Durch die Buchungslage im Kölner Karneval sorgt für Diskussionen. Können davon die kleinen Bands und Redner profitieren?
Buchungs-Zoff im Kölner KarnevalProfitieren jetzt die Jecken aus der zweiten Reihe?

Copyright: Daniela Decker
Kai Kramosta als Handwerker Peters auf der Bühne: Auch er sieht die Chance für die Künstler und Künstlerinnen aus der zweiten Reihe.
Bevor es wieder jeck wird in Köln, brodelt es in der Karnevals-Szene.
Weil die großen Gesellschaften ihre Buchungen der Bands und Redner vorgezogen haben, sind viele kleinere Vereine auf dem Baum. Die betreffende Session 2026/27 ist nämlich äußerst kurz, die Sitzungen und Partys eng getaktet – und die bekanntesten Künstlerinnen und Künstler nun schon ausgebucht. Das sorgt für jede Menge Wirbel.
„Wir waren alle überrascht, aber das ist doch jetzt die Chance“
Profitieren jetzt die Künstler und Künstlerinnen der zweiten und dritten Reihe? EXPRESS.de fragte in der Szene nach, wie die Stimmungslage ist.
Handwerker Peters / Kai Kramosta (Redner): „Sagen wir so, das System der Literatenmafia ist, wie die Kölner Oper – extrem ausbaufähig. Wir waren alle überrascht, aber das ist doch jetzt die Chance für die Künstler und Künstlerinnen aus der zweiten Reihe, egal ob Nachwuchsredner oder Nachwuchsbands. Natürlich bin ich realistisch – jede Kölner Vereinigung, ob groß oder klein, braucht mindestens ein, zwei Champions-League-Namen auf dem Plakat, damit die Leute kommen.
Aber wenn man jetzt als kleiner Verein 2027 nur noch einen Namen bekommt, kann man sich doch mal mit der zweiten Reihe beschäftigen und herausfinden, wer hat den für mich eine Qualität und wird bei meinem Publikum ebenso gut ankommen. Das ist jetzt wirklich eine Chance mal zu schauen, wer den nachrücken könnte. Was gibt es denn da so alles in der zweiten Reihe? Schließlich werden die Top-Bands und Top-Redner auch nicht jünger und werden irgendwann ihre Auftrittszahlen zurückschrauben und später in die wohlverdiente Rente gehen.“
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Micky Brühl: „Ich finde diesen Eklat total albern. Zum einen hat es dieses hinten herum buchen und blockieren immer schon gegeben. Zum anderen tun die Literaten oder Agenturen so, als gäbe es nur fünf Bands und drei Redner. Es ist doch so eine Masse von guten Künstlern vorhanden – man muss sie nur buchen. Vielleicht ändert der jetzige Eklat etwas an der Gleichheit der Programme und sorgt bei den Verantwortlichen zum Umdenken.“
„Wann wurde das Publikum auf einer Karnevalssitzung mal so richtig überrascht?“
Der Schofför des Kanzlers / Jens Singer (Redner): „Wir wissen nicht, wer uns in zwei Jahren regiert, aber wer dann auf der Karnevalsbühne steht. Die Politik ein Überraschungsei – der Sitzungskarneval ein deutscher Planwirtschaftstraum. Der Sitzungskarneval ist vorhersehbarer als Sitzungen im Bundestag. Mal ohne Ironie, wann wurde das Publikum auf einer Karnevalssitzung mal so richtig überrascht?
Man geht hin und weiß was kommt. Sind wir zu satt oder ist da wirklich etwas verloren gegangen? Mir fehlt das Ursprüngliche, das Wilde und vielleicht ein bisschen Chaos. Es wäre total zu begrüßen, wenn das jetzige Buchungs-Chaos denjenigen aus der zweiten Reihe eine Chance verschaffen könnte und das Publikum am Ende der Sitzung ein stückweit überrascht nach Hause geht.“
Sepp Ferner / Frontmann der Cöllner: „Es ist doch nichts Neues, dass es in den kurzen Sessionen immer wieder Engpässe gibt. Das wird sich auch nicht ändern. Wir haben in Köln qualitativ nach den zehn großen, so hochwertige Bands, dass man mit denen aus der zweiten Reihe überhaupt nichts falsch machen kann. Ganz im Gegenteil, man gibt dem Publikum die Chance, etwas Neues zu hören.
Schön wäre, wenn Vereine nicht nur bei Buchungsproblemen und eben kurzen Sessionen an die zweite Reihe denken würden, sondern auch in langen Sessionen. Das Gleiche würden wir uns auch von den großen Vereinen wünschen, dass sie mal in den zweiten Topf greifen, denn da ist viel Gutes drin.“
„So eine kurze Session lässt manchmal einen Stern einfach mal neu am Himmel glänzen“
Ken Reise alias Julie Voyage: „Ich finde es liegt einfach an dem Problem der extrem kurzen Session, wo dann, wie es immer war, die erste Reihe nicht überall stattfinden kann. Alleine schon nicht aus logistischen und zeitlichen Gründen. Wer jetzt schreit: Bands verdienen eh zu viel Geld, sollte darüber nachdenken, wie viel Familien von einer Band leben. Für die einen Verlust – für die aus der zweiten, oder dritten Reihe vielleicht Gewinn. Ob das unterm Strich funktioniert oder nicht, ist eine andere Sache.
