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Alt-OB Jürgen Roters wird 70Von wegen Ruhestand – hier arbeitet er heute

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Alt-Oberbürgermeister Jürgen Roters (70, SPD) in den Empfangsräumen der Kanzlei DLA Piper, für die er seit 1. März 2016 als Rechtsanwalt arbeitet.

  • Mit uns sprach Kölns ehemaliger Oberbürgermeister über...
  • den Stadtwerke-Börschel-Skandal
  • das Schicksal seiner SPD
  • seinen neues Berufsleben nach der Amtszeit als Oberbürgermeister

Köln – Er war Kölns Polizeipräsident (1994 bis 1999), Regierungspräsident (1999 bis 2005) und Oberbürgermeister (2009 bis 2015) – allein das ist schon bemerkenswert. Heute wird Jürgen Roters 70 Jahre alt. Mit dem EXPRESS sprach der SPD-Politiker über seinen Unruhestand.

EXPRESS: Herr Oberbürgermeister, wie empfinden Sie dieser Tage das politische Geschehen in Köln? Jürgen Roters: Seit ich mein Amt an Frau Reker übergeben habe, halte ich mich mit Kommentaren dazu zurück. Das gehört sich nicht. Ich habe mich aus dem politischen Geschehen genauso rausgezogen wie aus der Politik meiner Partei, der SPD.

Hat sie der Stadtwerke-Börschel-Skandal nicht erschüttert? Was da passiert ist, war absolut schädlich für unsere Stadt und hat bestätigt, was alle immer über Köln sagen und denken: Klüngel-Hochburg.

Wie konnte das passieren? Ausgerechnet Börschel? Ich weiß es nicht. Aber wenn man so eine dominante Rolle hat wie Martin Börschel sie seit Anfang der 2000er Jahre hatte, denkt man vielleicht irgendwann, dass man sich den Regularien der Transparenz nicht mehr unterwerfen muss. Hier wären – nicht nur bei Herrn Börschel, sondern bei allen Beteiligten – Demut und Sensibilität angebracht gewesen. Hier hat es an Fingerspitzengefühl gefehlt.

Wie beurteilen Sie dabei die Rolle der Oberbürgermeisterin? Mir fehlen dazu Informationen.

Hätte zu Ihrer Zeit sowas an Ihnen vorbeigehen können? Hätten Sie nicht mal bei den handelnden Personen nachgefragt, wenn Sie vorher Gerüchte gehört hätten über das, was geplant ist? Netter Versuch, aber ich sage dazu nichts.

Wie beurteilen Sie denn grundsätzlich die Lage in Köln? Ist irgendetwas besser geworden? Ja, die Sicherheitslage hat sich sehr positiv entwickelt. Da haben Stadt und Polizei – jeder für sich, aber auch gemeinsam – viel erreicht. Die OB macht trotz schwieriger Bedingungen einen guten Job.

Irgendwie hat man den Eindruck, dass es nicht weitergeht, Stichworte Verkehr, Wohnungsbau, Schulen und Kitas, Kulturbauten. Was meinen Sie? Das hat man zu meiner Zeit gesagt und bei Fritz Schramma auch. Ich habe von ihm Themen geerbt, Frau Reker hat Dinge übernommen, die ich angestoßen habe, etwa den Umbau des Deutzer Hafens oder Mülheim Süd. Ich sehe vielmehr, dass die Planungsprozesse zu lang dauern und dringend verschlankt werden müssen. Es braucht nicht immer noch ein Werkstattverfahren, einen Workshop, eine Podiumsdiskussion.

Aber selbst das, was schon im Bau ist, dauert oft Jahre länger oder wird um ein Vielfaches teurer. Denken Sie nur an die Oper, den Kalker Tunnel... Das ist alles wirklich ärgerlich. Und jetzt, wo der Kalker Tunnel endlich wieder dreispurig in beide Richtungen zu befahren ist, werden für die Zufahrt von der A3 oder den Tunnel selbst bereits wieder neue Einschränkungen angekündigt.

