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„Gastro stirbt!"Corona: DEHOGA-Chefs schlagen Alarm und wollen alle Kölner beschenken

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Die DEHOGA-Chefs Christoph Becker (li.) und Lothar Jentzsch blicken in eine düstere Zukunft.

Köln – Der Corona-Horror in der Kölner Gastronomie – jetzt reden die Experten vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) Tacheles. Und was sie sagen, klingt wie ein Albtraum.

Schuldenberge an aufgelaufenen Pachten und Mieten, hohe Kosten für Hygiene und Umbauten, teure Kredite und magere Einnahmen in Restaurants und Hotels ohne absehbares Ende: Die Chefs des DEHOGA Nordrhein befürchten, dass bald jedes dritte Hotel in Köln geschlossen und jeder dritte Beschäftigte der Gastronomie arbeitslos wird! Es droht eine Welle an Arbeitslosen und Insolvenzen.

Wer sind die Experten? Christoph Becker ist Rechtsanwalt und seit 25 Jahren Geschäftsführer des DEHOGA Nordrhein, der im Kölner Raum 3.500 Betriebe, 20.000 Beschäftigte und rund 2,5 Milliarden Euro Jahresumsatz umfasst. Kölns DEHOGA-Vorsitzender ist Lothar Jentzsch, General Manager des Hotels Courtyard by Marriott am Ebertplatz. Marriott ist mit mehr als 6000 Häusern die größte Hotelgruppe der Welt.

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Christoph Becker: „Die Pachten der gastronomischen Betriebe und der Hotelbetriebe sind enorm hoch. Es kommt natürlich auf die Lage an. Eine kleine Kneipe im Veedel kostet ein paar tausend Euro im Monat. Aber ein größerer Betrieb an den Ringen zahlt mal locker 40.000 bis 50.000 Euro pro Monat an Pacht. Und Hotelbetriebe haben 100.000 bis 500.000 Euro pro Monat an Pacht, die zu leisten sind.“

Die Regierung habe zwar geregelt, dass Unternehmern, die ihre Mieten während des Lockdowns nicht bezahlen können, nicht gekündigt werden darf.

„Aber die generelle weitere Verpflichtung zur Zahlung bleibt bestehen. Hier gibt es keinen Anspruch des Pächters auf Minderung.“

Folge: Hinter den Kulissen der Lokale, die sich derzeit vielleicht über immer mehr Gäste freuen, türmen sich in Köln Millionen Euro an Schulden auf.

DEHOGA Nordrhein warnt vor Wucherzinsen bei Krediten

Auch Kredite, die zwar für ein Jahr tilgungsfrei sind, wären nur ein Tropfen auf den heißen Stein: „Ich war mit 40 Bankdirektoren aus der ganzen Region in einer Videokonferenz“, berichtet Becker. „Die mir dann erklärt haben: Nein, wir können die KfW-Kredite mit den Garantien dahinter nur dann vergeben, wenn wir die normalen Kreditvergaberichtlinien einhalten. Wir müssen die Liquidität der Betriebe genauso prüfen, wie bei jedem anderen Kredit auch. Wir können das Geld nicht einfach so verteilen.“

So hätte angeblich überhaupt nur jeder fünfte Betrieb einen Kredit bekommen. Denn auch die Perspektive, das Geld pünktlich und mit Zinsen zurückzahlen zu können, werde geprüft. Aber die sieht derzeit eben mau aus.

Becker: „Die Zinssätze sind hoch. Einer hat mal etwas von 12,5 % Sollzins gesagt. Aber im Schnitt reden wir von sieben bis acht Prozent Zinsen.“

Das Problem dabei: Die happigen Kredite müssen hauptsächlich die laufenden Kosten wie Miete und Personal decken. Da verschwindet das Geld fast so schnell wie es gekommen ist.

„Aber die Problematik kommt dann am Ende. Wenn die Gastronomen anfangen müssen, die Kredite wieder zu bedienen. Plus Zinsen und Zinseszinsen. Da frage ich mich: Wie soll das passieren?“, so Becker.

Denn während beispielsweise die Kölner Ford-Werke ihre Fiestas bauen, auf Halde stellen und dann später versilbern können, kann in der Gastronomie jedes nicht verkaufte Bett oder jeder nicht genutzte Tisch nie wieder hereingeholt werden.

Hotelier Lothar Jentzsch macht eine Horror-Rechnung auf: „Im April und Mai hatten wir komplett geschlossen. Das sind besonders auch durch die Top-Messe Drupa in Düsseldorf sehr, sehr starke Monate. Kalkuliert war eine Belegung von 90 bis 95 Prozent unserer 236 Zimmer. Aber: niemand kam, alle Zimmer sind ersatzlos weg.“

Dieser unfreiwillige Leerstand ließ rund 13.000 Buchungen sausen. Allein bei einer Zimmerrate von nur 100 Euro pro Nacht (in Messezeiten sicher viel mehr) wäre dies ein Verlust von 1,3 Millionen Euro.

Coronakrise: Kölner City-Hotel macht Millionen Euro Verluste

Christoph Becker sagt bewegt: „Den Betrieben zerrinnt jeden Tag das Geld zwischen den Fingern, weil ihnen die Kosten einfach weglaufen. Es ist eine Katastrophe! Ich mache mir große Sorgen um die gesamte Branche. Es ist kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen – und wo soll denn das Licht herkommen?“

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Nach Einschätzung der DEHOGA-Experten werden die Betriebe ihren Personalbestand wegen der Coronakrise und der Folgen nicht halten. „Es wird so kommen, dass dann Mitarbeiter aus der Gastronomie von der Kurzarbeit direkt in die Arbeitslosigkeit gehen werden. Wir rechnen rund mit einem Drittel. Wenn man von 18.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten allein in Köln ausgeht, werden wohl 6000 Menschen in der Gastronomie zum September freigesetzt.“

Ebenso bitter: Der Fachkräftemangel in der Gastronomie, über den noch vor der Coronakrise viel gesprochen wurde, ist nun gar kein Thema mehr.

Fachkräftemangel in der Gastro ist kein Thema mehr

In Köln könnte zum Winter hin, wenn auch die Außengastronomie wegfällt, ein Kneipensterben folgen. Ebenso bei den Hotels. „Wenn die Unternehmen pleite sind, müssen die Geschäftsführer Insolvenz anmelden. Denn sonst ist das Insolvenzverschleppung – und das ist strafbar.“

Auch über Karneval, den Weihnachtsmärkten, den Adventswochenenden und Silvester stehe überall ein großes Fragezeichen – und Leere in den Reservierungsbüchern.

Eine Idee des DEHOGA soll wieder Schwung in die Gastro bringen: Ein Verzehrgutschein für jeden Kölner Haushalt! Nach dem Wiener Vorbild, aus dem Haushalt der Stadt bezahlt.

„Um die Hemmschwelle zu überwinden, auszugehen. Damit alle sehen, wie gut in der Gastro die Hygienekonzepte eingehalten werden. Es ist doch schön, sich mal wieder verwöhnen zu lassen." 30 Euro dürften es nach Willen des DEHOGA schon sein – und das für 500.000 Kölner Haushalte.

„Das Geld käme direkt bei den Gastronomen an und würde ihnen spürbar helfen", so Becker. „Es ginge so um 15 Millionen Euro für den Erhalt der Gastronomie.” Zum Vergleich: Das Land NRW will den Karneval mit einem Soforthilfeprogramm mit 50 Millionen Euro unterstützen.