Es freut sich doch jeder auf Sitzungen gebucht zu werden, wo er noch nicht stattgefunden hat. Ich finde, es hat immer zwei Seiten der Medaille – auf der einen Seite die großen Player, mit ihren hohen Kosten, müssen zurückstecken und auf der anderen Seite haben Künstler die Chance sich zu beweisen. Dann ist es auch vollkommen egal, ob im Juni oder September gebucht wird. Das ganze macht vielleicht die eine oder andere Sitzung kreativer, wenn sie mit Künstlern aus der ersten bis dritten Reihe gemischt ist. So eine kurze Session lässt manchmal einen Stern, der noch gar nicht so bekannt ist, einfach mal neu am Himmel glänzen. Ich bin ganz ehrlich, ich habe jetzt Buchungen drin, bei großen Gesellschaften wo ich vorher noch nie stattgefunden habe.“
Daniel Müller / Frontmann von Fiasko, die 2025 mit dem Närrischen Oscar in der Kategorie beste Newcomer Band ausgezeichnet wurde: „Es ist zwar immer Luft nach oben, aber wir sind richtig gut gebucht für 2026 und auch 2027. Ob das jetzt mit dem Buchungs-Chaos zu tun hat, dass die Buchungszahlen so nach oben gegangen sind, kann ich nicht sagen.
Vielleicht liegt es auch an unseren Songs der letzten Jahre, oder vielleicht am Gewinn des Närrischen Oscars 2025. Und was natürlich nicht von der Hand zu weisen ist, wenn die großen Fünf nicht mehr zu buchen sind, dass wir dadurch mehr Auftrittsmöglichkeiten bekommen, wodurch wir uns einem noch größerem Publikum präsentieren können – was uns natürlich total freut.“
Leon Heidrich / Frontmann von Scharmöör: „Auch wir haben auch von der spontanen und vorgezogenen Buchungsrunde mitbekommen, als plötzlich ganz viele Termine für 2026 und 2027 in unserem Kalender standen. Was uns als Band natürlich sehr freut, denn es sind tolle Veranstaltungen von Gesellschaften hinzugekommen, wo wir noch nicht auf der Bühne gestanden haben.
Hat sicherlich auch mit der kurzen Session zu tun. Wir sind auf jeden Fall sehr stolz. Nichtsdestotrotz haben wir noch viel Platz für Buchungen und freuen uns über Anfragen. Ich glaube, dass es eine tolle Chance gerade für den Nachwuchs ist, wo wir ja auch zu zählen, den Vereinen, die bisher vielleicht leer ausgegangen sind, noch tolle karnevalistische Momente bereiten zu können. Natürlich kann ich den Unmut der Gesellschaften sehr gut verstehen.“
„Gerade die ganz kleinen Veranstaltungen leiden unter dem Buchungs-Chaos“
Stefan Dumke / Frontmann der Dräcksäck: „Das Thema hat ziemliche Wellen geschlagen, was man ja auch verstehen kann. Gerade die ganz kleinen Veranstaltungen leiden unter dem Buchungs-Chaos. Hinzu kommen noch Vereine, die vielleicht nicht jährlich eine Veranstaltung durchziehen. Wenn die dann keinen Top-Act mehr bekomme, könnte sich das auf die Besucherzahlen niederschlagen.
Allerdings sehe ich es als Chance, gerade für die Bands aus der dritten Reihe, verstärkt gebucht zu werden. Qualitativ gesehen gibt es so viele tolle Künstler im Kölner Karneval, die aber leider viel zu wenig Möglichkeiten bekommen, sich auf den großen Bühnen zu präsentieren. Man hört immer nur, dass gerade bei diesen Veranstaltungen die Top-Five erwartet werden. Ist das wirklich so? Oder liegt es daran, dass so mancher Literat einfach zu ängstlich ist, eine Band aus der zweiten oder dritten Reihe zu holen, wie zum Beispiel uns? Vielleicht ist das Buchungs-Chaos dafür gut, dass Gesellschaften, die sonst nur auf die Top-Acts setzten, jetzt endlich dem Nachwuchs und dem Publikum eine Chance geben, auch mal etwas anderes zu hören.“
Nico „Nikkes“ von Styp / Frontmann von Lupo: „Ehrlich gesagt, waren wir von der ganzen Situation etwas überrumpelt als wir von der neuen Buchungslage erfahren haben. Da war vieles schon in Bewegung und wir konnten nicht mehr viel machen. Im August, als eigentlich vor der geplanten Buchungsrunde im September, bringen wir unsere neue Single heraus. Von so einer Singleauskopplung erhofft man sich natürlich auch noch so eine gewisse Buchungsdynamik. Die ist leider durch den Buchungs-Eklat verloren gegangen. Daran lässt sich nichts mehr ändern, daher freuen wir uns auf alle kleinen und großen Vereine, den Hauptsache ist doch, dass wir zusammen Fastelovend feiern.“