Prozess in BonnTödlicher Unfall nach illegalem Motorradrennen?

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Prozessauftakt in Bonn: Der Angeklagte mit seinem Anwalt im Gericht.

Bonn – „Ich habe einen Knall gehört. Es war ein sehr ungewöhnlicher Knall. Dann war minutenlang Totenstille.“ Marco Z. (Name geändert) erinnerte sich im Bonner Prozess an den schweren Verkehrsunfall am 3. Oktober 2017, an dem ein 42-jähriger Kradfahrer und Vater von drei Kindern ums Leben kam. „Ich war damals auf dem Friedhof gewesen“, erzählte der 29-jährige Zeuge weiter, „und noch ganz in Gedanken, als zuvor auf der Kölnstraße zwei schwere Maschinen vorbeifuhren. Sie waren laut. Ich dachte noch, das ist das Verhalten von Halbstarken.“

Am Unfallort brach dann das Chaos aus, so Marco Z. Der 45-Jährige Mercedesfahrer, in dessen Beifahrertür die grüne Kawasaki Ninja wohl ungebremst gerast war, habe unter Schock gestanden: Er saß auf einem Stein mit seiner kleinen Tochter auf dem Schoß – und starrte ins Leere. Er war nur leicht verletzt; ein paar Glassplitter im Gesicht.

Was für eine Tragödie der Unfall ist, war auch noch fast drei Jahre später in jeder Minute des Prozesses vor dem Amtsgericht spürbar. „Ich wollte sagen, dass es mir sehr, sehr leid tut“, so die ersten Worte des 45-jährigen Angeklagten, der sich jetzt wegen fahrlässiger Tötung verantworten muss. Er sprach der Familie sein tiefes Beileid aus. Wie auch immer die Sache vor Gericht ausgehe, es sei „furchtbar schwer, damit zu leben.“ Zum Unfall konnte der selbstständige Abschleppunternehmer wenig sagen: „Das passierte ganz plötzlich, völlig unerwartet“, sagte er. Deswegen könne er den Unfall auch nicht schildern.

Tödlicher Unfall: Beim Abbiegen knallte es

Der Familienvater wollte am 3. Oktober 2017 zur Sparkassen-Filiale, dafür musste er von der Kölnstraße nach links in eine kleine Straße; beim Abbiegen knallte es. Den Motoradfahrer auf der Gegenfahrbahn habe er zuvor nicht gesehen, er sei wie aus dem Nichts gekommen.

Nach dem Unfall war schnell der Verdacht aufgekommen, dass der 42-Jährige sich mit einem jüngeren Freund an dem Feiertag ein illegales Rennen geliefert habe: Eine Autofahrerin (42) hatte die beiden Kradfahrer kurz vor dem Unfall an einer Kreuzung beobachtet und erklärt, dass die beiden schweren Maschinen (mit 280 km/h Spitze) kraftvoll gestartet seien, riskant – „mit einem Schlenker“ – ein Auto überholt hätten, dann schon seien sie „aus ihrem Blickfeld“ verschwunden: „Das nimmt kein gutes Ende“ habe sie noch zu ihrer Beifahrerin gesagt. Keine 500 Meter weiter passierte der furchtbare Crash: „Als ich an der Unfallstelle ankam, war es schon passiert.“

Tödlicher Unfall: Zweiter Fahrer bestreitet Motorradrennen

Der zweite Kradfahrer hat auf intensive Nachfrage des Amtsrichters Dr. Daniel Hahn erneut bestritten, dass es ein Rennen gegeben habe. Allerdings räumte er ein, dass die Maschinen „schon richtig laut sind“, da sie mit einer „getunten Auspuffanlage“ – keineswegs serienmäßig – ausgerüstet waren. Der mittlerweile 30-Jährige, der damals keine Fahrerlaubnis hatte, hatte sich zudem verdächtig gemacht, weil er sich vom Unfallort entfernt, sein Motorrad in einer Seitenstraße abgestellt und seine Motorrad-Kluft ausgezogen hatte. Dann erst war er wieder zurückgekehrt, wo sein Freund ­– lebensgefährlich verletzt – im Koma lag. Zwei Tage später starb der Familienvater in der Uniklinik.

Tödlicher Unfall: Keine Bremsspuren gefunden

Entscheidend für den Ausgang des aufwendigen Prozesses – insgesamt elf Zeugen waren geladen – wird das Unfall-Gutachten sein. Der Sachverständige ist in der vorläufigen Einschätzung davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt der Kollision, die Geschwindigkeit überhöht war. Der tödlich verletzte Motorradfahrer sei mit mindestens 70 Stundenkilometer (falls er noch gebremst haben sollte), wenn nicht sogar 100 Stundenkilometer unterwegs gewesen. Wofür vieles spreche, da keine Bremsspuren gefunden wurden. Dennoch sei der Unfall, so der Sachverständige, vermeidbar gewesen. Der Angeklagte hätte auf der schnurgeraden Kölnstraße sehen müssen, was da auf ihn zukomme. (ucs)