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Integration gelähmtKölner Flüchtling will Altenpfleger werden, dann kommt Coronavirus

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Samer Ismail (33) ist vor vier Jahren nach Köln gekommen. Mit seiner Lehrerin Viola Brings arbeitet er daran, sich endlich seinen Berufswunsch erfüllen zu können. 

von Madeline Jäger (mj)

Köln – Samer Ismail (33) steht vor der Apostelkirche am Neumarkt und hat eine große Tasche mit vielen Dokumenten bei sich. Empfehlungen, Zeugnisse, Schreiben von Behörden. Ismail war im Lockdown nicht untätig. „Da hast du dich ganz alleine durchgekämpft? Das wusste ich gar nicht“, fragt ihn seine Sprachlehrerin Viola Brings positiv überrascht.

Ismail will Altenpfleger werden. Doch die Corona-Maßnahmen sprengten seine Pläne vorerst. Lähmen sie auch seine Integration?

Köln: Samer Ismail und andere Geflüchtete waren lange auf sich gestellt

Das Engagement hat sich für Ismail noch nicht ausgezahlt. „Das Wissen ist weg“, erklärt er traurig. Was er meint, ist die deutsche Sprache. Mühsam hat er alles versucht, um Deutsch zu lernen. Seit vier Jahren lebt er in Köln. Ismail hat zwei Kinder. 

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Anfang des Jahres hat er schon ein Praktikum im St. Brigida-Altenheim in Bocklemünd gemacht. Was ihm für sein Ziel jedoch noch fehlt, sind gute Deutschkenntnisse. Dafür legt sich der Geflüchtete aus Syrien gerade mächtig ins Zeug. Doch lange war er dabei auf sich alleine gestellt. Zu lange?

Köln: Corona-Krise lähmt Integration

So sieht es zumindest seine Sprachlehrerin Viola Brings. „Die Integration der Geflüchteten stagniert in der Corona-Krise. Seit März konnten keine richtigen Sprachkurse mehr stattfinden“, erklärt die frühere Hauptschullehrerin. Die langfristigen Folgen für die Integration der Kölner Flüchtlinge seien nicht auszumalen.

„Flüchtlinge haben keine Lobby, doch wir wollen uns einsetzen, damit sich die Integration nicht noch weiter verzögert. Wir arbeiten mit den Schülern an der Basis“, erklärt die Deutschlehrerin. Zu lange habe man die Kölner Geflüchteten bei den Lockerungen vergessen. Auch ihre Kollegen in der Stadt würden das so sehen.

„Mitte März mussten coronabedingt  43 Integrationskurse gestoppt werden. Zehn Kurse davon sind Integrationskurse mit Alphabetisierung und zwei Jugendintegrationskurse“, bestätigt die Stadt Köln auf EXPRESS-Anfrage. Die allgemeinen Integrationskurse hatten jeweils 18-20 Teilnehmende, die Kurse mit Alphabetisierung und die Jugendkurse jeweils 14-16 Schüler.

Außerdem seien 10 Alphabetisierungskurse und rund 30 Deutschkurse abgebrochen worden. 

„Momentan warten wir auf das für Juli angekündigte Konzept des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, wie die Integrationskurse fortgeführt werden können“, erklärt die Stadt Köln.

„Menschen, zu einem großen Teil mit belastender Fluchterfahrung, sind sich im Zuge der Corona-Pandemie weitgehend selbst überlassen. Das heißt auch, dass ihr Spracherwerb nachlässt und ihre Deutschkenntnisse zurückfallen und zwar nach mittlerweile zehn Wochen auf das Niveau von vor zehn Wochen“, erklären alle Dozenten des Interkulturellen Zentrums „Zurück in die Zukunft“ e.V. gemeinschaftlich in einer Erklärung. Viola Brings und ihre Kollegen stehen dazu auch mit dem BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) in Kontakt, damit sich mehr bewegt.

„Analphabeten haben es beim E-Learning besonders schwer“

Täglich hat Viola Brings in der Zeit des Lockdowns mit ihren Schülern den Kontakt gehalten. Sie gibt Alphabetisierungskurse im Kölner Integrationszentrum „Zurück in die Zukunft“ e.V. Doch seit dem 13. März ist dort nicht mehr viel passiert.

Aktuell ein großes Problem: die Suche nach Räumen, die für die Einhaltung der Abstände groß genug sind. In der Krise hatten es ihre Schüler schwer. Sie fühlten sich mit den Aufgaben allein gelassen, auch wenn Brings ihr Bestes gab.

„Analphabeten haben es beim Bearbeiten von E-Learning Aufgaben ohne persönlichen Kontakt besonders schwer. Die Verständigung war nicht immer einfach, aber ich habe versucht zu helfen“, so die pensionierte Lehrerin.

Sprachlehrer konnten nicht unterrichten: Soforthilfe-Anspruch fraglich

Viele ihrer Kollegen arbeiten nicht ehrenamtlich, sondern hauptberuflich auf Honorarbasis als Sprachdozenten. In der Krise konnten sie keine Kurse geben und kein Geld verdienen. Ob sie die NRW-Soforthilfe für Selbstständige hätten nutzen dürften, wird erst noch überprüft. Die Lage ist auch für die Lehrer nicht einfach. Doch Brings sieht vor allem die Situation für ihre Schüler als Problem an.

„Ich kann Lehrer nicht fragen“, sagt Samer Ismail vielsagend. Diese Tatsache erschwere ihm das Lernen. Trotzdem will er dranbleiben. Denn wenn er den Sprachkurs schafft, kann er schon im Herbst mit der Ausbildung zum Altenpflegehelfer in Bocklemünd beginnen.

„Meine Schüler wollen arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen“

„Vor der Corona-Krise hatte Samer gute Chancen, die dafür nötige B1-Sprachprüfung zu schaffen“, erklärt seine Lehrerin über die letzte Hürde ihres Schülers. Er sei engagiert und habe große Fortschritte gemacht. Doch dann kam die Pandemie. Jetzt müsse er alles aufholen.

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„Meine Schüler wollen arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen“, betont die Lehrerin weiter. Viola Brings hofft nun, dass die Politik ihre Schüler nicht mehr länger aus den Augen verliert und es für alle vorwärts geht. Sie glaubt an ihre Schüler und Samer Ismail trotz allem auch weiterhin an sich selbst.