Siegauen-VergewaltigungDas Protokoll der Horror-Nacht

Polizisten durchkämmen das Gebiet in der Siegaue, in dem eine Frau vergewaltigt wurde.

Polizisten durchkämmen das Gebiet in der Siegaue, in dem eine Frau vergewaltigt wurde.

Bonn – Der Fall sorgte für bundesweites Aufsehen: Ein Mann vergewaltigte in der Bonner Siegaue eine junge Frau vor den Augen ihres Freundes. Bis heute ist unklar, was sich in jener Aprilnacht tatsächlich abspielte – anhand von Recherchen und Vernehmungsprotokollen rekonstruiert unsere Redaktion den Tatablauf.

Hier lesen: Todesdrohungen und Brandstiftung: Siegauen-Vergewaltiger dreht durch im Kölner Knast 

Genaue Schilderung der Tat

Am kommenden Montag beginnt vor dem Bonner Landgericht der Prozess gegen den 31-jährigen Asylbewerber Eric X. Bis heute ist nicht klar, was sich in jener schrecklichen Nacht tatsächlich abgespielt hat. Anhand umfangreicher Recherchen und Einsicht in Protokolle kann unsere Redaktion den Tatablauf genau schildern.

Alles zum Thema Polizeimeldungen

Das Geschehen nahm kurz nach Mitternacht seinen Lauf: Das Studentenpaar wollte sich bald schlafen legen, als von draußen eine Stimme zu hören war. Plötzlich fuhr ein Messer, ähnlich einer Machete,  durch die Zeltwand, ein großer farbiger Mann lugte herein.

Frau wurde nach draußen befördert

Er schimpfte, brüllte laut. Sein englischer Dialekt ließ auf einen Afrikaner schließen. Der Unbekannte verlangte Geld, dann die Musikbox. Dabei fuchtelte er wie wild mit seinem Riesenmesser herum.

Die beiden Camper standen Todesängste aus. Immer wieder flehten sie auf Englisch um ihr Leben. Doch der Angreifer ließ sich nicht beruhigen. Dagmar S. forderte er nach draußen, beschimpfte sie unablässig als „bitch“ (Hure). Ihr Freund haderte mit sich selbst. Patrick W. wollte handeln. Was aber sollte er mit einem Schweizer Taschenmesser gegen die Riesenmachete ausrichten?

Leise redete Dagmar S. auf ihren Partner ein. Er solle nichts gegen den Angreifer unternehmen und sich nur ruhig verhalten. Ihr Freund aber versuchte sie umzustimmen. Besser wäre es, gemeinsam abzuhauen, lautete sein Vorschlag. Dagmar S. aber schüttelte nur den Kopf.

Nicht um Hilfe gerufen

Nein, womöglich würde der Täter sie dann beide töten, hielt sie dagegen. Einer von ihnen müsse aber der Polizei mitteilen, was sich hier abspiele. Danach schlüpfte die Studentin aus dem Zelt.

Ein Martyrium begann, in dem die junge Frau trotz aller Pein eisern ihre Nerven behielt. Weder rief sie um Hilfe, noch reagierte sie panisch oder aufgeregt, so wird sie es später bei der Polizei schildern. Auf Befehl ihres Peinigers legte sie sich ins Gras.

Der Mann fluchte unaufhörlich. Dennoch traute er sich nicht, die wehrlose Frau anzusehen. So als ob er jegliches Gefühl für die Studentin auszublenden versuchte.

Dagmar S. wehrte sich nicht, sie schrie auch nicht auf. Wer sollte sie schon hören in dieser Einöde ? Im Zelt hatte sie ihrem Freund versprochen: „Ich gehe raus, um uns zu schützen.“

Während die Camperin sich hinlegte, versuchte sie mit Eric X. zu reden: Der aber reagierte zunächst barsch. Warum Sie hier sei ?, wollte er wissen. Zwar hätte sie einen Mann, aber kein Heim. Warum? Wieso schlafe sie in einem Zelt? Erneut begann er zu pöbeln.

Dagmar S. aber blieb in ihrer Antwort umsichtig: Ihr Partner sei nicht irgendein Mann, sondern ihr Freund, den sie heiraten wolle. Später wird sie ihre Taktik folgendermaßen erklären: Sie habe den Verbrecher für sich einnehmen, ihn für ihr Schicksal erweichen wollen.

Dem Vergewaltiger die Wange getätschelt

Dann irritierte den Täter das Geräusch eines Telefonats, das aus dem Zelt drang. „Dein Freund ruft die Polizei an“, zürnte er auf Englisch. Nein, nein besänftigte Dagmar S. den Mann, ihr Freund habe einzig mit Bekannten gesprochen. Um ihren Angreifer abzulenken, tätschelte sie ihm die Wange und zog ihn ein wenig an sich.

 Immer wieder versuchte Dagmar S. ihren Peiniger mit einschmeichelnden Worten zu besänftigen. Freundlich legte sie ihm eine Hand auf die Schulter, er sei doch so ein toller Mann, übersetzte die Studentin ins Englische, da könne er doch sie und ihren Freund verschonen. Andernfalls, so fürchtete die junge Frau, werde der Angreifer noch mit der Machete ein Blutbad anrichten.

Qualvolle Minuten vergingen, ehe der Täter von ihr abließ. Flehentlich bat Dagmar S. um Gnade. Er möge sie nun beide in Ruhe lassen. „Gehen sie bitte, und lassen sie uns leben!“ Niemand werde etwas erfahren, versprach die Freiburgerin.

Streifenwagen auf Straße angetroffen

Kaum hatte sich der Vergewaltiger davon gemacht, eilte die junge Frau zum Zelt und forderte ihren Freund auf, das Nötigste mitzunehmen und wegzurennen. Das Paar lief um sein Leben, immer von der Furcht getrieben, der „Machetenmann“ könne zurückkehren. Oben an der Straße schließlich, trafen beide auf einen Streifenwagen – quasi die Rettung aus der nächtlichen Apokalypse.

Nach Ansicht des Kriminologen Christian Lüdke, „hat das Opfer alles richtig gemacht, weil sie dauernd Kontakt zu dem Täter gesucht hat. Sie hat alles getan, was er wollte, um ihr Leben und das ihres Freunde zu schützen, das zeugt von einer starken Persönlichkeit“.

Eric X., der mutmaßliche Vergewaltiger, bestreitet bis heute die Vorwürfe. Dabei hat ein DNA-Gutachten den 31-Jährigen als Täter überführt.

(exfo)