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Neue Erntehelfer in Lohmar20 Kölner Studis ersetzen sieben polnische Kräfte

Lohmar – Luka ist 23 Jahre alt und ein Stadtkind, sagt sie selbst. Eigentlich finanziert sie mit Kellnern ihr Studium. Trotzdem steht die Kölnerin nun auf dem Feld von Bauernfamilie Trimborn in Lohmar und hebelt langsam, aber erfolgreich eine frische Spargelstange aus der Erde. „Dick und dünn – Jetzt weiß ich erst wie unterschiedlich Spargel aussehen kann", sagt Luka. Für die Ernte beschäftigt das Bauerngut Schiefelbusch normalerweise sieben polnische Helfer. „Statt sieben Polen haben wir jetzt 20 Deutsche", sagt Andreas Trimborn.

Das klingt nach einer komischen Rechnung, aber die neuen Helfer müssen erstmal lernen und sollen zunächst nur rund drei Stunden auf dem Feld ackern. „Damit sie durchhalten", erklärt Trimborn. Denn das Spargelstechen in gebückter Haltung ist sehr anstrengend, die Technik muss erst gelernt werden. Claas kommt aus der Hocke hoch und wischt sich den Schweiß von der Stirn. "Ich schwitze aber auch schnell", sagt der 23-Jährige. Eigentlich sollte er an seiner Bachelor-Arbeit sitzen. "Aber dafür müsste ich ins Labor", berichtet Claas, und das ist wegen Corona geschlossen. Also Feldstudie, wörtlich genommen, statt Abschlussarbeit.

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Stadtkind Luka hat Spaß an ihrer neuen Arbeit auf dem Feld.  

Die Corona-Krise hat auch die Abläufe in der Landwirtschaft ganz schön durcheinander gebracht. Landwirt Trimborn spricht von einer „wilden Situation". „Die polnischen Erntehelfer dürften zwar noch kommen, die meisten wollen aber nicht", berichtet der Landwirt. „Das sind auch Familienmenschen." Mit den Spargel-Neulingen aus Köln sind die Trimborns nach dem Probearbeiten bisher zufrieden. Alle seien sehr motiviert. Sonst kämen die Helfer oft vom Arbeitsamt und warteten nur darauf, die Stunden bescheinigt zu bekommen. Die neuen Erntehelfer hätten einen besonderen Antrieb: „Die Solidarität. Sie wollen etwas Gutes tun."

Erntehelfer in Lohmar: Studenten brauchen das Geld

Gutes tun durch Spargelernte? Ja. Denn, wenn der Landwirt kein Personal hat, kann er nicht ernten. Man könnte den Spargel zwar in der Erde lassen. „Aber die Vorbereitung des Feldes hat ja schon Kosten verursacht, die dann verloren gingen", erklärt Albert, Andreas Trimborns Vater. Solidarität ist aber nicht der einzige Ansporn der Helfer. Viele sind Studenten, die eigentlich in der Gastronomie arbeiten. „Die gucken gerade in die Röhre, die brauchen das Geld", weiß Andreas Trimborn.

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Landwirt Albert Trimborn hofft auf mehr Wertschätzung für Landwirtschaft und Lebensmittel durch die neuen Helfer.

Erntehelfer und Landwirt kamen nicht über eine der großen Plattformen zusammen, sondern Dank einer jungen Kölnerin. Milena fragte bei fünf Höfen in der Umgebung an, ob sie Arbeitskräfte brauchen. Mit Andreas Trimborn wurde sie sich schnell einig. „Es ist toll, dass er uns die Chance gegeben hat", sagt Milena.

Erntehelfer in Lohmar: Aus fünf Freunden wurden 20 Helfer

Und der Landwirt bekam auf einen Schlag eine Gruppe von Helfern. „Am Anfang waren da meine fünf engsten Freunde und ich, und dann haben immer mehr Bekannte gefragt, ob sie mitarbeiten können", erzählt die 21-Jährige. „Es gibt sogar schon eine Warteliste." Vorrang hätten die, die das Geld dringend brauchen. Die Studentin ist gerade dabei, eine Gruppe für einen anderen Hof zu organisieren.  Milena kennt alle 20 Helfer der Trimborns und organisiert Schichten und Fahrgemeinschaften, damit immer die gleichen Teams zusammen im Auto sitzen.

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Aktuell müssen Claas und seine Kollegen das Feld noch einige Meter ablaufen, bis sie einen Spargel finden, der reif ist für die Ernte.

"Es ist schön, die Zeit richtig zu nutzen. Zuhause hatte ich schon angefangen, die Fenster zu putzen", sagt Studentin Luka. Es geht um Beschäftigung, frische Luft, aber es geht auch darum, die Miete zu bezahlen. Die 23-jährige studiert Medizinökonomie in Köln und arbeitet sonst in der Gastronomie, wie fast alle der 20-köpfigen neuen Erntehelfer-Crew der Bauernfamilie Trimborn. "Die Arbeit macht viel Spaß, ist fast schon meditativ", sagt Luka.

