„Entsetzt, erschüttert“Kölner schildert Corona-Spuk in der Geisterstadt Mailand

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Dr. Stephan Grigolli auf der leeren Kreuzung in der Mailänder City.

von Markus Krücken (krue)

Mailand – Der Corona-Wahnsinn kommt zu uns. Wie sich das Leben in einer Großstadt schlagartig durch das Virus verändert, zeigt beispielhaft die italienische Metropole Mailand.

Hier geht aktuell gar nichts mehr. Das ganze Land ist Sperrgebiet und die Stadt wie ausgestorben.

Coronavirus: Kölner schildert die Zustände in Mailand

Dr. Stephan Grigolli ist Kölner und arbeitet dort. Der Vorsitzende des Deutschen Anwaltvereins Italien (DAV Italien), Rechtsanwalt & Avvocato und Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht hat in der City eine deutsch-italienischer Kanzlei und vertritt deutsche Staatsbürger in Italien.

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Für den EXPRESS schildert er – Stand Donnerstag Morgen – den Alltag in der Geisterstadt.

Mailand: die lebendige und pulsierende Wirtschaftsmetropole, Motor Italiens im Zentrum der Lombardei.

Die morgendliche Fahrradfahrt durch den Mailänder Verkehr in meine Kanzlei im Herzen der Stadt war bisher ein Spießrutenlauf, mit äußerster Vorsicht zu genießen, wenn man heil ankommen wollte. Sie gleicht in diesen Tagen einer Erholungsfahrt über leer gefegte Straßen.

Kölner in Mailand: Corona hat brutalen Einzug gehalten

Seit einigen Tagen hat Corona brutalen Einzug in Italien gehalten und hierunter leider keine andere europäische Großstadt so stark wie Mailand.

Zunächst waren nur kleinere Städte zu Sperrgebieten erklärt worden, Corona war trotz der schon besorgniserregenden Zahlen im Mailänder Alltag nicht präsent und weit weg.

Corona in Mailand: Mit einem Schlag wurde alles anders

Der Mailänder ging weiterhin seiner Arbeit nach, traf sich mit Kollegen und Freunden zum Essen im Restaurant, ging ins Fitnessstudio und schwimmen, zelebrierte seinen berühmten Aperitivo, diesen wunderbaren Mix aus Happy-Hour und Abendessen.

Mit einem Schlag wurde alles anders: erst nur die Lombardei und einige wenige Provinzen am vergangenen Sonntag Abend und dann ganz Italien am Montag wurden zur Sperrzone erklärt, mit zahlreichen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für jeden Bürger, auch für mich.

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Den allmorgendlichen Espresso in meiner Stammbar konnte ich nicht mehr an der Theke, sondern nur mehr am Tisch genießen, unter Beachtung der überall angeschlagenen Regeln wie Mindestabstand von einem Meter zu anderen Menschen, Vermeidung von Menschenansammlungen (auch im Freien) und ausreichender Reinigung der Hände.

Corona in Mailand: Soziale Kontakte sollen vermieden werden

Alle sozialen Kontakte sollen vermieden werden, der Slogan ist „io resto a casa“ (ich bleibe zu Hause), um Infektionsketten radikal zu unterbrechen. Immer weniger Menschen sind im Alltag zu sehen. Schulen, Universitäten, Museen, Theater, öffentliche Einrichtungen, Schwimmbäder und viele andere Institutionen sind geschlossen. Restaurants und Bars durften zunächst nur mehr zwischen 6 und 18 Uhr öffnen, ab heute morgen sind alle geschlossen, auch Hotels und Geschäfte landesweit.

Von A nach B, auch innerhalb der Stadt, darf ich nur mehr mit einem Formular bewegen, in dem ich einen von 3 Ausnahmegründen schriftlich versichere.

Corona in Mailand: „Die Menschen sind entsetzt und erschüttert”

Vor den Supermärkten stehen Schlangen, weil nur mehr wenige Kunden gleichzeitig eintreten dürfen. Die Menschen sind entsetzt und erschüttert über die rasanten Entwicklungen, es gibt kein anderes Gesprächsthema.

Auch mein beruflicher Alltag ist stark eingeschränkt, meine Kanzleimitarbeiter arbeiten von zuhause aus und zahlreiche Anfragen erreichen mich von deutschen Mandanten, die auch immer wieder von der (noch bestehenden) deutschen Unbekümmertheit berichten, wonach alles nicht so schlimm und von unnötiger Panikmache die Rede sei. Hier sind die Unbekümmertheit und Gelassenheit einer tiefen Nachdenklichkeit und Sorge um die eigene Gesundheit gewichen.

Corona in Mailand: Kölner gibt die Hoffnung nicht auf

Ein Licht am Ende des Tunnels ist in diesen Tagen schwer zu erkennen. Deutschland scheint das Gröbste noch vor sich zu haben, andere Länder kämpfen auch noch.

Die Hoffnung bleibt aber, dass wir hier „eines Tages, eines Tages“ nicht nur den FC im San-Siro-Stadion sehen, sondern sich die Stadt und das Land und ganz Europa wieder aufrichten.