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Travestiekünstler Curt DelanderDie Bonner „Königin der Schwulen“ verehrt den Papst

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Die Kunst der Verwandlung: Travestie-Künstler Curt Delander in seiner Paraderolle Zarah Leander, hier bei seinem Auftritt in St. Helena 2014.

Bonn – Der Bonner Travestie-Künstler Curt Delander hat zwei sehr unterschiedliche Idole: Sängerin Zarah Leander, das deutet schon sein Künstlername an, und Papst Franziskus.

Dass ihn die Schwedin mit dem feuerroten Haar, die „Königin der Schwulen“ - wie Delander sie nennt - faszinierte, ist keine große Überraschung. Aber wie kommt ein schwuler Travestie-Künstler dazu, den Papst zu verehren? Das hat auch mit der Kunst der Verwandlung von den 1970ern bis heute zu tun, über die EXPRESS mit Delander zu seinem 50-jährigen Bühnenjubiläum gesprochen hat.

50 Jahre Curt Delander: „Mach' doch mal die Zarah!“

„Mach' doch mal die Zarah!“ Diese Aufforderung lockte Delander vor 50 Jahren auf die Bühne der „Blockhütte“ in der Josefstraße. „Das war damals der einzige schwule Laden in Bonn“, sagt Delander.

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Am 4. Juli feiert Delander sein Bühnenjubiläum mit 100 Leuten im Frauenmuseum. Wie beim ersten Mal wird Delander als Zarah auftreten.

Delanders Bühnen-Start in den verklemmten 1970ern

Delander wurde die Leidenschaft für Musik und Stars in die Wiege gelegt. Seine Mutter war Tänzerin, sein Vater Opernsänger. Nach einer Ausbildung zum Schaufensterdekorateur startete Delanders Show-Karriere in den 1970ern: „Alles war verboten, verklemmt. Travestie? Wer kannte das schon?“

Mit zwei Freunden und einem kleinen Renault tourte Delander durch Deutschland, Österreich und die Schweiz von einer Diskothek zur nächsten.

Die „Crazy-Boys“ parodierten Marilyn Monroe oder Edith Piaf und fielen auf. „So dolle wie wir hat sich damals keine Frau geschminkt. Das hat den Jungs gefallen“, lacht Delander.

In Österreich erlebte er damals noch die krasseste Diskriminierung. „Wir wurden mehr wie Tiere im Zoo bestaunt“, berichtet Delander. „Wir durften uns nicht die Brüste ausstopfen und mussten uns nach der Show öffentlich demaskieren.“

Delander verwandelt sich, ohne sich als Frau zu fühlen

Die Demaskierung nach dem Auftritt ist für Delander mittlerweile ein ganz besonderer Moment: „Ich schminke mich in der Garderobe ab, stehe dann später am Buffet oder sonst wo und höre wie jemand auf mich zeigt und fragt: Wer ist das? Das ist mein Triumph!“ Für Delander ist Travestie die Kunst der Verwandlung, ohne sich dabei als Frau fühlen zu müssen. „Transsexuelle Neigungen hatte ich nie.“

Zur Verwandlung in Zarah Leander gehört eine perfekte Präsentation: ein Bühnenoutfit oder eine Kopie des Originals in Delanders Größe, die Songs, Gestik und Mimik, falsche Zähne, eine Perücke, falsche Wimpern und ganz viel Make-up.

Schließlich kennen und kannten ein paar der Leute im Publikum die echten Stars noch. Gut, dass Delander seinem Idol jahrelang als Groupie auf Tourneen folgte.

Bonner Künstler spendete Bühnenkleider Stadtmuseum

Gemeinsam mit seinen Eltern und alleine sammelte Delander die schillernden Bühnenoutfits von Stars wie Marika Rökk und Johannes Heesters bis hin zu kleinen Andenken wie Zarah Leanders Flachmann. Einen Großteil der Sammlung spendete er später dem Stadtmuseum. 

