Gutachten liegt vorSo hoch ist der Schaden bei der Finanzaffäre der Handwerkskammer
Köln – Mehr als 1,1 Millionen Euro – so hoch ist der Schaden, den die Handwerkskammer (HWK) bei der Finanz-Affäre um die 100-prozentige Tochter „Bildungs- und Beratungs GmbH“ (BuB) geltend macht. Wegen der Affäre hatte sich die Kammer von Hauptgeschäftsführer Dr. Ortwin Weltrich und seinem Vize Peter Panzer getrennt (hier mehr lesen, und hier auch).
Zeitraum 2009 bis 2018 untersucht
Untersucht wurde der Zeitraum von 2009 bis 2018. Handwerkskammer-Präsident Hans-Peter Wollseifer und der vom Kammerpräsidium beauftragte Wirtschaftsprüfer Dr. Heribert Warken begründen dies damit, dass dies der rechtsrelevante Zeitraum sei – für die Vorjahre könne man keinen Schaden mehr geltend machen, niemanden mehr in Regress nehmen.
Weltrich 1992 HWK-Vize, BuB 1995 gegründet
Weltrich wurde 1992 stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, 1995 wurde die Bildungs- und Beratungs GmbH der Handwerkskammer gegründet. 2007 wurde Weltrich Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer und gleichzeitig Geschäftsführer der Bildungs- und Beratungs GmbH.
Wirtschaftsprüfer beziffert Schaden auf 1,1 Millionen Euro
Die Handwerkskammer hatte Personal freigestellt für die fachliche Steuerung von Entwicklungshilfeprojekten bei der Bildungs- und Beratungs GmbH. Die BuB hatte dafür vom Bund Personalkostenerstattung erhalten, diese aber nicht an die Handwerkskammer weitergeleitet. Warken beziffert diesen Schaden auf insgesamt 730.000 Euro.
Darüberhinaus seien dadurch Gewinne in den Bilanzen der BuB entstanden, auf die Steuern gezahlt werden mussten. Weltrich und Panzer kassierten überdies auf Basis dieser Gewinne Tantiemen. Hier sieht Warken einen Schaden in Höhe von rund 390.000 Euro. Insgesamt also 1,1 Millionen Euro. Wollseifer will die über diese Summe bei der Management-Versicherung Weltrichs und Panzers geltend machen.
Zwar hatte die Bildungs- und Beratungs GmbH auch Dividenden an die Handwerkskammer ausgeschüttet und Spenden an eine Stiftung der Handwerkskammer gezahlt, aber die, so Warken, seien bei der Schadensberechnung bereits abgezogen worden.
Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungen
Staatsanwalt Dr. René Seppi bestätigte dem EXPRESS auf Anfrage, dass das Gutachten von Dr. Warken der Staatsanwaltschaft vorliege. Dort wird aktuell geprüft, ob gegen Dr. Ortwin Weltrich und Peter Panzer Ermittlungen eingeleitet werden müssen.
Weltrich: „Maximal 120.000 Euro Schaden“
Weltrich macht eine ganz andere Rechnung auf. „Ich fühle mich nach wie vor verantwortlich für die in der Handwerkskammer organisierten Unternehmen. Ich habe angeboten, dem Wirtschaftsprüfer meine Berechnungen darzulegen. Dann wäre er zu anderen Ergebnissen gekommen. Nach den Unterlagen, die mir vorliegen, beläuft sich der Schaden je nach Berechnung auf 19 000 bis maximal 120 000 Euro. Deshalb behalte ich mir berufsrechtliche Schritte gegen den Wirtschaftsprüfer vor.“
Präsident Wollseifer: „Muss mich auf Geschäftsführer verlassen können“
Wollseifer betont, dass weder er noch seine Vorgänger im Präsidentenamt dies hätten bemerken können. Die Bilanzen der BuB seien von Steuerberatern und dem Rechnungsprüfungsausschuss der Handwerkskammer geprüft worden. Er sei – wie seine Vorgänger – Ehrenamtler und habe sich auf die hauptamtlichen Geschäftsführer verlassen können müssen.
Die Zusammenarbeit sei immer gut und vertrauensvoll gewesen, die Entwicklungshilfeprojekte – aktuell in Malawi, Togo, Uganda und Palästina, seien sehr erfolgreich.
Handwerkskammer macht Entwicklungshilfe jetzt selbst
Wollseifer kündigte an, dass die BuB GmbH ihre Tätigkeit zu Ende 2019 einstellen werde. „Die Entwicklungshilfeprojekte werden dann direkt bei der Kammer angesiedelt“, so der Präsident.