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„Mein Vater nahm mich mit ins Bordell”Bekannter Kölner Arzt über sein bewegtes Leben

Peter Rosenthal

Der Arzt Peter Rosenthal auf der Venloer Straße. Er ist meist mit dem Fahrrad unterwegs, auch wenn es oft die Hölle ist, wie er sagt.

von Ayhan Demirci (ade)

Köln – Er ist am Puls der Zeit und am Puls der Menschen: Der Kölner Arzt Peter Rosenthal (60), der seit 1985 als Internist arbeitet und eine Praxis an der Venloer Straße führt, ist ein bunter Vertreter seiner Zunft.

Denn: Der Doktor dichtet gerne, hat bereits vier Bücher herausgebracht. EXPRESS traf Rosenthal zum Köln-Gespräch und begann mit einer pikanten, aber rein medizinischen Anekdote.

Herr Rosenthal, stimmt die Geschichte, dass ihr Vater Sie als Kind mit ins Bordell gebracht hat?

Alles zum Thema Ehrenfeld

Peter Rosenthal: Ja, die stimmt. Ich war mit 17 als Schüler und zukünftiger Arzt mit meinem Vater im Bordell, als Begleitung. Es war ein Hausbesuch. Mein Vater hatte eine Praxis in Ehrenfeld und war gerufen worden, weil eine Bewohnerin, also Arbeiterin im Eroscenter erkrankt war. Er sprach viele Fremdsprachen, deshalb war er damals öfter gerufen worden. Französisch war damals aktuell, weil viele Prostituierte aus der Karibik kamen.

Wie haben sie den Umzug von Rumänien nach Deutschland erlebt?

Ich war 14. Zunächst war das alles wahnsinnig fremd. Ich kann mich erinnern, dass ich am Flughafen Frankfurt erstmals eine Rolltreppe gesehen hatte.

An welchen Moment denken sie vor allem zurück?

An den ersten Schultag, an dem ich ganz anders gewirkt habe als der Mainstream. Meine Mutter hat mich mit Stoffhose und gebügeltem Hemd ausgestattet und mich geschniegelt und gestriegelt. Aber der Look damals waren Jeans und Parka. Ich habe direkt gemerkt, da bin ich noch nicht dabei …

In Ehrenfeld hört man junge Leute häufiger Englisch oder Französisch miteinander reden. Ehrenfeld, das Tor zur Welt oder auch Tor für die Welt?

Naja, hier haben wir eine Buchhandlung, die heißt Bücherwelt, ein Hotel, das Weltempfänger heißt. Wir haben eine Moschee, wir haben katholische und evangelische Kirchen, nicht weit weg in Pulheim sogar eine kleine Synagoge. Das ist nicht mehr Ehrenfeld, ist aber am Ende der Venloer Straße. Ich glaube, dass wir hier sogar mehr Tor zur Welt sind, als dass wir es glauben.

Wie spiegelt sich das in der Praxis?

Ich sage immer, in den 30 Jahren habe ich fast alle Nationalitäten behandelt, bis auf Eskimos.

Was ist ihr Eindruck vom Befinden der Menschen heutzutage?

In Ehrenfeld sieht man eine gewisse Gentrifizierung. Bestimmte Patienten kommen immer noch zu mir, die waren schon bei meinem Vater. Die sind ein bisschen in die Vorstädte geschoben, verdrängt worden. Manche sind auch gerne gegangen, andere mussten gehen, die konnten sich die Straßen nicht mehr leisten. Ich muss aber auch sagen: Niemand ist obdachlos geworden. Das Viertel hat sich einfach verändert, es ist ein In-Viertel geworden, es ist aber auch etwas übrig geblieben vom alten.

Was fehlt den Menschen zum Glück?

Rafik Shami ist ein syrischer Autor arabischer Sprache, er hat was unglaublich passendes gesagt: Deutschland ist so ein schönes Land, nur leider merken die Deutschen das nicht immer. Es gibt diese Mentalität: mal ist es zu heiß, mal zu kalt. Mal ist etwas zu wenig, mal zuviel. Und ich glaube, dass viele Flüchtlinge diesen Lebenswillen und die Begabung zum Glück mitbringen, dass man neue Wege geht, Hoffnung hat, man lernt von ihnen im Laufe des Lebens. Ich glaube aber auch, dass die hier geborenen, die sogenannten Deutschstämmigen aus Ehrenfeld, im Sinn fürs gute Leben sehr fortgeschritten sind. Nicht umsonst gibt es hier den Tag des guten Lebens.