Und was ist mit der Politik? Die hat die Entscheidung über die Frage, ob die Ost-West-Achse für die KVB zwischen Heumarkt und Lindenthal oberirdisch oder unterirdisch verläuft, um bis zu fünf Jahre vertagt. Das soll der nächste Stadtrat entscheiden. Die SPD ist wenig professionell mit dem Thema Ost-West-Achse umgegangen, die anderen Parteien ebenso. Die Bürger erwarten Entscheidungen von der Politik, dafür wurde der Stadtrat gewählt. Und es wäre wichtig gewesen, hier sehr schnell zu einer Entscheidung zu kommen.

Wie hätten Sie denn entschieden? Ich bin absolut und ganz klar für die Tunnellösung. Das war auch die unmissverständliche Linie der Oberbürgermeisterin, der zuständigen Verkehrsdezernentin und des KVB-Chefs Jürgen Fenske. Die Politik sollte der Verwaltung mehr vertrauen.

Mit dem Vertrauen ist es nicht weit her, wenn parteitaktische Spielchen im Vordergrund stehen. Eine Millionenstadt wie Köln ist kein Spielplatz und der Stadtrat ist kein Schauplatz für parteipolitische Scharmützel.

Wie sehr nimmt Sie das Schicksal Ihrer Partei mit? 1998 stärkste Kraft mit mehr als 41 Prozent bei der Bundestagswahl, heute mit 14 Prozent in den Umfragen im Tal der Tränen. Wenn man wie ich mehr als 40 Jahre dieser stolzen Partei mit einer so großen Geschichte angehört, dann macht einen das natürlich betroffen. Aber das liegt auch am Führungspersonal. Es fehlt eine strahlende, mitreißende Persönlichkeit an der Spitze. Die Kölner SPD hat mit Christian Joisten einen Hoffnungsträger.

Die Grünen sind seit Monaten in den Umfragen zweitstärkste Kraft. Die Grünen haben mit Annalena Baerbock und Robert Habeck ein Führungsduo, das sich sehr gut ergänzt. Und den Grünen gelingt es, Themen zu setzen.

Was war denn das Thema der letzten Jahre? Sicher der Themenkomplex Zuwanderung, Migration, Flüchtlinge. Der Umgang seitens der Politik damit hat viele Menschen verunsichert, übrigens auch in der SPD. Es reicht nicht, zu sagen: „Wir schaffen das!“ – man muss auch sagen, wie. Und dabei die Menschen mitnehmen und die Kommunen viel stärker unterstützen.

Die AfD profiliert sich fast ausschließlich mit diesem Thema. Und ich sehe die Gefahr, dass sich diese Partei mit rechtsradikalen und rechtspopulistischen Inhalten in Gremien etabliert, etwa den Rundfunkräten. Damit wäre die Presse- und Meinungsfreiheit in Gefahr. Und damit, letzten Endes, unsere Demokratie.

So ganz rausgezogen haben Sie sich aber doch nicht. Was machen Sie denn heute? Ich bin Anwalt in der Kanzlei DLA Piper, direkt am Heumarkt. Außerdem bin ich im Deutsch-Russischen Forum in Berlin zuständig für kommunale Zusammenarbeit. Und ich bin Vorsitzender des Freundeskreises Botanischer Garten.

Laufen Sie noch den Marathon mit? Das schaffe ich leider nicht mehr – meine Knie sind lädiert.

Heute gibt die Oberbürgermeisterin anlässlich Ihres 70. Geburtstages einen Empfang im Rathaus. Das hat mich sehr gefreut. Und der Enthüllung meines OB-Porträts sehe ich dabei mit Spannung entgegen. So komme ich drei Jahre nach der Amtsübergabe endlich auch in die Ahnengalerie der OBs im Historischen Rathaus.