Ermittler sagen „Schwarm"Die NRW-Karte der Kinderschänder

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Wohnorte der Tatverdächtigen im NRW-Missbrauchskomplex. Köln ist die Zentrale der Ermittlungen. 

Köln – Der Missbrauchssumpf von NRW: Inzwischen versuchen mehr als 360 Polizisten, ein monströses Sexualverbrechen aufzuklären, über hundert Beamte kommen aus Köln.

„Besondere Aufbau-Organisation" der Polizei

Die Ermittler arbeiten sich durch Millionen beschlagnahmter Dateien und Chatspuren, um weitere Kinderschänder aufzuspüren. BAO nennt sich die Struktur, die dafür geschaffen wurde: Besondere Aufbau-Organisation.

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BAO-Leiter Michael Esser erklärt: „Aktuell befinden wir uns im Bereich der Gefahrenabwehr.“ Heißt: Der Fokus liegt darauf, weitere Täter zu fassen, die sich womöglich noch an Kindern vergehen. Die strafrechtliche Aufarbeitung zum Austausch der Filme wurde erst einmal hinten angestellt. „Aber wir haben die Daten, das läuft uns nicht weg. Erst mal müssen wir uns um die Opfer kümmern.“

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Sechs Staatsanwälte führen das Verfahren

Vor diesem Hintergrund zieht die Kölner Staatsanwaltschaft alle Fälle in NRW an sich. Zuständig sind die Cybercrime-Experten der Spezialstelle ZAC im Justizzentrum. „Inzwischen führen sechs Staatsanwälte die Verfahren“, erklärt Behördensprecher Ulrich Bremer, „der Ansatz liegt sogar höher als noch bei der Aufarbeitung der sexuellen Übergriffe an Silvester 2015/2016 in Köln.“

Rund um die Uhr seien Ankläger im Dienst, um auch nachts Durchsuchungen anordnen oder Haftbefehle erwirken zu können.

Die Täter werden „Pädokrime" genannt

Tag und Nacht könnten neue Verdächtige festgenommen werden: Pädokrime, wie die Täter genannt werden, die über einschlägige Messenger-Foren Dateien einstellen. Bilder und Filme, die sie teils selbst produziert haben. Einige der Täter, so die Erkenntnisse, kooperieren auch im realen Leben, nicht mehr nur im Netz. Nach Information des EXPRESS soll ein Opfer von gleich drei Beschuldigten missbraucht worden sein.

Zehn Tatverdächtige haben die Ermittler in dem Mammutkomplex bisher enttarnt, davon sitzen sieben in U-Haft. Bisher wurden 13 Opfer von ihrem Schicksal erlöst. Seit vor annähernd drei Wochen der 42-jährige Krankenhaus-Mitarbeiter Jörg L. aus Bergisch Gladbach gefasst wurde, verfügen die Strafverfolger über ein riesiges Konvolut an Spuren.

Was ist der Stand der Ermittlungen? EXPRESS fasst zusammen.

Bergisch Gladbach Über einen Kinderschänder aus Kassel führte die Spur zu Jörg L. (42) in Bergisch Gladbach. Auf seinem Handy fand die Polizei am 22. Oktober ein riesiges Konvolut von Kinderpornografie. Der Beschuldigte soll sein Kind im Alter zwischen ein bis zwei Jahren mehrfach missbraucht haben. 

Langenfeld Der Tatverdächtige (Mitte 30) steht im Verdacht des schweren sexuellen Missbrauchs. Er stand mit Jörg L. in Kontakt, tauschte mit ihm Kinderporno-Dateien aus. Seit Ende Oktober sitzt er in Untersuchungshaft.

Dortmund Im Oktober wurde ein 47-jähriger Dortmunder festgesetzt. Er soll einem Mädchen aus seinem Bekanntenkreis ungeheures Leid angetan haben. 

Kamp-Lintfort Seinerzeit ging den Ermittlern auch ein 26-jähriger Bundeswehrsoldat ins Netz. Er soll seine Tochter und seine Nichte (beide drei Jahre alt) und seinen Stiefsohn, 5, schwer missbraucht haben. Bereits im Juni ermittelte Polizei und Justiz wegen unsittlicher Berührungen seiner Kinder, allerdings leisteten sich die Strafverfolger eine Ermittlungspanne, so dass der Soldat erst im Oktober verhaftet wurde.

Krefeld Ein Familienvater, 38, wird am 5. November durch Chatspuren und die Aussage seiner Tochter des schweren Missbrauchs überführt. Der Mann legt ein Geständnis ab.

Viersen Seine Tochter berichtet auch von einem zweiten Peiniger, dem sie zu Willen sein musste. Im Gegenzug soll der Viersener dem Krefelder seine Nichte zugeführt haben. Haftbefehl.

Alsdorf Auch ein 57-jähriger Komplize in Alsdorf geht in U-Haft, weil er ein Mädchen eines seiner Chatkumpane missbraucht haben soll.

Lünen Am 9. November nehmen die Ermittler einen Mann aus Lünen fest. Der 47-jährige soll ein Kind aus seinem Bekanntenkreis vergewaltigt haben.

Polizei spricht von „schwer durchschaubaren Schwarm"

Bislang haben die Strafverfolger noch keine Hierarchien in den Messenger-Zirkeln entdeckt, und sie tun sich auch mit Begriffen wie „Netzwerk“ oder „Ring“ schwer. Angesichts der Masse der Beteiligten könne man eher von einem schwer durchschaubaren „Schwarm“ krimineller Chatteilnehmer ausgehen, die dann teilweise auch direkt miteinander kommunizieren.