Büdchenbild

Ein Büdchen am Ring. Man sieht sich. Das Foto stammt aus dem von Peter Rosenthal herausgegebenen Buch „Nachts nicht weit von wo“ (dort in schwarzweiß).

Wo sind ihre Berührungspunkte mit Flüchtlingen?

Ich habe zwei Jahre im Vorstand vom Kölner Appell gegen Rassismus gearbeitet, und auch durch die Arbeit als Arzt. Ich habe die Flüchtlingsströme seit 1993 erlebt, die Bosnier, später die Iraker, Jesiden.

Sie lernen auch Türkisch …

Seit zehn Jahren. Es ist sehr hart, aber ich lerne es aus purem Egoismus, das soll man gar nicht missverstehen. Ich denke nur, als Dienstleister gebe ich sehr viel für meine Patienten, das ist mein Job. Aber ich will auch was zurückhaben. Und als Sprachbewanderter denke ich: wow, das ist eine gute Gelegenheit, was anderes zu lernen. In Ehrenfeld im öffentlichen Raum gibt es viele türkische Schlagzeilen, Namen von Geschäften. Ich spreche nicht gut türkisch, aber ich kann mich ohne Dolmetscher unterhalten und ich habe auch keine Bedenken, wenn dann wären die politischer Natur, in die Türkei zu gehen.

Sie und mehrere weitere Autoren schreiben jetzt über die Nacht, empfinden Sie Köln nachts als sicher? 

Mein Schwager hat was treffendes gesagt: Was schreibst du von Sachen, die du gar nicht mehr kennst? Aber es ist eine gedachte Nacht, eine Metapher für Gefühle, die man in der Nacht hat, Assoziationen, deren Kulisse Ehrenfeld ist. Von meinem Gefühl her ist das Klima allgemein rauher geworden, als in den 70ern, 80ern, als ich hierhergekommen bin. Das hat auch damit zu tun, dass die Gesellschaft etwas mehr Druck hat, auch mit den Veränderungen in den USA. Die Sprache ist rauh geworden, agressiv, und diese Agressivität in der Politik, dieser Mangel auch an Vorbildern, die sich dieser Agressivität entgegenstellen, führt dazu, dass man Kriminalität und Agression als normal, quasi gängig beurteilt.

Die Eltern flüchteten aus Rumänien

Buchcover

Peter Rosenthal wurde 1960 in Arad (Rumänien) geboren. 1972 flohen die Eltern nach Deutschland, ließen sich in Köln nieder. Seit 1985 arbeitet Rosenthal als Internist, er übernahm die Praxis seines Vaters. 2001 erste Buchveröffentlichung („Entlang der Venloer Straße“), weitere Bücher, u.a. „Venedig ist auch nicht viel größer als Ehrenfeld“. Das letzte Buch „Nachts nicht weit von wo“ (Weissmann-Verlag) ist eine Sammlung von Nachtpoesie verschiedener Autoren mit vielen Nachtfotos von Michael Weissmann.

Peter Rosenthal wurde 1960 in Arad (Rumänien) geboren. 1972 flohen die Eltern nach Deutschland, ließen sich in Köln nieder. Seit 1985 arbeitet Rosenthal als Internist, er übernahm die Praxis seines Vaters. 2001 erste Buchveröffentlichung („Entlang der Venloer Straße“), weitere Bücher, u.a. „Venedig ist auch nicht viel größer als Ehrenfeld“. Das letzte Buch „Nachts nicht weit von wo“ (Weissmann-Verlag) ist eine Sammlung von Nachtpoesie verschiedener Autoren mit vielen Nachtfotos von Michael Weissmann.

Machen Sie eigentlich noch Hausbesuche im Bordell?

Ich mache Hausbesuche, aber ich bin ein bisschen preußischer geworden. Ins Bordell rufen sie mich nicht mehr. Obwohl ich die Fremdsprachen, die jetzt aktuell sind, kenne.

Ihre Praxis ist auf der Venloer Straße. Kriegen Sie den Verkehrsstress mit?

Absolut. Ich fahre jeden Tag mit dem Fahrrad. Ich frage: Wann wird die Venloer Straße eine Einbahnstraße? Und die Vogelsanger Straße eine andere Einbahnstraße, mit unterschiedlichen Richtungen? Es ist ganz schlimm. Die Venloer Straße wird täglich schlimmer. Mit dem Fahrrad ist es jeden Tag ein Abenteuer, die Venloer Straße zu schaffen. Ich fahre jetzt schon lieber über Melaten, um nach Hause zu kommen.

Darf man das?

Ja, man darf.

Darf man auch klingeln auf Melaten?

Also ich denke, das stört da keinen mehr.