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„Nicht nur Rum-ta-ta“Kölner Sänger ätzt gegen Cantz und Bands mit „Zuspielern“

JP_Weber

Mit der Flitsch auf der Bühne: JP Weber tritt meistens solo auf, aber auch mit Stars wie Marc Metzger oder Björn Heuser.

Köln – Geht ein Mann in eine Kölsch-Kneipe, hört zu, redet mit, merkt sich die Dialoge und macht daraus Songs. So einer ist JP (steht für Jörg Paul) Weber (44).

Am Tresen sind Titel entstanden wie „Du kriss ding Bier, wann do draan bes“ oder „Dat weißte nor, wann do dran rüchs“. So lautet auch der Titel der aktuellen CD. Seine Auftritte im Fastelovend: Sehr musikalisch, kritisch, witzig, mitreißend. 

EXPRESS traf den 44-Jährigen zum Interview.

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Herr Weber, was darf der kölsche Karneval?

JP Weber: Nehmen wir den Büttenredner Karl Küpper. Der hat von den Nazis Redeverbot bekommen, weil er auf der Bühne den rechten Arm hob und sagte: „Iss et am rääne?“ Und der ist 1953 quasi erneut mit Redeverbot belegt worden – und zwar von Konrad Adenauer. Der hatte damals den Kölner Corps-Gesellschaften zu verstehen gegeben, dass sie Karl Küpper nicht buchen sollen, weil der in seinen Reden davor gewarnt hatte, dass ehemalige Nazis wieder in der Politik das Sagen haben.

Sex-Enthüllungen! Kebekus-Bruder: „Ich habe mich beim Knattern gesehen“ (hier lesen Sie mehr).

Und heute: Wie politisch soll/muss der Karneval sein?

JP Weber: Beispiel AfD. Wenn ich sage: „Das sind alles Nazis“, dann provoziere ich von denen nur Trotz-Reaktionen. Nein, man muss es über Sprachbilder machen. Ich sage auf der Bühne: „Wat jehürt zum Kölner Karneval? Konfetti! Dat es bunt und durchenander. Und wat jitt et nit? Brung!“ Zack, das ist ein einleuchtendes Bild, und damit ist zur AfD alles gesagt.

Sie sind in diversen Shows mit den Paveiern aufgetreten ...

JP Weber: ...und die sind musikalisch das Beste, was es derzeit im Karneval gibt. Das sage ich nicht, weil ich in deren Shows dabei sein durfte. Die Jungs kann man hier an den Tisch setzen, und dann singen sie genauso wie vor Tausenden Menschen in der Lanxess-Arena – ohne einen einzigen Zuspieler, wie es die meisten anderen Bands machen.

Sie treten im traditionellen Karneval auf, bei „Loss mer singe“ und ebenso bei „Jecke Spell“. Sind Sie ein jecker Zwitter?

JP Weber: Ich bin ein Redner, der die Musik mitbringt. Ich versuche, ein Humorist oder Clown zu sein, der Emotionen weckt. Deshalb lautet mein Grundsatz: Ich muss ein Tal schaffen, damit der Berg sichtbar wird. Und Emotionen bewirke ich am ehesten über die Musik. Der nächste Punkt: Ich muss inhaltlich glaubhaft sein, also nicht nur Rum-ta-ta, sondern auch Tiefgang. Ohne despektierlich zu sein: Ich kann nicht wie Guido Cantz immer die gleichen 25 Minuten machen.

Sondern?

JP Weber: Ich muss auf die Situation reagieren. Ein Beispiel: Bei einer Herrensitzung in Hürth war vor mir der wunderbare Kollege Volker Weininger dran. Riesenapplaus. Da wäre es falsch gewesen, noch einen Wortbeitrag dranzuhängen. Also habe ich auf der Mandoline nur eigene und alte Songs gespielt – und bin auch mit stehenden Ovationen gefeiert worden.

Herrensitzung? Da denke ich eher an Witze aus der unteren Schublade und knapp bekleidete Nummerngirls.

