„Eine Rolle gespielt”Kölner Sender: WDR-Chef outet sich als Frau und wird gefeiert

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WDR-Studioleiterin Georgine Kellermann hat sich mit 62 Jahren als Frau geoutet.

von Thomas Werner (tw)

Köln – Bis heute hat sie eine Rolle gespielt, zumindest in der Öffentlichkeit. Und so getan, als ob SIE ein ER wäre. Sie machte Karriere beim WDR, wurde Reporterin, Korrespondentin in Washington und Paris, Studioleiterin in Duisburg und Essen. Alles, als die Öffentlichkeit noch einen Reporter sah. Einen Korrespondenten oder einen Studioleiter.

Transgender beim WDR: Georgine Kellermann beendet das Versteckspiel

Jetzt ist das Versteckspiel vorbei. Die WDR-Journalistin Georgine Kellermann, bisher als Georg Kellermann bekannt, hat sich mit 62 Jahren öffentlich als Frau geoutet. Heute trägt sie Lippenstift, Rock und hohe Schuhe. „Ich brauchte mir nichts Neues zu kaufen - nach dem Outing. Ich habe drei Kleiderschränke, die hängen voll mit Damensachen, die ich immer dann getragen habe, wenn ich zu Hause war und in den letzten zwei, drei Jahren auch schon mal draußen. Das ist mein Stil. Das bin ich”, erklärt die 62-Jährige im WDR-Interview.

Outing beim WDR: Georgine Kellermann hatte Angst um die Karriere

Im Berufsleben dagegen waren die Frauen-Merkmale bisher tabu. Aus Selbstschutz und Angst um die Karriere, wie Kellermann verrät. „Ich hatte Sorge, dass man über mich lacht. Dass man das nicht mehr trennt - die journalistische Kompetenz und die soziale Kompetenz. Und dass alles in einen Topf geworfen wird. Ich hatte Angst, nicht mehr das machen zu können, was ich so gerne tat.”

Alles zum Thema USA

Dabei habe sie sich bereits als Kind als Mädchen gefühlt, schon in der Pubertät um ihre eigentliche Identität gewusst. Ihr Freundeskreis, ihre Familie, ihre Bekannten wussten Bescheid. „Ich hatte die Pumps an, bis ich in die Tiefgarage des Studios fuhr. Dann habe ich sie ausgezogen. Ich habe manchmal Sorge gehabt, dass ich sie vergesse. Dann bin ich arbeiten gegangen.”

Transgender beim WDR: Georgine Kellermann outet sich nach USA-Urlaub

Erst ein USA-Urlaub im September 2019 sorgte für ein Umdenken – und Kellermann brachte die Neuigkeiten zu ihrem Team, den Arbeitskollegen. „Ich habe natürlich darüber nachgedacht, dass ich denen jetzt eine Menge zumute. Und trotzdem - ich habe Reaktionen bekommen, die waren so warm. Und ich habe so manche Träne im Auge gehabt, weil ich mir das so gewünscht hatte.”

Auch im Netz, wo ihre Story seit dem Artikel des WDR vielfach geteilt wird, kriegt sie begeisterten Zuspruch. „So mutig! Trotz vieler ignoranter Stimmen, leben wir nun in einer Zeit in der jemand mit 62 noch mal von vorn anfangen kann als ihr authentisches Selbst. Einfach toll und ein Vorbild für alle”, schreibt eine begeisterte Userin bei Facebook.

Outing von WDR-Chefin: „Ich bin eine glückliche Frau geworden”

Und für Kellermann? Hat sich quasi die ganze Welt verändert.  „Das war ein wahnsinniger Kraftakt, all die Jahre diese Rolle zu spielen”, sagt sie. Aber: „Ich bin frei. Ich bin sehr viel ruhiger geworden. Ich bin eine glückliche Frau geworden. Ich habe Ballast abgeworfen, muss mir um die ganze Logistik keine Gedanken mehr machen.”