Ein bitterer Konkurrenzkampf um die Kleinsten tobt in Köln! Weil Kitas gezielt Kinder unter drei Jahren abwerben sollen, stehen viele Tagesmütter und Tagesväter vor dem Ruin. In der Stadt gibt es hunderte freie Plätze.
Alarm in KölnTagesmüttern droht wegen Kita-Taktik das Aus – „Die machen Eltern Angst“

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Ein Kleinkind alleine beim Spielen. In vielen Tagespflegen sind Plätze frei – die Sorgen vor einer Schließung sind groß (Symbolfoto).
Diese Nachricht der Stadt Köln schlägt hohe Wellen: In der Kindertagespflege gibt es aktuell noch rund 300 freie Plätze für Kinder unter drei Jahren! Was sich erst mal gut anhört, ist für viele Tagesmütter und Tagesväter eine Katastrophe.
Die Plätze sind nicht gleichmäßig verteilt. Während in Chorweiler, wo der Mangel seit Jahren riesig ist, alles voll ist, gibt es in Stadtteilen wie Nippes oder der Innenstadt noch freie Plätze.
Doch die Kehrseite ist dramatisch: 300 freie Plätze bedeuten für rund 60 Tagesmütter oder Tagesväter Existenzängste. Sie sind auf die Betreuung der Kleinsten spezialisiert und kümmern sich oft in der eigenen Wohnung um maximal fünf Kinder.
Bisher war klar: Mit drei Jahren wechseln die Kinder in die Kita. Doch jetzt schlagen Tagesmütter und Tagesväter Alarm! Sie werfen den Kitas vor, die Kinder schon viel früher abzuwerben – und die Eltern unter Druck zu setzen.
Eine Kölner Tagesmutter, die seit über 20 Jahren im Job ist, packt aus: „Ich höre immer wieder von Eltern, dass die Kitas ihnen sagen, wenn sie den Platz nicht jetzt nehmen, stehe er bei den über Dreijährigen wahrscheinlich nicht mehr zur Verfügung“, erzählt sie. Ihr bitteres Fazit: „Die Kitas machen den Eltern Angst.“
Die 63-Jährige hatte früher immer eine Warteliste. Jetzt nicht mehr. „Heute gehen viele schon mit zwei Jahren wieder“, klagt sie. Ab August hat sie nur noch einen einzigen Platz belegt. „Damit kann ich meine Miete zahlen, aber ich muss ja auch leben.“
Gefährlicher Trend: Kinder werden von den Kitas massiv abgeworben
Das ist kein Einzelfall. Alice Birkenfeld vom Verein Kölner Kindertagespflege bestätigt den Trend: „Kinder werden von den Kitas massiv abgeworben und Eltern wollen die Chance auf einen Platz nicht verpassen“, sagt sie. Die Folge: Die Zahl der Tagespflegepersonen in Köln ist von 905 im Mai 2023 auf aktuell nur noch 808 gesunken. „Viele haben schon aufgegeben“, so Birkenfeld.
Auch sie selbst spürt den Druck in ihrer bilingualen Großtagespflege „Pinta Caminos“ in Braunsfeld. Obwohl alle Plätze vergeben sind, sagt sie: „So ein wildes Spiel hatten wir noch nie, die Eltern sind reihenweise überraschend mit ihren Kindern in die Kitas gezogen.“ Das Problem: „Wenn ein Kind fehlt, wackelt bei uns gleich die Existenz.“
Und die Stadt Köln? In einer Mitteilung wirbt sie für die Kindertagespflege als „gleichwertige Alternative zur Kita“ mit „familiärem Umfeld“ und „flexiblen Betreuungszeiten“. Eltern sollen sich an eine Kontaktstelle wenden.
Doch Vereins-Vorständin Birkenfeld sieht genau da das nächste Problem. Die Zusammenarbeit mit der Kontaktstelle sei „sehr unzufriedenstellend“. „Warum wird nicht mit lauten Trommeln für die Kindertagespflege in Köln geworben?“, fragt sie. Der Verein habe nun selbst eine interaktive Karte mit freien Plätzen erstellt.
Der Grund für das aggressive Abwerben der Kitas dürfte knallhartes Geld sein. Für ein Kind unter drei Jahren (U3) bekommen sie vom Land deutlich mehr Geld als für ein älteres Kind. Die Förderpauschale für ein U3-Kind liegt im kommenden Kitajahr bei fast 30.000 Euro, für ein Kind über drei sind es nur rund 12.300 Euro.
Der Verein Kölner Kindertagespflege kritisiert, dass die Betreuungsformen zwar gesetzlich, aber nicht finanziell gleichgestellt sind. Der „Kitaausbau ohne Personalstrategie“ habe den Fachkräftemangel bei Erzieherinnen und Erziehern nur noch verschärft, was in den Kitas oft zu Notbetreuung führt.
Immerhin: Das Thema kommt in die Politik. Ralf Heinen (SPD), Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses, nennt das Vorgehen der Kitas „nicht in Ordnung“. Er betont: „Stabilität ist eines der höchsten Güter für Kinder und das wird damit konterkariert.“ Am 26. August soll es eine Sondersitzung geben, bei der auch eine bessere Bezahlung für die Kindertagespflege beschlossen werden könnte. (red)