„Ich hatte Angst vor Köln”Autorin Carla Berling überrascht mit ehrlicher Beichte

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Die Wahl-Kölnerin und Schriftstellerin Carla Berling kam zum EXPRESS-Interview mit dem Fahrrad.

Köln – Die ersten Erfolge hatte sie mit ihren Krimis um die Reporterin Ira Wittekind, die in Ostwestfalen über Leichen stolperte. Doch dann wechselte die Wahl-Kölnerin Carla Berling (60) von der Krimi- in die heitere Ecke, ließ ihre Romane in Köln mit typischen Kölnern spielen, und ihr „Der Alte muss weg“ wurde zum Hit der Urlaubsbücher-Charts.

Nächste Woche startet die nächste Runde. Dann erscheint „Klammerblues um zwölf“ (Heyne Verlag), in dem sie die Südstadt und die Südstadt-Leute beschreibt. Viele Gründe für ein Treffen mit dem EXPRESS.

Köln: Carla Berling entwickelte Männerhass beim Schreiben

EXPRESS: Sie schreiben fast nur noch heitere Romane. Warum keine Krimis mehr?

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Schriftstellerin Carla Berling im Gespräch mit EXPRESS-Reporter Horst Stellmacher.

Carla Berling: Das hat was mit meiner Fantasie zu tun. Egal, was ich schreibe, ich steige in jede Rolle rein – im Krimi bin ich dann Täter, Ermittler, Opfer. Das hat mich fertig gemacht! Besonders schlimm war es im Buch „Königstöchter“, in dem es um Kinder ging. Ich habe da einen richtigen Männerhass entwickelt, so dass mein Mann eines Tages vor mir stand, mich an die Schultern packte und sagte: „Denk doch bitte dran: Ich bin einer von den Guten!“

Autorin Carla Berling spricht über neues Buch aus Köln

EXPRESS: Ihr aktueller Bestseller „Der Alte muss weg“ hat seinen Ausgangspunkt in einem Kölner Brauhaus, in dem sich unglückliche Mitt-Fünfzigerinnen treffen und eine Ehemänner-freie Zukunft planen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

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Carla Berling: Das hat seinen Ursprung in Rodenkirchen. Ich saß in einem Café am Maternusplatz, beobachtete die Leute, hatte fünf Rodenkirchener Frauen hinter mir, die ins Quatschen geraten waren. Und eine sagte: „Boah – Mein Mann! Der nervt nur noch. Ich könnte ihn umbringen!“ War natürlich nicht ernst gemeint, doch die Idee für meinen Roman war da: Der Mann muss entsorgt werden, aber alles andere – Status, Geld und Auto – dürfte gern bleiben.

EXPRESS: Nächste Woche erscheint Ihr „Klammerblues um zwölf“. Gibt es Ähnlichkeiten mit „Der Alte muss weg“?

Carla Berling: Die einzige ist, dass er auch in Köln spielt, vor allem an der Ecke Merowinger-/Rolandstraße, am Eierplätzchen und am Chlodwigplatz. Und dass meine Hauptpersonen über 50 sind. Die Frau, um die sich alles dreht, hängt nach dem Tod ihres Mannes nur noch auf dem Sofa rum, bis eine neue Nachbarin auftaucht und die beiden eine Südstadt-WG bilden, die alles auf den Kopf stellt.

Kölner Autorin stellt Roman Schauplätze auf Youtube da

EXPRESS: Sie stellen die Schauplätze dieses Romans auch in einem Video auf Youtube vor. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Dass ist eine Folge von Corona. Ich war für 42 Lesungen gebucht, doch ich habe nur drei geschafft. Die anderen 39 wurden abgesagt. Diese Lesungen wären in diesem Jahr meine einzige Arbeit außerhalb meines Schreibzimmers gewesen. Da ich aber nicht ohne den Kontakt zu meinen Lesern sein möchte, haben mein Mann und ich einen Youtube-Kanal geschaffen, in dem wir selbstgedrehte Videos aus Köln und unserer Küche zeigen.

EXPRESS: Wenn Sie das Lesen so vermissen – schon mal an Autokinos als Lese-Bühne gedacht?

Carla Berling: Ich möchte Autos nichts vorlesen. Die lachen nicht laut genug.

EXPRESS: Sie kommen aus Bad Oeynhausen, das anders ist als Köln. War es einfach, hierher zu wechseln?

Carla Berling: Ich gebe zu, dass ich früher Angst vor Köln hatte. Wenn man aus Bad Oeynhausen kommt, ist Köln fast wie New York. Aber es war ein sehr guter Schritt. Ich war erst kurz in Bonn, habe da meinen Mann kennen gelernt, dann sind wir vor zwölf Jahren nach Köln gezogen. Jetzt möchte ich am liebsten nie wieder weg.

EXPRESS: Keine Probleme – als Ostwestfälin in der lauten deutschen Stimmungshochburg?