JP Weber: Ja, das darf es auch geben. Betonung auf „auch“. Es gibt übrigens nichts Emotionaleres als angetrunkene Männer, die wollen auch weinen, man muss sie nur führen. Man darf auf der Bühne nur nicht ängstlich sein, sonst rennt man vor die Schublade. Was anderes sind Damensitzungen. Die kriege ich nicht mehr gepackt. Für die Damen bin ich mit 44 Jahren zu alt und nicht mehr Model genug. Die wollen fesche junge Kerle sehen. Damit kann ich nicht dienen.

Man nennt Sie den „Hans Süper 2.0“, weil Sie auch mit der Flitsch auftreten. Mit so einem kleinen Instrument muss man in großen Sälen umso mehr um Aufmerksamkeit buhlen, oder?

JP Weber: Im Gegenteil! Wenn einer mit einer großen Gitarre auf die Bühne kommt, denken die Leute: Aha, Musik – loss mer wigger schwade. Aber eine leise Mandoline ist das Signal: Jetzt muss ich zuhören. Übrigens: Hans Süper ist ein Freund, der mir sehr geholfen und vor 15 Jahren sogar eine Mandoline geschenkt hat, aber ich imitiere ihn nicht. 

Bei der PriPro gab es wieder mehr Wort-Beiträge. Erleben wir eine Redner-Renaissance?

JP Weber: Es gab nie eine Zeit, in der es keine guten Redner gab, es war nur immer eine Frage der Publikums-Akzeptanz. Es braucht eine schillernde Figur, die vorangeht, und andere reihen sich ein. Bei den Bands hatten wir vor acht Jahren einen Engpass. Es gab die fünf großen, aber dahinter gab es dann „Domstürmer“ oder „Klüngelköpp“, die vielleicht einen Hit hatten, aber inhaltlich weder „Fööss“, „Höhner“, „Brings“ oder „Paveier“ das Wasser reichen konnten. Doch dann kam „Kasalla“ und lieferte großartige Texte, das eröffnete eine neue Welt. Dahinter reihten sich andere ein wie „Cat Ballou“, „Miljö“ oder „Lupo“.

Aber wir sprachen eigentlich von den Rednern.

JP Weber: Richtig. Gehen wir 15 Jahre zurück. Da kam Marc Metzger nach vorne, und die anderen reihten sich ein: Jürgen Beckers, Martin Schopps, Volker Weininger oder aktuell Dave Davis. Eins ist immer richtig: Man kann Gallionsfiguren nicht machen, das Publikum trifft die Entscheidung. 

„Och, wat wor dat fröher schön doch in Colonia“ – stimmt das?

JP Weber: Nein. Wie Reinhold Louis schon sagte: Als das Lied 1925 geschrieben wurde, gab es noch offene Kanalisation in Köln, also dat wor bestimp nit schön. Allerdings: Was früher gut war, zählt schon schnell nichts mehr. Nehmen Sie „Die 3 Colonias“. Die hatten Hits wie „Es war in Königswinter“ oder „Bier un en Appelkorn“. Und heute? Vielleicht 30 Auftritte in der Session, was ich sehr schade finde, denn gute Parodie gehört zum Karneval wie Mettbrötchen oder Flönz.

Sie haben in Rodenkirchen und Deutz gewohnt, jetzt in der Altstadt. Eine kurze Beschreibung dieser Standorte?

JP Weber: Okay. Rodenkirchen: Das gallische Dorf mit großartiger Infrastruktur, mir aber zu organisiert und ordentlich. Deutz: Traumhaft schön. Man muss nur wissen, wo man wohnt. Bei mir war das Alter Mühlenweg/Ecke Severinsbrücke, also weg vom Schuss. Das war mir zu feucht und zu einsam. Jetzt wohne ich in Unter Taschenmacher: Das ist mittendrin, der Eingang zur Altstadt, im Schatten des Domes – ich genieße es sehr, wenn auch nicht alles.

Was denn nicht?

JP Weber: Wir haben einen Alter Markt, aber darauf findet kein Markt statt. Obwohl der Platz ideal wäre. Und: Es gibt in der ganzen Altstadt keinen Metzger. Dat kann doch nit wohr sin. Dennoch: Ich wohne gerne hier. Ich weiß aber nicht, ob ich von he noh Melate jonn.