Rehkitz-Rettung in LohmarSchon zwölf Bambis vor Todes-Mähern bewahrt

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Mit Handschuhen und Grasbüscheln: Jäger Thorsten zur Jacobsmühlen, Mitglied der Kreisjägerschaft Rhein-Sieg, rettet ein Rehkitz aus dem Feld. 

Lohmar – Rehe suchen sich für die Geburt ihrer Kitze zwischen Ende April und Mitte Juni einen gefährlichen Ort aus: hohes Gras. Dort können sie von den schnellen Mähern der Landwirte erwischt und tödlich verletzt werden. Um das zu verhindern, organisiert Andrea Surrey aus Lohmar regelmäßig Such-Aktionen.

„Ich war mit meinen Hunden unterwegs. Da bin ich über ein abgeschnittenes Rehbein gestolpert", berichtet die 51-Jährige. Nach dem schrecklichen Erlebnis habe es „Klick“ gemacht. „Davon lese ich nicht nur in der Zeitung, das ist ein aktuelles Problem", sagt sie.

Rehkitz-Rettung in Lohmar: 90 Freiwillige helfen mit

Fünf Minuten nach dem Fund beim Gassi gehen sprach Surrey einen anderen Spaziergänger mit Hund an. Andrea Surrey: „Da hatte ich mein erstes Teammitglied." Das war im Frühjahr 2019. Surrey erstellte eine Gruppe auf WhatsApp, die mittlerweile 90 Mitglieder hat. Auch auf Facebook postet sie die Einsätze der Rehkitzhilfe Lohmar.

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„Das lief alles über Mundpropaganda. Ich habe sogar Leute an der Supermarkt-Kasse angesprochen", sagt Surrey. Den Kontakt zu Landwirten und Jägern aus der Umgebung baute sie über Flyer und Bekannte auf. Denn: Die Rehkitz-Retter können nur mit dem Auftrag des Jägers tätig werden.

Rehkitz-Rettung in Lohmar: Was ist das Problem?

Immer wieder werden kleine Bambis bei der Heuernte vom Mäher erwischt. Die gefährliche Saison dauert von April bis Juli oder August. „Früher ist die Dorfgemeinschaft vor den Mähern her gelaufen, heute sind die Maschinen viel zu schnell", sagt Surrey. 

Norbert Möhlenbruch, Kreisjagdberater des Rhein-Sieg-Kreises, kennt das Problem: „Da schwinden die Chance, dass sich das Kitz retten kann." Die Landwirte seien dazu verpflichtet, darauf zu achten, aber die Jungtiere, die sich bei Gefahr erst Recht auf den Boden drücken, seien schwer zu finden.

Rehkitz-Rettung in Lohmar: Wie findet man das Tier im Feld? 

Laut Möhlenbruch unterstützen Jäger und Bürger wie Andrea Surrey die Landwirte immer mehr bei der Suche. Es gibt unterschiedliche Methoden, um die Kitze aufzuspüren: Mit einem Jagdhund als Spürnase, einer Menschenkette oder einer Drohne mit Wärme-Bildkamera.

Die Drohne ist für den Kreisjagdberater die beste Methode, da sie die Fläche abfliegen und das Kitz punktgenau orten kann. Als in der Corona-Krise in der Hochzeit Mai keine Suchen in Gruppen möglich waren, startete Andrea Surrey einen Spendenaufruf für eine Drohne.

Rehkitz-Rettung in Lohmar: Menschenkette und Drohne

Die Einsätze in diesem Jahr liefen sehr erfolgreich mit Drohne und Fußtrupp: 12 Rehkitze wurden gerettet. Der fliegende Helfer mit Wärme-Kamera kann allerdings nur in den frühen Morgenstunden eingesetzt werden. Danach muss zeitnah gemäht werden.

Wie läuft so ein Einsatz ab? Surrey bekommt die Info vom Bauern oder Jäger, wann und wo gemäht wird. Dann trommelt sie per WhatsApp und Facebook die Leute zusammen.

Rehkitz-Rettung in Lohmar: Wie läuft so ein Einsatz ab?

In einer Menschenkette mit 1,5 Meter Abstand -  auch vor Corona - suchen die Helfer das Feld dann systematisch ab, erzählt Surrey: „Kein Quadratmeter darf übersehen werden. Den Spitznamen Feldwebel habe ich schon weg." 

Je nach Größe des Feldes und Helfer-Zahl, könne ein Einsatz bis zu sieben Stunden dauern und sehr anstrengend sein. Surreys langfristiges Ziel ist es, die Suche so effizient wie möglich zu organisieren. „Dass der Bauer eben sagt: Gut, dann mähe ich das Feld um 10 Uhr, damit wir vorher die Drohne einsetzen können." 

Rehkitz-Rettung in Lohmar: Findling landet unterm Wäschekorb

Wenn ein Kitz entdeckt wird gibt es unterschiedliche Szenarios. „Im besten Fall kommt noch am Fundort ein Wäschekorb über das Kitz und der Mäher fährt drum herum", erklärt Surrey. Wenn das nicht klappt, wird das Tier im Korb an den Waldrand getragen.

Bambi-Fans muss eines allerdings klar sein: Die Rettung ist kein Streichelzoo. „Das Tier darf auf keinen Fall berührt werden, wegen dem Fremdgeruch verstößt die Mutter das Junge sonst", sagt Surrey. Nur mit Handschuhen und Grasbüscheln wird das Kitz angefasst.

Ein Jäger ist immer anwesend. Er kennt sich mit dem Wildbestand aus und sorgt dafür, dass Mutter und Jungtier wieder zueinander finden.

Von privaten Such-Aktionen mit Hund rät Surrey entschieden ab: „Das geht nur mit trainierten Jagdhunden. Der Haushund schleckt das Rehkitz ab. Das ist für das Jungtier das Todesurteil."

Rehkitz-Rettung in Lohmar: Jäger freuen sich über Hilfe

Erst seien ein paar Jäger und Landwirte skeptisch gewesen, erzählt Surrey. „Ob die gackernden Hühner sich nicht ans Feld setzen und einen Prosecco trinken. Nach der Zusammenarbeit waren sie aber begeistert und haben uns gelobt." 

Für die nächste Saison bittet die Initiative um Helfer und Spenden, zum Beispiel für Versicherung und Akkus für die Drohne.

Rehkitz-Rettung in Lohmar: Je mehr Helfer, desto besser

Die Einsätze sind wetterabhängig und können jederzeit stattfinden. „Deshalb soll die WhatsApp-Gruppe so groß wie möglich sein, damit immer jemand kann. Auch wenn man nur einmal mithilft, ist das schon super", sagt Surrey.

Unter den Helfern sind alle Altersklassen vertreten. Auch eine Gruppe 16-Jähriger wandte sich an Surrey. Sie wollten mithelfen, nachdem sie beim Picknick ein ausgemähtes Kitz entdeckt hatten. (lmc)