Carla Berling: In Bonn war es schwieriger, ich fand die Bonner komisch. Dagegen hatte und habe ich in Köln keine Probleme. Die Stadt hat mich mit offenen Armen aufgenommen, fest an sich gedrückt und nicht mehr losgelassen. Jetzt habe ich das Gefühl, ich sei schon immer hier gewesen.

EXPRESS: Was war dafür ausschlaggebend?

Carla Berling: Das lag sicher auch an dieser legendären kölschen Warmherz igkeit und Offenheit, dass hier jeder mit jedem kann. Wenn ich in früher in Ostwestfalen das „Drink doch ene met“ hörte, habe ich gedacht, dass Kölner nicht richtig ticken: Fremde Leute ansprechen und einladen – das geht doch nicht! Heute weiß ich, dass es ein kölsches Erkennungsmerkmal ist. Ich habe auch gelernt, dass es nichts Schlimmes ist, wenn man mit jemand Fremden einen tollen Abend in der Kneipe verbringt, mit ihm Freundschaft fürs Leben schließt, und ihn dann nie wieder sieht.

Autorin Carla Berling über den Kölner Karneval

EXPRESS: Imis haben manchmal Probleme, sich in den Karneval einzufinden. Wie war es bei Ihnen?

Carla Berling: Wir haben erst sieben Jahre in der Innenstadt gelebt, zwischen Zülpicher Platz und Wolkenburg. Damals habe ich Karneval immer wieder tapfer versucht, aber das, was ich erlebt habe, hat mir das sehr verleidet. Es war ein einziges Gegröhle und Komasaufen, und das hat mich abgeschreckt. In Rodenkirchen, wo wir jetzt leben, habe ich mich deswegen im Karneval erst sehr zurück genommen, bis ich die kleineren Veranstaltungen für mich entdeckt habe. Ich liebe inzwischen den Schul- und Veedelszoch in Sürth. Alles eine Nummer kleiner, dafür aber viel ursprünglicher.

EXPRESS: Für viele ist Rodenkirchen nicht „typisch Köln“. Wie sind Sie dahin gekommen?

Carla Berling: Die Innenstadt war mir zu laut und nach all den Festen, die es da gab, oft zu dreckig. Wir haben uns umgesehen, Rodenkirchen entdeckt, und ich habe gedacht: „Da will ich hin.“ Und das hat eines Tages wirklich geklappt. Rodenkirchen und Bad Oeynhausen sind sich ähnlich. Die Innenstädte sind von den 70er, 80er Jahren geprägt, und Rodenkirchen ist fast so ländlich wie Bad Oeynhausen: Ich kann ohne Probleme mit Schlappen durchs Feld gehen. Das war sowohl in Bonn als auch in der Kölner Innenstadt nicht möglich.

Autorin Carla Berling verrät ihren Lieblingsort in Köln Rodenkirchen

EXPRESS: Was ist für Sie der schönste Fleck in Rodenkirchen?

Carla Berling: Unser Balkon! Der hat den ganzen Tag Sonne, ich kann den Himmel sehen. Und da ist alles da: Wenn ich in Richtung Weiß schaue, sind da Felder und Koppeln. Wenn ich nach Sürth blicke, ist da ein kleines Dorf. Hinter mir ist Rodenkirchen, die kleine Stadt. Und dann ist Köln in der Nähe. Und irgendwo fließt der Rhein. Was will man mehr?

EXPRESS: Wie bewegen Sie sich in der Stadt?

Carla Berling: Ich bin fast nur mit dem Fahrrad unterwegs, da gibt es keine Probleme. Ich bin damit in Rodenkirchen schon am Ziel, ehe ich das Auto aus der Garage habe.

EXPRESS: Fühlen Sie sich auf dem Fahrrad gut aufgehoben in der Stadt?

Carla Berling: Kommt auf die Strecke an. Auf der Rheinuferstraße von Rodenkirchen in die Stadt ist bis zum Schokomuseum alles okay. Doch wenn ich beim Maritim bin und Richtung Heumarkt will, erleide ich manchmal fast Todesangst. Doof finde ich auch, dass es in Köln nicht genügend Parkplätze für Fahrräder gibt. Man muss die Räder immer irgendwie dazwischen quetschen, wenn man irgendwo hält, und meist stehen sie dann anderen im Weg.

Autorin Carla Berling würde Kölner Verkehr gerne ändern

EXPRESS: Wenn Sie spontan was in Köln ändern könnten – was stände ganz oben auf der Liste?

Carla Berling: Ich würde den Verkehr aus der Innenstadt raushalten, der ist nur gruselig und grausig. Und ich würde unbedingt das Stadtbild ändern. Es ist eigenartig in Köln – wenn Altes abgerissen wird, kommt was hin, was auch nicht besser ist. Das sehen wir gerade am Rudolfplatz, da sieht ein Neubau wie der andere aus. Dabei geht Architektur auch cool, das beweist uns sogar – sorry, liebe Kölner - die Landeshauptstadt. Ich weiß nicht, warum das, was architektonisch in Düsseldorf machbar ist, in Köln nicht geht. Moderne Architektur geht auch in Schön!