Erntehelfer in Lohmar: Spargelernte nicht nur bei schönem Wetter

Die Spargelernte mit den Anfängern startet im Schongang: Noch müssen Luka und ihre Bekannten meist einige Meter ablaufen, bis sie einen Spargel finden, der reif ist für die Ernte. Aktuell arbeiten sie etwa drei Mal die Woche für drei Stunden. Zum Einarbeiten ist ein langsamer Start gut. Und die Sonne scheint.

"Die Spargelernte ist wie ein Marathon", sagt Albert Trimborn und ruft lachend in Richtung seiner neuen Erntehelfer: "Die müssen aber auch mal einen Regentag aushalten. Wir brauchen nicht nur Schönwetter-Kapitäne." In der Hochsaison im Mai wird sich die Arbeitszeit pro Tag auf etwa sechs Stunden erhöhen.

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Die 21-jährige Milena kennt alle 20 Helfer der Trimborns und organisiert Schichten und Fahrgemeinschaften.

Albert Trimborn hofft auf mehr Wertschätzung für Landwirtschaft und Lebensmittel durch die neuen Helfer: "Sie werden ihren Familien und Bekannten von der Arbeit erzählen. Die fragen sich dann beim Spargel für 2,99 Euro im Supermarkt: Wie musste der Erntehelfer dafür arbeiten."

Das Bauerngut Schiefelbusch hinter Lohmar ist noch ein recht klassischer Bauernhof mit vielen unterschiedlichen Produkten: Gänsen und Kühen, Kartoffeln und Spargel. Es gibt ein Café, einen Laden und Ferienwohnungen. Rund 30 Angestellte arbeiten hier fest. Trimborns Betrieb musste noch nicht auf Kurzarbeit umstellen. "Unser Vorteil ist, dass wir relativ einfach umstrukturieren können", sagt Albert Trimborn. Die Mitarbeiterin des geschlossenen Cafés wird eben woanders auf dem Hof eingesetzt. Arbeit gibt es genug.

Erntehelfer in Lohmar: Supermärkte werden jeden Tag beliefert

Die steigende Nachfrage nach Lebensmitteln bekam der kleine Betrieb schon zu spüren. In den Märkten herrschte regelrechte Panik, und der regionale Gemüsebetrieb war zur Stelle. „Wir haben eine Woche lang Kartoffeln und Eier abgepackt und jeden Tag die Supermärkte beliefert", erzählt Andreas Trimborn. „Wir können schnell liefern. Ob wir jetzt eine Stunde länger Kartoffeln packen ist für uns nicht das Problem."

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Landwirt Albert Trimborn zeigt Spargel-Neuling Luka die richtige Technik. 

Die großen Zulieferer der Märkte hätten dagegen klar getaktete Abläufe, die nun erstmal an den erhöhten Bedarf angepasst werden müssen. Viele seien auch noch auf die Großgebinde für die Gastronomie eingestellt und müssten erstmal die kleinen Verpackungen besorgen, um ihre Ware auch für den Einzelhandel verkaufsfertig zu machen.

„Wir sind ein kleiner Produzent, unsere Produkte sind etwas teurer hier. Wir kommen nicht an die Billigprodukte aus Supermärkten heran„, sagt Trimborn. Aber größere Betriebe als das Bauerngut Schiefelbusch stünden jetzt auch vor größeren Problemen. „Der Großbetrieb in Brandenburg hat jetzt 1000 Hektar Spargel, aber nicht genug Helfer. Wohin damit?“

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Mit Milena und ihrer Clique ist die Spargel-Ernte der Trimborns aktuell gerettet. Und die neuen Erntehelfer haben für zwei Monate eine Beschäftigung, die Geld bringt. Das Trinkgeld fehlt, aber der Stundenlohn ist laut Milena mit dem in der Gastronomie vergleichbar. „Und die Arbeit klärt auf„, sagt die Kölnerin. Bis zum Ende der Spargelsaison am 24. Juni lernen sie und ihre Freunde alles über Spargel. Dann öffnen Cafés und Kneipen wieder, hofft Milena.

Das wohl verdiente Feierabendbier trinkt die Ernte-Clique der Trimborns zurück in Köln auf dem heimischen Balkon. „Eigentlich ist das hier ein sehr familiärer Betrieb. Das ist schon schade, dass wir aktuell nicht nach der Arbeit noch mit der Bauernfamilie zusammensitzen können“, sagt Luka. Aber wer weiß, vielleicht kommen einige der jungen neuen Erntehelfer ja nächstes Jahr zurück aufs Feld.