IS-Braut verurteiltHaftstrafe für Kölnerin und Schock-Nachricht vor Gericht

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Köln – Mine K. wirkt erschöpft: „Ich kann nicht mehr, mir geht’s nicht gut“, bekennt die Angeklagte am Mittwoch vor dem 2. Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf.

Prozess um Kölner IS-Braut: Angeklagte leidet an Brustkrebs

Die 48-jährige Ex-Frau eines deutschen Kämpfers der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) schlägt beim Schlusswort immer wieder die Hände vors Gesicht. Zuletzt hat man ihr eröffnet, dass sie an Brustkrebs leidet. Ihren zwölfjährigen Sohn habe sie am Vortag nur durch eine Trennscheibe sehen dürfen. Beide hätten geweint.

„Ich will einfach nur aus der Haft raus, will wieder gesund werden und mich um meinen Jungen kümmern“, schluchzt die Kölnerin ins Mikrofon. Mine K. bittet um ein mildes Urteil. Ihre beiden Verteidiger haben Freispruch oder ersatzweise zwei Jahre auf Bewährung gebeten. „Das Leben hat unsere Mandantin mehr gestraft, als es eine Haftstrafe noch tun könnte“, betont Anwalt Martin Heising zuvor im Plädoyer.

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Prozess um Kölner IS-Braut: Drei Jahre und neun Monate Haft

Das Gericht aber folgt dem Antrag der Anklage und verhängt drei Jahre und neun Monate Haft. Aus Sicht der Bundesanwaltschaft hat der Prozess Mine K. der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung überführt.

Nach dem Studium der Politikwissenschaften radikalisiert sich Mine K. zusehends. Spätestens 2014 träumt sie von einem Leben in einem islamischen Gottesstaat. Die Mutter eines kleinen Sohnes verlässt ihren ersten Mann, weil er ihr zu gemäßigt erscheint.

Kölner Angeklagte: Frau macht für IS-Kämpfer den Haushalt

Im Netz schlägt sie radikale Töne an und knüpft via Facebook Kontakt zu einem Hardcore-Islamisten: Murat D. aus dem westfälischen Herford. Die beiden heiraten im Januar 2015 nach islamischem Brauch via Skype. Kurz darauf reist Mine K. mit ihrem achtjährigen Jungen zu ihrem neuen Ehemann in die Türkei. Gemeinsam lassen sie sich über die Grenze schleusen und schließen sich den IS-Brigaden im irakischen Mossul an.

Während Murat D. an der Front für einen Monatslohn von 250 US-Dollar kämpft, macht die Kölner Islamistin den Haushalt. Bald zieht das Paar in die irakische Stadt Tal Afar. Dort hat der IS Wohnungen für seine Kämpfer requiriert. So auch für Mine K. und ihren Mann. Sie bekommen ein Haus mit Garten zugewiesen, das angeblich von einer schiitischen Familie requiriert wurde.

Kölner IS-Braut: Angeklagte soll fremdes Eigentum geplündert haben

Aus Sicht der Richter steht fest, dass Mine K. nicht nur Hausfrau und Mutter im besetzten Gebiet gewesen ist, sondern mit ihrem Gatten fremdes Eigentum geplündert hat. Ein völkerrechtswidriger Verstoß, der ein Kriegsverbrechen darstellt.

Aus dem Vorfall leitet der OLG-Senat zugleich auch den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ab. Durch die Übernahme des Wohnhauses habe man demnach den Gebietsanspruch des IS gefestigt, um eine Rückeroberung durch gegnerische Militärverbände zu erschweren.

Kölner Angeklagte kehrt 2018 nach Deutschland zurück

Nach dem Tod ihres Mannes bei einem Gefecht zahlen die Kalifats-Brigaden Mine K. einmalig 1000 Dollar aus. Bald darauf flieht sie desillusioniert in die Türkei. Im Oktober 2018 reist Mine K. mit ihrem zwölfjährigen Sohn nach Deutschland zurück und wird am Flughafen verhaftet.

Der Fall der Kölner Islamistin bewegt sich auf rechtlich umstrittenem Terrain. Bei Mine K. stellt sich die Frage, ob auch Frauen, die nicht am Krieg teilnehmen, tatsächlich dem IS angehörten und sich strafbar gemacht haben ? Die Ankläger gehen davon aus, dass man allein schon als Hausfrau und Mutter die Kampfkraft der IS-Schergen gestärkt habe. Quasi als familiärer Backup für den Dschihad der Männer an der Front in Syrien und im Irak.

IS-Kämpferin aus Köln: Verteidiger kündigt Revision an

Ein Punkt, den die Strafverteidiger der Angeklagten in ihren Plädoyers noch am Vormittag scharf kritisieren. Hier habe die höchstrichterliche Rechtsprechung einen Paradigmenwechsel vorgenommen. Früher seien die Frauen der deutschen IS-Kämpfer nicht verurteilt worden, auch wenn sie eine Kalaschnikow in Händen hielten, führt Heising aus.

„Inzwischen ist es aber gängige Praxis, die IS-Rückkehrerinnen für legale Handlungen zu bestrafen“, moniert der Verteidiger. Er hält es für abwegig, dass Kochen oder Waschen für einen IS-Kämpfer strafbar sein könnte.

Sein Kollege Serkan Alkan bemängelt weitere Beweislücken. So fehlten Belege, dass jenes durch den IS zugewiesene Haus zuvor einer schiitischen Familie gehört habe. „Es ist völlig unklar, ob es sich vorher um eine gegnerische Partei handelte.“ Folglich sei der Vorwurf der Plünderung haltlos. Alkan kündigte an, dass man in Revision gegen den Schuldspruch gehen werde.