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Düsseldorfer Experte erklärtFrau sieht mein Phantombild und klettert unter den Tisch

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Ingo von Westphal ist Phantombildzeichner beim Landeskriminalamt NRW.

Düsseldorf – Gehen Sie mal einen Moment in sich. Könnten Sie Ihren Partner beschreiben? Seine Ohrenform? Die Augenbrauen? Die Wangenpartie?

Wenn Sie jetzt schon bei einem nahestehenden Menschen genau überlegen müssen, wie geht es dann erst Opfern eines Verbrechens, die den Täter beschreiben müssen...?

Da ist das Geschick eines Phantomzeichners gefragt.

Die Kunst des Phantombildzeichnens

Vergewaltiger, Brandstifter, Räuber – wann immer ein Täter gesehen wurde, greift Kriminalhauptkommissar Ingo von Westphal (54) oder einer seiner Kollegen vom Landeskriminalamt NRW zu Stift und Tablet und erstellt ein Phantombild.

Ein Job, der weitaus mehr erfordert als zeichnerisches Talent.

„Es ist ja nur ein Versuch“, beruhigt von Westphal Opfer. Der Mann mit dem grauen Dreitagebart, der warmen Stimme und den grau-blauen Augen strahlt Ruhe und Verständnis aus.

Mehr als nur zeichnen

„Natürlich müssen wir unser Handwerk beherrschen und zeichnen können“, sagt er. „Aber die Empathiefähigkeit ist in diesem Beruf am wichtigsten.“

Schließlich sind viele Opfer noch traumatisiert, müssen ganz vorsichtig an den Moment der Tat zurückgeführt werden. Rund 400 Phantombilder erstellen die Zeichner des LKA pro Jahr.

Buch als Hilfestellung

In den 60ern arbeiteten Phantomzeichner mit einem Buch, in dem Hunderte von Frisuren, Schnäuzern oder Lippenformen aufgelistet waren.

Die wurden dann mit einer Schiebetafel zu einem Gesicht geformt. „Da es noch keinen Computer gab, um Bilder zu mailen, konnte man den Kollegen in Hamburg dann telefonisch die Eckdaten durchgeben. Nase E 38, Frisur F 52“, schmunzelt von Westphal.

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Heute werden einzelne Gesichtspartien am Computer wie ein Puzzle zusammengefügt.

Heute präsentiert er den Opfern aus einem Portfolio von rund 4000 gespeicherten, frei gezeichneten Gesichtern eine Auswahl, passend zu Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit – das alles eruiert er im Vorgespräch.

Wie ein Puzzel

„Die Feinabstimmung fällt den Menschen leichter, wenn sie schon eine ungefähre Gesichtsform haben.“ Dann beginnt das Puzzle.

Der Zeichner schiebt mit dem Bildbearbeitungsprogramm Photoshop diverse Mund- und Nasenformen übers Tablet, stimmt Hautton und Frisur ab.

Warum Schwarz-Weiß?

Die meisten Phantombilder werden übrigens nach wie vor in Schwarz-Weiß veröffentlicht – aus gutem Grund.

„Nehmen wir die Augenfarbe: Viele erinnern sich, ob sie hell oder dunkel, aber nicht, ob sie hellblau oder grün war – da verfälscht ein Farbbild das Ergebnis.“

Meist dauert es anderthalb bis zwei Stunden, bis das Opfer mit dem Kopf nickt. „Ja, so sah der aus.“

Heftige Reaktionen der Opfer

Manchmal fallen die Reaktionen aber auch weitaus heftiger aus. „Eine Frau ist beim Anblick ihres Peinigers unter den Tisch gekrochen und wollte nicht mehr hervorkommen“, erinnert sich der Hauptkommissar.

„Eine andere spuckte voller Verachtung aufs Bild des Täters, also auf mein Tablet.“ Es kann aber auch vorkommen – wenn die Erinnerung zu schwach ist – dass kein Bild in die interne oder Öffentlichkeitsfahndung gelangt.

Medien können zusätzlich helfen

Oder das Gegenteil: Das Medienecho ist so groß, dass der Täter sich stellt. Von Westphal erinnert sich an einen Fall in Leverkusen.

„Eine Frau hatte ein Baby aus dem Krankenhaus entführt. Ihr Phantomfoto wurde überall gezeigt, selbst im Fußballstadion auf der Leinwand. Der Druck war zu groß.“

Bergheim: Mord aufgeklärt

Das Aufgabengebiet der Phantomzeichner – NRW beschäftigt beim LKA gerade mal eine Handvoll – ist noch vielfältiger.

Oft müssen die Zeichner Leichenfotos aufbereiten. Wie etwa bei einer zerstückelten Leiche, die vor zehn Jahren in der Maas trieb.

Das Gesicht konnte rekonstruiert werden, wurde jetzt bei „Aktenzeichen XY...“ gezeigt. Prompt ging ein Hinweis ein. Am Donnerstag klickten bei der Ehefrau des toten Bergheimers die Handschellen...

„Die objektivsten Zeugen sind Kinder“

Genau 20 Jahre arbeitet Ingo von Westphal mittlerweile als Phantomzeichner beim LKA in Düsseldorf. Da sind ihm einige interessante Dinge aufgefallen...

Frauen verwenden bei ihren Beschreibungen andere Worte als Männer. „Strahlende Augen“, „ungepflegte Erscheinung“, „unsympathischer Typ“ zum Beispiel.

Am objektivsten sind Kinder, weil denen noch die Lebenserfahrung fehlt. Sie beschreiben einfach nur das, was sie vor sich gesehen haben – ohne zu werten.

Auf Ohren achtet man am wenigsten. Es sei denn, sie haben eine ganz ungewöhnliche Form.

Freunde und Prominente als „Vorbilder“

Manche versuchen sich der Person über Gesichter im Freundeskreis oder von Prominenten zu nähern.

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Da hat sich das Opfer von Nicolas Cage inspirieren lassen. 

Erst kürzlich wurde in Niedersachsen quasi eine Kopie des Schauspielers „Nicolas Cage“ zur Fahndung ausgeschrieben.

Die klassische Verbrechervisage gibt es nicht. Klar, dass die meisten eher mit ernstem Gesichtsausdruck in Erinnerung bleiben.

„Ich musste aber auch mal ein Phantomfoto von einem Mann zeichnen, der während der Tat nur gelacht hat. Und was soll ich sagen: Das tat er auch noch bei seiner Vernehmung“, so von Westphal.