Toniebox-Erfinder aus Düsseldorf„Mit diesem Erfolg hätten wir selbst nicht gerechnet“

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Zwei Männer, eine Idee – und ein gigantischer Erfolg: Patric Faßbender (rechts) und Marcus Stahl.

Düsseldorf – Ihre Idee klingt simpel, hat in den Kinderzimmern der Republik aber einen wahren Audio-Boom ausgelöst. Eine kleine Lautsprecherbox, die Musik oder Hörspiele abspielt, wenn eine Figur auf ihr abgestellt wird.

Mit EXPRESS haben die beiden Gründer über ihre Visionen und ihre eigene Lieblings-Figuren gesprochen.

Ist die Weihnachtszeit eigentlich die beste oder die stressigste Phase im Jahr?

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Faßbender: Wir reden eigentlich nicht von Stress – eher von einer Wundertüte. Vor allem freut man sich, wenn man merkt, dass das Produkt gut ankommt.

Letztes Jahr zur Weihnachtszeit gab es viel Wirbel um akute Lieferengpässe. Sie kamen mit der Produktion gar nicht mehr hinterher. Woran lag das?

Faßbender: Man muss im Juni schon entscheiden, wie viele Boxen man verkaufen möchte. Und auch die Finanzierung muss vorher stehen, sonst geht nicht viel. Außerdem sind in den Boxen selbst rund 200 unterschiedliche Komponenten verbaut, die überall in der Welt hergestellt werden. Die Hülle und der Stoff kommen beispielsweise aus Deutschland, die Elektronik kommt aus China und vernäht wird in Tunesien. Die Lieferkette ist lang, sodass wir schon im Sommer für das Weihnachtsgeschäft produzieren müssen.

Das heißt, wenn Sie merken, dass es zur Weihnachtszeit eng wird, können Sie nicht mehr viel machen?

Faßbender: Man kann kleine Stellschrauben drehen, beispielsweise die Verfrachtung auf den Luftweg ändern. Aber das ist kostenintensiver. Also war die Toniebox schlichtweg deutlich erfolgreicher, als sie kalkuliert hatten?

Stahl: Weihnachten 2016 war unser erstes Quartal, da haben wir schon rund 30 000 Startersets verkauft. Dass wir dann im vergangenen Jahr 150.000 Boxen verkaufen würden, damit hätten wir in den kühnsten Träumen nicht gerechnet.Und für das aktuelle Jahr reden wir fast noch einmal von einer Vervierfachung der Zahlen.

Also 600 000 Boxen in 2018?

Stahl: Wahnsinn, oder? Wir sind schon Optimisten – aber so optimistisch waren wir dann doch nicht.

Gerade im letzten Jahr boomte der Schwarzmarkt-Handel mit den Boxen. Können Sie verstehen, dass viele Eltern gefrustet waren?

Faßbender: Absolut, wenn man etwas nicht bekommt, was man gerne haben möchte, ist man hinterher sauer. Aber das lag nicht an uns, wir haben den Markt nicht künstlich verknappt, so ist es nicht. Aber wir haben darauf gelernt und in diesem Jahr genug Boxen für alle.

Wie viele unterschiedliche Tonie-Figuren gibt es?

Stahl: Zu Beginn konnten wir 25 Tonträger-Figuren anbieten, jetzt sind es bereits 140.

Wie kam es zur Idee, eine ausgepolsterte Box zu bauen, aus der Lieder oder Hörspiele kommen?

Faßbender: Ich habe selbst Kinder, die zur Zeit meiner Idee drei und fünf Jahre alt waren. Meine Frau und ich waren es leid, immer wieder kaputte CDs in der Wohnung zu haben. Die Dinger sind einfach schnell zerkratzt. Ich habe dann im Netz nach einer Alternative gesucht – und nichts gefunden. In einem Anfall von Naivität und Wahnsinn habe ich mich dann daran gemacht, selbst etwas zu erfinden. Der Hauptfokus lag aber jederzeit darauf, dass es wirklich etwas komplett Neues ist, dass Kinder problemfrei selbst bedienen können – und das einen gute Haptik hat.

Wie haben Sie als Zweier-Team zueinander gefunden?

Faßbender: Die Kinder von Marcus und mir sind in den gleichen Kindergarten gegangen sind. Er hat einen Ingenieur-Hintergrund und ich selbst komme aus einer Agentur. Also die beiden Komponenten, die sich für unsere Boxen optimal ergänzt haben.

Stahl: Das war Ende 2013. Wir haben dann unsere alten Jobs gekündigt und alles in die Entwicklung gesteckt.

Gibt es bei den Tonieboxen eigentlich irgendetwas, das nicht auf eine spezielle Funktion hin perfekt ausgetüftelt ist? Das große „Ohr“ der Box macht lauter, das kleine leiser. Wenn man an den Seiten auf die Box schlägt, wird ein Kapitel übersprungen.

Faßbender: Jedes Teil hat seine Berechtigung. Auch die Figuren, auf denen die Tonträger sind, können ohne Probleme mit an den Strand oder in die Badewanne genommen werden. Es sind halt Spielfiguren. Und die Box kann gerne auch mal vom Bett fallen, das ist kein Problem.

Wie wichtig ist denn Düsseldorf für Ihr Unternehmen als Standort?

Faßbender: Für uns gibt es keinen besseren Standort. Wir leben viel von Netzwerk-Arbeit und sind hier verdrahtet. Dadurch hatten wir den „Luxus“, dass wir nicht in hippen Metropolen wie Berlin herumsuchen mussten.

Sie reden viel vom Team. Wie viele Mitarbeiter sind in Ihrem Unternehmen mittlerweile beschäftigt.

Faßbender: Wir sind 90 Leute inzwischen und das an vier Standorten. Zwei davon hier in Düsseldorf, eine in Schwäbisch-Gmünd. Dort sitzen die Leute, die die Figuren designen und sich damit beschäftigen. Und da wir vorhaben, auch in den internationalen Markt zu gehen, haben wir jetzt auch in England ein Büro.

Wie kommen Sie eigentlich an die Rechte für die Hörspiele und die Musik

Stahl: Zu Beginn sind wir durch ganz Deutschland gefahren und haben um Lizenzen geworben. Oettinger, Carlsen – die klassischen Kinderbuch-Verlage. Ab der Buchmesse 2016 hat sich das Blatt aber gewendet. Allen war klar, dass das Produkt durch die Decke geht. Inzwischen sind wir aber so weit, dass wir so viele unverlangte Einsendungen bekommen, dass wir kaum hinterherkommen, uns die Dinge anzuhören.

Haben Sie Lieblings-Tonies?

Faßbender: Wir sind beide von Beginn an mit großem Schwerpunkt den Geschichten von Ottfried Preußler nachgegangen: Räuber Hotzenplotz, das kleine Gespenst, der kleine Wassermann. Aber auch Jim Knopf war ein großer Traum – der wird Anfang kommenden Jahres kommen.

Was für Kinder funktioniert, kann ja auch für Erwachsene funktionieren. Die Podcast-Szene boomt Wäre das nicht auch denkbar?

Faßbender: Wir haben uns bewusst im Kinderzimmer positioniert. Alles andere ist vielleicht perspektivisch interessant. Jetzt steht erst einmal die Internationalisierung an.