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55.000 ArbeitsschritteWarum Kölns größte Raffinerie jetzt zur XXL-Baustelle wird

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Shell-Manager André Nussbaum ist für den gesamten „Turnaround“ verantwortlich.

Köln – Sie qualmt und mieft, sie lärmt und leuchtet – und ihre Hochfackel erhellt den Nachthimmel im Süden Kölns, wenn wieder Tonnen an überschüssigen Gasen in die Luft gejagt werden. Die „Shell Rheinland“ ist mit einem Ausstoß von 2,8 Milliarden Liter Motorenbenzin pro Jahr nicht nur Deutschlands größte Raffinerie, sie ist derzeit auch eine der größten Baustellen Europas. Für die fälligen, vom TÜV überwachten Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten – im Fachjargon „Stillstand“ oder „Turnaround“ genannt – rücken noch bis Ende Oktober täglich 2500 Mechaniker und Spezialisten aus ganz Europa an. Lesen Sie den großen EXPRESS-Report.

Shell in Köln: Raffinerie wird Baustelle

Ein Fußball- wurde zum Parkplatz, ein Gedränge früh und spät an den Werkstoren, eine unvorstellbare Fülle an Menschen, Material, Brummis und Radlern, eingekesselt in ein Labyrinth aus Pipelines und hochexplosiven Containern. Dabei steht Sicherheit an oberster Stelle. Auch wir, die EXPRESS-Reporter, mussten wie jeder Arbeiter eine ausführliche Sicherheitseinweisung mit Testfragen absolvieren. Dazu Spezialkleidung, Schuhe, Schutzbrille und Helm tragen, Gasmaske und Warnmessgerät griffbereit.

„Unternehmen wie die Rheinland Raffinerie sind rechtlich verpflichtet, ihre Anlagen regelmäßig einer Überprüfung durch unabhängige Sachverständige zu unterziehen. Die dafür maßgeblichen Grundlagen sind beispielsweise die sogenannte Druckgeräterichtlinie und Betriebssicherheitsverordnung“, erklärt Shell-Sprecher Constantin Graf von Hoensbroech. „Unser Ziel ist, die Raffinerie auch in den nächsten Jahren weiter sicher und zuverlässig zu betreiben“, sagt Raffineriedirektor Dr. Marco Richrath.

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Shell in Köln: Raffinerie wird erneuert

Der aktuelle Stillstand wechselnder Teile der Anlage wurde ganze drei Jahre vorbereitet. Seit September läuft die Materialschlacht mit 55.000 Arbeitsschritten auf 1200 Seiten Terminplan: 100.000 Kubikmeter Gerüste werden verbaut. 30 Kräne werden hochgefahren. 2500 Druckbehälter, Wärmetauscher und Armaturen werden geprüft.

Um die Energiebilanz von Shell zu verbessern, werden neue Systeme, wie etwa ein gigantischer Hydrocracker (trennt bei der Rohölverarbeitung das Benzin vom Schweröl) eingebaut. Zudem werden allein 50.000 Dichtungen und 115.000 Schrauben ausgetauscht. In luftigen Höhen ziehen zwei Arbeiter mit Spezialwerkzeug eine baumscheibengroße Dichtung („Flansch“) fest und rutschen dabei im Uhrzeigersinn mit.

„Die Schrauben müssen exakt gegenüber festgezogen werden, damit die Flansch korrekt sitzt“, so Turnaround-Manager André Nussbaum (50), der EXPRESS durch die Anlage führt. „Die Reihenfolge der angebrachten Schrauben wird dokumentiert und noch mal mit Hammerschlägen kontrolliert.“

Shell in Köln: Der Turnaround läuft

Nussbaum ist der Herr der Großbaustelle, hat bereits 29 „Turnarounds“ in diversen Raffinerien hinter sich und grüßt viele Arbeiter persönlich. Was erst beim zweiten Blick auffällt: Sein Helm, aber auch die Hauben aller Arbeiter schmücken diverse Landesfahnen. „So erkennt jeder Arbeiter sofort, welche Sprachen der Kollege spricht. Notfalls kann man sich schnell einen anderen Kollegen holen, der dann dolmetscht.“

