Sugar-Daddy-Prozess in BonnKronzeugin (31) in Psycho-Klinik eingeliefert

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Der sogenannte Sugar-Daddy-Prozess wurde am Dienstag ausgesetzt, weil die Kronzeugin nicht kommen konnte. 

von Iris Klingelhöfer (iri)

Bonn – Am Dienstag sollte der sogenannte Sugar-Daddy-Prozess vor dem Landgericht weitergehen. Der Verhandlungstag wurde ausgesetzt: Die Kronzeugin sei erkrankt, hieß es offiziell. EXPRESS erfuhr jedoch: Die 31-jährige Angeklagte soll in einer Psycho-Klinik untergebracht worden sein.  

Dort soll sie voraussichtlich bis zum 27. Januar bleiben. Wo sich die Klinik befindet, wurde nicht bekannt. Denn die 31-Jährige muss um ihr Leben fürchten, befindet sich im Zeugenschutzprogramm. Es ist davon auszugehen, dass sie auch am Krankenbett bewacht wird. Am 28. soll der Prozess weitergehen. So zumindest die Planung. 

„Die Angeklagte hat sich in ihrem Lügengeflecht verrannt. Ich glaube ihr gar nichts mehr“, erklärte Michael Hakner, einer der Verteidiger der beiden Mitangeklagten. 

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Sugar-Daddy-Prozess in Bonn: Kronzeuge hat Mitangeklagten schwer belastet

Die Kronzeugin hatte ihre mutmaßlichen Komplizen schwer belastet. Doch bereits bei ihrer Aussage letzte Woche hatte sich die 31-Jährige in Widersprüche verwickelt und sich durch konkrete Nachfragen der Richterin in die Enge getrieben gefühlt. Nach fast vier Stunden Befragung hatte sie genug. „Ich habe im Moment mein Limit erreicht“, erklärte sie und verweigerte eine weitere Befragung. 

Zunächst hieß es sogar, dass sie gar nichts mehr sagen wolle. Später erklärte ihre Verteidigerin, ihre Mandantin werde weitere Fragen beantworten, aber nur von ihrem Anklageplatz aus: geschützt in einem Glaskasten, zwischen zwei Panzerglasscheiben.

Sugar-Daddy-Prozess in Bonn: Zwei bewaffnete LKW-Beamte postierten sich hinter Zeugenstuhl

Den Glaskasten, der zu ihrem Schutz im Saal 0.15 aufgebaut worden war, hatte die Frau vor einer Woche nur zögernd verlassen und auf dem Zeugenstuhl Platz genommen. Neben sie setzten sich ihre beiden Verteidiger, dahinter postierten sich zwei Beamte des Landeskriminalamts (LKA), die Waffen nur schlecht unter Hemd und Jacke verborgen. Weitere Polizisten und Justizwachtmeister hielten sich im Hintergrund auf.

Grund: Die 31-jährige Frau wurde zu ihrer Sicherheit ins Zeugenschutzprogramm des LKA aufgenommen, weil sie bereit ist, gegen ihre beiden Mitangeklagten auszusagen. Die drei sollen, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, von einem Geschäftsmann (50) aus dem Sauerland 1,6 Millionen erpresst haben.

Bonner „Sugar-Daddy-Prozess“: Kronzeugin schildert Kontaktaufnahme mit dem solventen Geschäftsmann

Im Jahre 2014, erzählte die Kronzeugin, in der Aussage gelegentlich ausweichend und unkonkret, habe sie den Unternehmer über eine sogenannte „Sugar Daddy“-Plattform kennengelernt, auf der ältere Herren („Sugar Daddy“) Kontakt zu jüngeren Frauen („Sugar Baby“) suchen, die sie in der Regel für Sex bezahlen. Die beiden schrieben sich anfangs, dabei soll er wohl, was sein Aussehen anging, „nicht die Wahrheit“ gesagt haben, wie sie beim ersten Treffen in einem Kölner Hotel feststellte: Er war offenbar kein Adonis.

Er gab ihr für eine erste Dienstleistung 1200 Euro, dann wurde eine Vereinbarung geschlossen, nach der er ihr 200 bis 300 Euro pro Monat zukommen lassen sollte: „Für ihn war das wenig“.

Bonner „Sugar-Daddy-Prozess“: kompromittierendes Foto mit Schweinemaske aufgetaucht

„Sugar Daddy“ sorgte dafür, dass „Sugar Baby“ ihre kleine Wohnung oberhalb einer Disco in der Bonner City verließ und in eine größere nebenan zog, später mietete er ihr eine Unterkunft in Troisdorf, kaufte die Möbel. Sie trafen sich mindestens einmal in der Woche, mal bei ihr, oft in Luxushotels in Köln oder Düsseldorf. „Er hatte sehr viele Wünsche“, und sie habe für Geld „Sachen machen müssen, die ich sonst nicht mache“. In den Gerichtsakten gibt es ein Foto, das den Liebhaber in Schweinemaske und mit Hundeleine zeigen soll. Das kompromittierende Bild hatte sie mit ihrem Handy gemacht, auch er fotografierte sie nackt.

Noch während die Geschäftsbeziehung mit dem Unternehmer lief, traf die Gespielin im März 2015 auf dem Bertha-von-Suttner-Platz den mitangeklagten 27-Jährigen, der sie jetzt bei der Aussage von seinem Platz aus grinsend fixierte. „Ich war verliebt“, erinnerte sie sich, sie hätten „zwei bis drei intensive Wochen“ verbracht. Auf die Frage, was er mache, habe er geantwortet, „ein bisschen Türsteherei“ und von seiner Fußballkarriere erzählt. Später habe sie erfahren, dass er Zuhälter war.

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Bonner „Sugar-Daddy-Prozess“: Opfer war für Betrügerbande ein „Jackpot“

Er und sein Kumpel, der dritte, 36 Jahre alte Angeklagte, fanden schließlich auf ihrem Handy den Chatverkehr mit „Sugar Daddy“. Ein Blick ins Internet zeigte ihnen, wer der Liebhaber war, ein solventer Unternehmer. Die Zeugin: „Ein Jackpot, was ich da für einen Mann am Start hatte“, soll der 27-Jährige gesagt haben und dann sollen die Idee entstanden sein, die Geldquelle abzuschöpfen. Dafür gaukelten sie ihm nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vor, dass „Sugar Baby“ von einer Rockerbande festgehalten werde und drohten, ihr einen Finger abzuschneiden, wenn er nicht zahle. Er folgte. Zuerst waren es 80.000 Euro, dann 150.000 Euro, dann 250.000 Euro.

Sie nahm das Geld in Empfang, mal im Briefumschlag, mal in einer schwarzen Banktasche, und soll es an die beiden Männer übergeben haben. Die genaue Summe will sie nicht gekannt haben. Später überwies das Opfer monatlich 3000 bis 4000 Euro auf ihr Konto, die sie in Luxusartikel umgesetzt haben soll.

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Bonner „Sugar-Daddy-Prozess“: Kronzeugin wurde vier Stunden lang befragt

„Warum haben Sie mitgemacht?“, wollte die Richterin wissen. „Ich habe irgendwann nur noch funktioniert“, so die Zeugin. Sie habe vor allem Angst um ihre Familie gehabt, Angst auch davor, dass Vater und Mutter erführen, dass sie als Prostituierte unter anderem in Clubs in der Schweiz gearbeitet habe und es Nacktbilder von ihr gebe. (ucs, iri)