Delander bekam viel Unterstützung von seinen Eltern. Jedes Wochenende war seine Mutter bei seiner Kleinkunstbühne „Zarah L.“ in der Maxstraße zu Gast, die er 13 Jahre betrieb.

Delander fühlte sich nie ausgegrenzt: „Ich habe nie gelitten“

„Wissen Sie was Toleranz ist? Das habe ich dann immer gefragt und gesagt: Da sitzt meine Mutter und applaudiert ihrem schwulen Sohn.“ Vor seinem Coming-Out habe sie wahrscheinlich nicht mal das Wort schwul gekannt. Und sein erster Freund Alfred, ein Pianist, begleitete Delanders Vater auf dem Klavier.

Delander hat sich nie ausgegrenzt gefühlt. „Ich fühle mich in diesem Land sauwohl. Es gibt so viel Akzeptanz. Es wurde so viel erreicht mit der Eheschließung. Ich habe nie gelitten“, sagt Delander dankbar. Aber in seinem Umfeld erlebte er auch andere Schicksale.

Travestie-Künstler setzt sich für Bonner Hospiz-Verein ein

Die Mutter eines Freundes in Bonn schämte sich für ihren Aids-kranken Sohn. Delander kümmerte sich um seinen Kumpel und engagiert sich seit 1992 für den Hospiz-Verein „Bonn Lighthouse “.

Sein Manager wollte ihn erst davon abhalten: Die Arbeit mit Aids-Kranken sei schlecht fürs Image. „Damals glaubte man noch, man könnte sich durchs Händeschütteln anstecken“, erinnert sich Delander.

In den letzten Jahren arbeitete Delander viel mit dem Frauenmuseum zusammen. Leiterin Marianne Pitzen ist seit 30 Jahren eine wichtige Freundin und Mitstreiterin in Sachen Erinnerungskultur.

Für Delanders kulturelles und soziales Engagement wurde ihm 2014 sogar das Bundesverdienstkreuz verliehen. Er kämpfte - erfolglos - für den Erhalt des Bonner Film-Theaters Metropol, in dem er Zarah Leander mit 13 Jahren zum ersten Mal gesehen hatte. Und er suchte als Hobby-Archäologe vor dem Bau der Rheinlogen an der Rheingasse das Haus seiner Oma.

„Ich hatte 50 Jahre nichts mit der Kirche zu tun - mit Gott schon, aber mir taugte das Bodenpersonal nicht.“ 2014 traf Delander den Pastor Peter Adolf der Gemeinde St. Petrus, und alles war anders: „Der war so aufgeschlossen, so liebevoll. Da kriege ich jetzt noch Gänsehaut.“

Eine Sensation: Travestie-Auftritt in Kirchengemeinden

„Für mich ist heute ein Wunder geschehen“, sang Delander als Zarah noch im selben Jahr im Kulturraum Sankt Helena in der Bornheimer Straße. Im September soll Delander auch in einer Villicher Gemeinde auftreten.

In seiner Gemeinde St. Petrus fühlt sich Delander sichtlich wohl. Er teilt dort die Kommunion aus und leitet Wort-Gottes-Feiern, bei denen er statt Zarahs Glitzerfummel eine Albe trägt, eine weiße Tunika. Seinen 70. Geburtstag feierte er im Pfarrsaal.

Delanders Kirchen-Versöhnung: „Ich will zeigen, dass es anders geht.“

Im „Zarah L.“ parodierte Delander noch Papst Johannes Paul II., heute verehrt er Papst Franziskus, der sich als erstes katholisches Kirchenoberhaupt für Homosexuelle eingesetzt hat. 

Der Künstler versucht auch, bei schwulen Freunden das Image der Kirche aufzubessern. „Ich will nicht missionieren, ich will zeigen, dass es anders geht.“

Show und Schminke vermisst Delander kaum. Im Frauenmuseum und in seiner Gemeinde hat er eine neue Bühne gefunden: ab und zu noch als Zarah, meistens aber als er selbst.