Halle-AnschlagGeschäftsführer der Synagogen-Gemeinde Köln: „Haben das kommen sehen“

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Die Synagoge in der Roonstraße in Köln

Köln – Erst am 20. September, dem 60. Jahrestag der Wiedereröffnung der Kölner Synagoge, forderte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, einen „politischen Klimawandel“. Beim Festakt in der Kölner Roonstraße erklärte er: „Dem Rechtsruck müssen wir Einhalt gebieten.“ David Klapheck (54), Geschäftsführer der Synagogengemeinde Köln, sagt einen Tag nach dem Anschlag in Halle, bei dem zwei Menschen starben: „Wir haben das leider Gottes kommen sehen“.

Anschlag in Halle: „Antisemitische Gedanken, dann Worte, dann Taten“

Es sei die Häufigkeit und die Entwicklung der Dinge: „Früher haben Antisemiten anonyme Hassbriefe geschrieben, heute unterschreiben sie mit ihren Namen. Erst waren es antisemitische Gedanken, dann Worte, nun sind wir bei den Taten angekommen“, sagt Klapheck und erinnert daran, dass Yechiel Brukner, der neue Rabbiner der Kölner Syn­ago­gen­ge­mein­de, erst im Frühjahr diesen Jahres massiv in Bussen und Bahnen be­schimpft worden war. „Das ging soweit, dass ihm vorgehalten wurde, die Juden seien doch selbst Schuld an dem Leid, dass sie erfahren haben“.

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Anschlag auf Synagoge in Halle: Klaphack fordert Umdenken

Der 54-Jährige fordert jetzt dringend ein Umdenken bei Richtern und Staatsanwälten. Es gäbe Urteile, die sagen, die Worte „Du Jude“ seien keine Beleidigung. „Ein anderes Urteil sagte, der Brandanschlag auf die Synagoge von Wuppertal, der von einem Palästinenser begangen wurde, sei nicht antisemitisch, sondern antiisraelisch motiviert gewesen. Mit solchen Urteilen kann sich der Judenhass deutlich weiter verbreiten.“

Nach Anschlag in Halle: Jüdische Gemeinde von Köln reagiert besonnen

Auch in der Jüdischen Gemeinde von Köln gehe die Angst um – aber man reagiere nach dem Anschlag von Halle trotzdem besonnen. „Am Mittwoch hat auch unsere Gemeinde hier in Köln Jom Kippur, unseren höchsten Feiertag begangen. Und sie können mir glauben: Unser Gottesdienst war zu jeder Zeit gesichert. So wie unser Gemeindezentrum in Ehrenfeld gesichert ist, in dem sich auch die jüdische Grundschule befindet, und unser Begegnungszentrum in Chroweiler.“ 

Solidaritätskundgebung am Donnerstagabend vor dem Kölner Dom 

Es habe schon viele Solidaritätsbekundungen gegeben, auch von der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, und viele, viele Anrufe. Die Solidaritätskundgebung des „Rheinländischen antifaschistischen Bündnisses gegen Antisemitismus“ (Raba) am heutigen Donnerstagabend vor dem Dom (18 Uhr) findet Klapheck gut. 

Anschlag in Halle: Jetzt müssen Taten folgen

„Aber Reden allein reichen nicht mehr – jetzt müssen Taten und ein Umdenken folgen", sagt der Geschäftsführer der Kölner Synagogengemeinde. „Auch in der Politik. Wenn eine Partei sagt, Israel sei unser Untergang, dann muss das bestraft werden." Das seien systematische Tabu-Brüche, mit denen Hemmschwellen herabgesetzt würden. „Wenn wir das zulassen und ein Umdenken nicht schaffen, habe ich Angst um unsere Demokratie“.

Mord vor Synagoge: Aufstand wird vermisst

Und dann lässt Klapheck folgen: „Denken Sie daran, was die vielen Aktionen von Fridays for Future für den Kampf gegen den Klimawandel bedeuten. Auch in Sachen Antisemitismus muss ein solcher Ruck durch unser Land gehen. Wir vermissen da das Aufstehen und Einstehen in unserer Gesellschaft.“