußball. Aber man muss sich als junger Mensch bewusst sein, welche Außenwirkung man als Gündogan und Özil hat. Es sind Einwandererkinder. Ich frage mich: Wie kann man „mein Präsident“ auf ein Trikot schreiben, wenn man weiß, dass da die ganze Elite im Knast sitzt? Journalisten eingebuchtet werden? Dass die Menschen dann ihrem Unmut Gehör verschaffen, ist keine Frage. Ich hätte die beiden rausgeschmissen.

Sind Sie traurig, dass die letzte Saison für den FC mit dem sechsten Abstieg endete?

Die Volksseele hängt sehr an diesem Verein. Jedes Mal ist es ein außergewöhnliches Event, wenn man im Stadion ist. Jahrelang lief es ja auch super. Dem Stöger bin ich heute noch nicht böse, der war immer gerade und hat nie das Maul aufgerissen. Ich habe ihn selbst kennengelernt, ich finde, er ist ein Mann aus dem Volk.

Er hat die ganzen Traditionen mitgemacht, kam als Schiedsrichter verkleidet in den Tanzbrunnen. Das ist kölscher Humor. Das habe ich an dem Mann geliebt. Wissen Sie: Du bist mal oben und mal unten. Bei uns sagt man: mal bist du der Baum, mal bist du der Hund. Wahnsinn, dass Hector und Horn bleiben – das sind doch mal Zeichen.

Und, ob du nun am Ende 40 oder 60 Millionen auf dem Konto hast – selbst die 40 Millionen kriegst du in einem Leben nicht ausgegeben.

(exfo)