Die pure AngstKölner Arzt erklärt: So schwer ist es als Hypochonder in Corona-Zeiten

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Prof. Dr. Christian Albus ist Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie in der Uniklinik Köln – während der Corona-Krise hält er die Beratungsstunden mit seinen Patienten online ab.

Köln – In der Corona-Krise ist Vorsicht besser als Nachsicht, aber wie erlebt jemand die Pandemie, der chronische Angst vor Krankheiten hat?

Für Buch-Autor und Journalist Andreas Wenderoth (55) ist Social Distancing schon seit Jahren ein gängiger Begriff. Als bekennender Hypochonder ist er es gewohnt, Abstand zu halten.

Hypochonder richten sich auch ohne Corona nach den Empfehlungen des RKI

Mit einem Virus, der sich unentdeckt ausbreiten kann, geht aktuell aber wohl sein schlimmster Albtraum in Erfüllung – denn Wenderoth ist Erkältungsphobiker.

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Die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) gehörten für Wenderoth schon vor Corona längst zum Alltagsgeschehen.

Wenn im Winter die Grippewelle anrollt, geht er schon mal präventiv in Deckung, fährt mit Atemschutzmaske Bahn und pausiert für den Zeitraum auch gerne mal sein gesellschaftliches Miteinander.

Hypochondrie – die Angst vor dem eigenen Körper

Im Kampf gegen das Corona-Virus wäscht er sich aktuell etwa 70 Mal am Tag die Hände. So heiß, dass er danach jedes Mal Wundsalbe auftragen muss.

„Ich habe die Kontakte runtergefahren und versuche aktuell, antizyklisch zu leben. Besorgungen erledige ich meistens sehr früh oder sehr spät. Wenn ich einkaufen gehe, muss ich um 9 Uhr aus dem Supermarkt raus sein, sonst wird es mir unangenehm”, erzählt Wenderoth.

Als Kind sei er oft krank gewesen, im Alter von 15 Jahren kämpfte er mit einer unklaren Infektionskrankheit. Seitdem ist es irgendwie anders.

„Das Leben mit einer Hypochondrie ist die Hölle, die Menschen projizieren Angst auf ihren eigenen Körper”, erklärt Prof. Dr. Christian Albus, Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Uniklinik Köln.

Uniklinik Köln behandelt Hypochondrie-Patienten wegen Corona online

Er behandelt Patienten, die unter Hypochondrie leiden – einen deutlichen Zulauf von Betroffenen durch die Corona-Krise könne Albus aktuell aber nicht bestätigen. Dennoch sei das Thema Virus während der Behandlungen präsent. „Die Patienten beschäftigen sich sehr damit. Sie nehmen die Situation subjektiv wahr und denken, sie hätten ein höheres Risiko zu erkranken.”

Die medizinische Hilfe findet aktuell per Videoberatung über das Internet statt. Viele Patienten hatten sich auf Wunsch oder aus Sorge für eine Online-Beratung entschieden, die Entscheidung sei aber auch durch Vorgaben der Uniklinik gefallen, heißt es von Albus.

„Die Vorschläge vom RKI gewissenhaft einzuhalten, sollte man nicht als Hypochondrie bezeichnen. Niemand wird wegen Corona zum Hypochonder, für die Betroffen wird es nur schwerer durch die Pandemie”, erklärt der Kölner.

Hypochonder kauft überteuerte Atemschutzmasken gegen Corona

Besonders schwierig wurde es für Andreas Wenderoth zu Beginn der Pandemie bei der Beschaffung von Atemschutzmasken.

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Während er beim Desinfektionsmittel noch problemlos auf seine Vorräte zurückgreifen konnte, musste er sich bei den Masken geschlagen geben: „Ich habe für satte 200 Euro noch zehn Masken erstanden, die Hälfte davon immerhin FFP. Normalerweise kosten sie weniger als ein Viertel, aber ich denke, das Geld ist gut angelegt.” Schutz um jeden Preis!

Hypochonder sind in der Corona-Krise besonders gefordert

„Hypochondrie ist eine Krankheit, die mit einem hohen Leidensdruck verbunden ist. Die Möglichkeit, an einer Krankheit zu leiden macht Betroffenen Angst”, sagt Prof. Dr. Christian Albus.

Bei Wenderoth geht die Angst so weit, dass er beim romantischen Waldspaziergang mit seiner Frau auch schon mal beherzt in die Büsche springt, um sich der Begegnung mit einem herannahenden Jogger entziehen zu können.

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Dass das Beziehungsleben mit einem Hypochonder nicht immer ganz einfach ist, darüber schreibt er bereits 2017 in seinem Buch, „Nur weil ich Hypochonder bin, heißt das ja nicht, dass ich nichts habe”, das im Fischer-Verlag erscheint.

Drei Jahre später dürfte seine Beziehung nochmal ganz anders auf die Probe gestellt werden. Im Gegensatz zu seinem eigenen Befinden, fühle sich seine Frau ohne den Kontakt mit Freunden und Kollegen stark eingeschränkt.

„Ich empfinde es nicht als wahnsinnig schlimm, zu Hause zu bleiben, aber meine Frau kommt aus Köln – da kann es schon mal zu Konflikten kommen”, sagt er lachend.

Psychotherapie als Behandlungsmethode gegen Hypochondrie

Dennoch bleibt es im Alltag oft ein ewiger Kampf um Verständnis – nicht nur von anderen, sondern auch für den Umgang mit dem eigenen Körper. Prof. Dr. Christian Albus erzählt, warum das vor einer Behandlung bereits zu Problemen führen kann.

„Betroffene haben Angst vor einer körperlichen Erkrankung und suchen zahlreiche Ärzte auf. Wichtig ist aber die eigene Erkenntnis, dass die vermeintliche körperliche Erkrankung mit einer psychischen Störungen zusammenhängt und nur eine Psychotherapie helfen kann. Viele schaffen das oft nicht, weil sie Angst haben, nicht ernst genommen zu werden”, erklärt Albus.

Auch Wenderoth nahm seine Krankheit lange Zeit lieber selbst auf die Schippe, anstatt sich ihrer anzunehmen. Anfang des Jahres fasst er dann aber den Entschluss – es muss sich etwas ändern. Eine kognitive Verhaltenstherapie soll ihm jetzt dabei helfen, seinen Körper mit der nötigen Distanz wahrzunehmen. „Ich habe gemerkt, dass es mir ein Stück Lebensqualität nimmt.”