Ja, die Shell-Crew ist eine Multi-Kulti-Truppe. „Die besten Schlosser kommen aus Ungarn, die besten Ofenbauer aus Portugal, die besten Gerüstbauer aus Bulgarien. Das hat sich bewährt“, sagt Nussbaum und führt uns über diverse Etagen in ein Wirrwarr aus Gerüsten und Steigleitern. Wir stehen in einer weiteren für den Laien unübersichtlichen Anlage zur Aufbereitung des Rohöls, das über eine Pipeline aus Rotterdam nach Köln kommt.

1. FC Köln auf Raffinerie von Shell

Ganz oben weht eine Flagge des 1. FC Köln, drumherum sind sieben Schornsteine, der höchste misst 174 Meter und ist damit 17 Meter höher als der Dom. Richtung IKEA stehen zwei Zelte, die Oktoberfestgröße haben. Um 13.30 Uhr, zur Mittagspause, machen sich Kolonnen an Fahrradfahrern – insgesamt stehen 4000 Drahtesel auf dem 2,5 Quadratkilometer-Areal bereit – auf den Weg in die Kantine.

Shell in Köln: 2500 Arbeiter mit Hunger

Die Jungs arbeiten hart, die haben einfach nur Hunger“, meint Kantinen-Chef Sebastian Kahlen (28) und sorgt mit seinen Leuten für reichlich Nachschub an Schnitzeln, Pommes, Bratwürsten und Salaten. Der flüssige Kraftstoff (Benzin, Diesel, Kerosin) fließt natürlich derweil weiter. Rund 80.000 Tank-Lkw fahren pro Jahr gefüllt vom Hof. Wie Shell betont, stammt jeder neunte Liter Kraftstoff, der in Deutschland getankt wird, aus der Rheinland-Raffinerie. Und jedes sechste Flugzeug, das hierzulande in die Luft steigt, hat Shell-Kraftstoff an Bord. Klar, dass das Wesselinger Shell-Werk auch dazugehört. Dort steht der große „Turnaround“ im April an. Ein neuer Fall für Nussbaum.

Frage am Rande: Warum tanken Aral-Brummis bei Shell?

Auch diverse Tankwagen von Aral oder Jet rollen täglich aus der Shell-Raffinerie. Warum das denn? Wird hier etwa fremdgezapft? Nein. Was kaum einer weiß: Die Raffinerien liefern lediglich eine Art Grundbenzin. Jeder Anbieter verfeinert dann den Kraftstoff mit einer speziellen, streng geheimen Zugabe. Shell nennt es „Dope“, Aral „Additiv“.

Diese Zugabe hat jeder Anbieter bei den Befüllungsanlagen der Raffinerien vorrätig. Wie viele Liter davon mit in den Tankcontainer fließen, auch das ist unter Verschluss. „Unsere Wagen fahren bei der Shell-Raffinerie hinein, dann bekommen die Fahrer über eine Chipkarte den Kraftstoff und das Additiv dazu in den Tank“, so Aral-Sprecher Detlef Brandenburg. „Es mischt sich also direkt beim Befüllvorgang, um den Treibstoff zu veredeln.“

Aral und Shell veredeln Benzin

Nach EXPRESS-Informationen geht es um fünf bis sechs Liter Veredelung auf 100 Liter Kraftstoff. Erst dann wird das Benzin zum Markenoriginal. Die Additive, beispielsweise bei Aral in Bochum im Labor entwickelt, sollen die Motoren perfekt sauber und in Schuss halten. Da freie Tankstellen oft nur das Standardbenzin verkaufen würden, können sie auch ein paar Cent billiger pro Liter sein, so der Aral-Sprecher.