Corona-KriseWahl-Kölner schließt Praxis: So dramatisch ist die Lage in Österreich

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Dr. Auer und seine Mitarbeiter in Neumarkt/Steiermark

von Markus Krücken (krue)

Steiermark/Köln – Die Corona-Krise hat auch unser Nachbarland Österreich längst im Griff. Im beliebten Reiseziel der Deutschen regiert ebenso die Angst. Selbst Mediziner sehen sich zu drastischen Schritten genötigt.

Dr. Wolfgang Auer aus der Steiermark ist Mediziner mit spezieller Ausbildung für Krankenhaushygiene. Das Mitglied des Kölner Tierschutzvereins um Sportstätten-Chef Lutz Wingerath (Herzensangelegenheit - Menschen für Tiere und Tiere für Menschen in Not) und FC-Fan hat seine Ordination zum Schutz seiner Mitarbeiter für eine Woche geschlossen und schildert im EXPRESS die dramatische Lage im Nachbarland aktuell.

Wie sieht es aus in Österreich?

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Dr. Auer: In Österreich wird die Sache regional sehr unterschiedlich gesehen. In Tirol stehen Orte wie St. Anton und Ischgl unter Quarantäne, Wien bereitet eine Messehalle vor um der Situation gerecht zu werden. Wir haben eigentlich noch die Ruhe vor dem Sturm.

Sie haben Ihre Praxis für eine Woche geschlossen? Warum?

Dr. Auer: Das ist der einzig logische Schritt. In der Lombardei waren Arztpraxen das erste, was geschlossen wurde, weil das Virus sich dort optimal ausbreiten konnte. Medizinisches Personal ist zu einem sehr hohen Prozentsatz betroffen. Eine Arztpraxis derzeit normal zu führen ohne Zugangskontrollen, spezielle Leitsysteme einzuführen, ist fast grob fahrlässig. Der Ausbreitung des Virus darf keine Chance gegeben werden.

Kleiner Shitstorm wegen Praxis-Schließung

Verstehen das die Österreicher?

Dr. Auer: In meinem Dorf, das etwa 5000 Einwohner hat, nicht wirklich. Auf Facebook machen sich manche Sorgen, wo man hingehen kann, wenn ein Kind Ohrenschmerzen hat. Eine Grünenpolitikerin hat mir geraten, ich solle mich alleine in die Praxis setzen und unser 150 täglichen Patienten ohne mein Personal betreuen. Naiver geht es fast nicht? Das würde eine riesige Menschenansammlung kranker Personen bedeuten.

Wie wird das weitergehen?

Dr. Auer: Ich hoffe, dass sich die breite Bevölkerung des Ernstes der Sache bewusst ist. In Italien haben wir Ausgangssperren und eine apokalyptische Situation. Das müssen wir in Österreich unbedingt verhindern. Es sind einige richtige Maßnahmen ergriffen worden, aber noch nicht ausreichend.

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Es muss vor allem verstanden werden, dass die Situation professionell geführt werden muss. An ein normales Leben wie vorher ist daher nicht zu denken. Die aggressive Reaktion mancher weniger auf die notwendige vorübergehende Praxisschließung lässt leider wenig Gutes erwarten.

Wie schaut es mit dem öffentlichen Leben aus?

Dr. Auer: Kindergärten und Schulen sind zwar nicht ganz geschlossen, aber für absolute Notfälle gibt es eine Betreuung. Meine Mitarbeiterinnen haben kleine Kinder und können diese ja nicht in die Praxis mitbringen. Meine Söhne 10 und 5 Jahre können einige Zeit alleine bleiben; bis Ostern wird sich das auch nicht ändern.

Bordelle haben bis 15 Uhr auf

Obwohl Supermärkte geöffnet bleiben werden und die Versorgung garantiert ist, kommt es zu massiven Hamsterkäufen. Die Regale sind teilweise völlig leer.

Für die Gastronomie schaut es finster aus. Nach 15 Uhr wird alles geschlossen. Übrigens auch Bordelle dürfen noch bis 15 Uhr geöffnet haben. Tabakläden bleiben geöffnet. Das ist halt Österreich.

Wie geht es dem Tourismus?

Dr. Auer: Für den Tourismus ist das eine einzige Katastrophe. Die Branche ist ohnehin schon geschwächt und jetzt kommt es zu einem Totalausfall der Spätwintersaison und des Ostergeschäftes. Das wird eine nachhaltige Problematik, die sich noch lange auswirken wird.

Durch die vielen Absagen nahezu aller Kongresse und Veranstaltungen leidet auch die Hotellerie massiv. Ich musste mein Zimmer für einen Kongress in Wien stornieren: Sie wären der einzige Gast gewesen, sagte man mir.