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Kinder, Alte, KrankeStaat vernachlässigt die Seele – Bonns Stadtdechant mahnt

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Durch die Corona-Krise vereinsamen vor allem ältere Menschen.

von Marion Steeger (MS)

Bonn – Die Corona-Krise: Irgendwie muss sie gemeistert werden. Doch viele Menschen haben damit massive Probleme. Und genau deshalb rechnet Bonns Stadtdechant ab, nimmt den Staat in die Pflicht, wenn es ums Thema „seelische Daseinsfürsorge“ geht.

Dr. Wolfgang Picken erklärt EXPRESS an drastischen Beispielen, wo aktuell so vieles falsch läuft. Ob bei Kindern, Alten oder Kranken.

Bonns Stadtdechant befürchtet soziale Risse

Der Stadtdechant macht klar: „Wenn der Staat nur auf die wirtschaftlichen Folgen der Krise blickt, dann gefährdet er in gefährlicher Weise die seelische Daseinsfürsorge. Sehen wir nicht jetzt schon auf die seelischen und menschlichen Wirkungen von Corona, werden wir schon bald mit schweren psychischen und traumatischen Störungen, auch mit zusätzlichen sozialen Rissen rechnen müssen.“

Alles zum Thema Corona

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Dr. Wolfgang Picken ist seit März 2019 Bonner Stadtdechant und Münsterpfarrer.

Auch wenn wir inzwischen wieder mit Einschränkungen shoppen gehen können, viele Geschäfte geöffnet sind, mahnt der Bonner Geistliche: „Bei den Lockerungen der staatlichen Verhaltensmaßnahmen gehört dringend darauf geschaut, wie man die Würde der Risikogruppen, der Altenheimbewohner und Krankenhauspatienten, auch der Sterbenden beispielsweise wahrt!“

Bonns Stadtdechant fordert Hilfe für Schüler

Auch bei Kindern und Jugendlichen sieht Picken große Probleme: „Wer die Schulen öffnet, muss sich auch Gedanken darüber machen, wie junge Menschen dort diese Erfahrungen ansprechen und verarbeiten können. Das könnte für deren Zukunft wichtiger sein als das Schreiben von Tests und Klausuren.“

Erschütternd, was der Bonner Stadtdechant zum Beispiel aus dem Bereich der ambulanten Pflege- und Palliativdienste hört: „Sie berichten, dass viele Patienten in einem deutlich schlechteren körperlichen und seelischen Zustand aus den Krankenhäusern entlassen werden. Dass Angehörige seit Wochen ihre Kranken nicht besuchen können, hat deutliche Auswirkungen auf deren psychische Situation. Auch beteiligen sich viele Angehörige normalerweise an der täglichen Pflege im Krankenhaus. Das fällt zusätzlich weg. Hinzu kommt, dass das Pflegepersonal in Corona-Zeiten verständlicherweise mehr auf Distanz geht, nicht ohne Wirkung auf den Pflegezustand und das Wohlempfinden. Dass solche Zustände Auswirkungen auf den Heilungsprozess haben und sich lebensbedrohlich auswirken können, ist eindeutig.“

Bonns Stadtdechant zur schwierigen Situation in Krankenhäusern

In Krankenhäusern haben Angehörige und Seelsorger aktuell keinen Zutritt zu Schwerstkranken oder Sterbenden. Eine hohe Belastung auch für die pflegenden Mitarbeiter, für die Bonns Stadtdechant höchste Wertschätzung hat. Dr. Wolfgang Picken: „Die Patienten sterben ohne die Nähe vertrauter Menschen. Das ist menschenunwürdig. Jüngst musste eine Ehefrau über Tage zuhause sitzen, während sie wusste, dass ihr Mann an den Folgen seines Tumorleidens im Krankenhaus stirbt. Sie durfte nicht an das Sterbebett. Das hat ihr und den Kindern das Herz zerrissen. Eine Katastrophe. Solche Erfahrungen führen oft zu traumatischen Störungen und seelischen Erkrankungen. Warum wird in solchen Fällen kein Zutritt mit Schutzkleidung gewährt, wie man es bisher bei anderen Infektionserkrankungen tut?!“

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Unter strengen Corona-Auflagen zelebrierte Stadtdechant Dr. Wolfgang Picken am Sonntag die erste wieder öffentliche Messe in der Remigiuskirche. 

Alte Menschen als Risikogruppe

Auch die Situation älterer Menschen beunruhigt den Seelsorger. Sie gehören zu den Risikogruppen. Picken: „Sie wissen, dass sie erst dann sicher sind, wenn es ein Medikament gibt. Viele von ihnen waren schon vorher einsam. Jetzt trauen sie sich gar nicht mehr vor die Tür, weil sie Angst vor einer Infektion haben. Und die Angst steigt, je mehr sich draußen das Leben normalisiert, weil damit ihr Ansteckungsrisiko zunimmt. Die Einsamkeit wird total und das auf unbestimmte Zeit. Nicht wenige stellen sich die Sinnfrage. Depressionen nehmen zu. Die Neigung zum Suizid wächst. Am Telefon sagte eine betagte Dame: „Lieber dem Leben ein Ende setzen, als an Corona ersticken oder in der Traurigkeit versinken.“ Das ist die Realität nicht weniger alter und alleinstehender Menschen. Corona macht die Einsamkeit noch einsamer und unerträglicher! Wir müssen unbedingt diese Menschen identifizieren und versuchen, Wege zu ihnen zu finden! Wo denkt jemand an Hilfsprogramme dieser Art?“

Nicht vergessen dürfe man auch die Menschen mit psychischen Problemen. Für sie müssten nach Meinung Pickens Ausnahmeregelungen gefunden werden, das Kontaktverbot beendet werden, „damit ihre Situation nicht zu langfristigen Verschlechterungen des Gesundheitszustands führt und ihre Lage lebensgefährlich wird.“

Bonns Stadtdechant empört über fehlende Förderung

Kinder mit besonderem Förderbedarf dürfen aktuell nicht zuhause von schulischen Integrationshelfern unterstützt werden. Auch das ein Unding für den Bonner Stadtdechanten: „Absurd! Das Ergebnis: Diese Kinder werden nicht gefördert, fallen in ihrer Entwicklung zurück, Eltern sind hilflos. Wo Kindergarten und Schule ausfallen, müssten diese Familien und Kinder durch die vorhandenen pädagogischen Kräfte in ihrem häuslichen Umfeld unterstützt werden.“