Versuchter EhrenmordTumulte in Bonner Gericht bei der Urteilsverkündung

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Die Angeklagten vor dem Bonner Schwurgericht 

Bonn/Meckenheim – Es war ein einziger wütender Aufschrei, als das Urteil gestern verkündet wurde: Junge Mädchen verließen mit dicken Tränen in den Augen den Schwurgerichtssaal, andere mussten getröstet werden, einer schrie: „Das ist ungerecht!“ Kammervorsitzender Klaus Reinhoff musste eine kurze Pause einlegen. Zu aufgebracht waren Angehörige und Freunde der angeklagten türkischen Familie über die Entscheidung im Namen des Volkes: Achteinhalb Jahre Haft für den 45-jährigen Vater, jeweils siebeneinhalb Jahre für seine beiden 28 und 26 Jahre alten Söhne, wegen gemeinschaftlichen, heimtückischen versuchten Mordes aus niedrigen Beweggründen.

Versuchter Ehrenmord: Angeklagte in Bonn fühlten sich bis zum Schluss im Recht

Bis zum Schluss konnten die drei Angeklagten nicht glauben, dass sie wirklich etwas Unrechtes getan hatten: Denn sie fühlten sich in „der Ehre und dem Ansehen der Familie beschmutzt“ – und hätten alles Recht der Welt gehabt, das zu ahnden. Tatsächlich jedoch abgestraft hätten sie, so der Kammervorsitzende, „das Natürlichste auf der Welt: Dass zwei Menschen, die sich mögen, zärtlich zueinander sind.“ Die Angeklagten hätten „das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des jungen Paares, das nichts Verbotenes getan hat, mit Füßen getreten.“ Das stünde, so Reinhoff, „auf tiefster, allertiefster Stufe.“ 

Versuchter Ehrenmord: So kaltblütig attackierten die Angeklagten in Meckenheim ihre Opfer

In der Nacht zum 20. Juni 2019 hatten die Angeklagten den 19-jährigen Freund der Tochter mit einem schweren Radkreuzschüssel fast totgeprügelt, weil er die 17-jährigen Tochter/Schwester „sexuell angegangen“ habe. Bei dem Rache-Angriff sei das Trio arbeitsteilig und heimtückisch vorgegangen: Das Paar, das im Auto auf einem „dunklen Parkplatz schmuste, hatte nachts um drei Uhr mit nichts Bösem gerechnet.“ 

Stattdessen wurde die Beifahrerscheibe mit dem Radschlüssel eingeschlagen, die schreiende Tochter aus dem Auto gezerrt und ihrem Freund sieben Mal auf Kopf und Schädel eingeschlagen, anschließend hatten die beiden Söhne den 19-Jährigen noch mit Schuhen getreten, ihm sein Handy abgenommen und Fotos von dem Schwerverletzten und der leicht bekleideten Schwester gemacht, um diese schadenfroh dem Vater des „Bösewichts“ zu schicken.

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Versuchter Ehrenmord: Bonner Richter findet klare Worte

„Das Erschreckende", so der Kammervorsitzende, „es war ihnen völlig egal, was mit dem jungen Mann passiert.“ Als die Polizei kam, fanden sie den 19-Jährigen blutüberströmt mit offener Schädeldecke und herausgeschlagenen Zähnen vor.

Der Vater hatte im Prozess die Schläge eingeräumt, er sei in Panik geraten, als er seine halbnackte Tochter auf dem Schoss des Freundes gesehen habe; er habe geglaubt, sie sei vergewaltigt worden. Die Tochter jedoch hatte verzweifelt geschworen, dass nichts Unehrenhaftes passiert ist, er hätte es ihr glauben sollen. Die beiden Söhne hatten ihre Unschuld beteuert, sie hätten sich an den Misshandlungen nicht beteiligt. „Das“, so der Kammervorsitzende, „glaubt ihnen keiner.“

Versuchter Ehrenmord: Verteidiger in Bonn kündigen Revision an

Ein junger Schüler, auf dem Heimweg von einer Party, hatte in der Nacht das Schreien gehört und die Polizei informiert. Reinhoff: „Man möchte sich nicht vorstellen, was geschehen wäre, wenn es diesen Zeugen nicht gegeben hätte.“

„Ein gerechtes, angemessenes Urteil“, kommentierte anschließend der Rechtsanwalt des 19-Jährigen Nebenklägers, der gestern auch im Gerichtsaal war. Er sei „dankbar für die klaren und eindeutigen Worte“. Die Verteidiger hingegen haben angekündigt, Revision gegen die Urteile einzulegen. (ucs)