Stadt Bonn vs. VWKlare Worte des Richters im „Schummeldiesel“-Prozess

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Der Dieselskandal: Jetzt klagt die Stadt Bonn gegen VW.

von Iris Klingelhöfer (iri)

Bonn – Ende 2019 begann der „Schummeldiesel“-Prozess der Stadt Bonn gegen VW – jetzt fiel das Urteil.

Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn entschied am Mittwoch, dass die Volkswagen AG an die Stadt im Streit um vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffene Dieselfahrzeuge 469.120,79 Euro nebst Zinsen zahlen muss. Im Gegenzug muss die Stadt Bonn 27 Dieselfahrzeuge zurückgeben, die sie für den städtischen Fuhrpark gekauft hatte.

Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Volkswagen AG zu 69 Prozent und der Stadt Bonn zu 31 Prozent auferlegt.

Stadt Bonn vs. VW: Verstoß gegen die guten Sitten

Ursprünglich wollte die Stadt rund 680.000 Euro. Bonn war offenbar die erste Kommune, die gegen den Autokonzern zu Felde zog. Sie hatte als Klägerin vorgebracht, dass in die Fahrzeuge verbotene Abschalteinrichtungen verbaut seien.

„Die 1. Zivilkammer hat mit dem Urteil bestätigt, dass sich die Volkswagen AG grundsätzlich schadensersatzpflichtig gemacht hat“, so Gerichtssprecher Tobias Gülich. In der Urteilsbegründung hieß es, dass die Volkswagen AG gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB verstoßen habe.

Stadt Bonn vs. VW: Es ging um 27 Fahrzeuge (Caddy, Passat, Polo) der Baureihe EA189

„Die Beklagte hat durch ihr Verhalten dazu beigetragen, die Vorschriften zur Abgasmessung und Einstufung in Schadstoffklassen im Rahmen der Erlangung einer EG-Typgenehmigung weitgehend zu umgehen“, so der Richter. 

Es ging um insgesamt 27 Dieselfahrzeuge der Baureihe EA189, welche die Stadt 2013 und 2014 für den Fuhrpark angeschafft hatte. Die Wagen (Caddy, Passat, Polo) waren mit der manipulierten Software ausgestattet. 

Stadt Bonn verklagt VW: Ziehen andere Kommunen nach?

„Ich kann mir eine Signalwirkung auch für andere Kommunen vorstellen“, meinte Anwalt Tobias Ulbrich, der die Stadt vertritt, im Vorfeld. Er zeigte sich vor dem Gütetermin sogar sehr optimistisch. Immerhin habe das Landgericht Bonn in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass Schadensersatzansprüche bestehen.

„Der Fall ist ja juristisch schon durch“, meinte auch Kammervorsitzender Stefan Bellin zu Verhandlungsbeginn und verwies auf die Rechtsprechung in Bonn und auch des OLG Köln. Demnach stelle eine „derart manipulierte Software, die die Prüfungsvorschriften absichtlich umgeht, eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung“ dar und führe zu einem Schadensersatzanspruch.

Man dürfe als Käufer davon ausgehen, dass die Betriebszulassung nicht gefährdet ist und eine Stilllegung nicht droht. Ein Software-Update mache diese Gefahr nicht rückgängig, so der Kammervorsitzende.

Stadt Bonn vs. VW: Städtische Akten zeigten Ungereimtheiten

Die Anwälte der Volkswagen AG hielten dagegen. „Aus unserer Sicht scheitert die Klage auf jeden Fall daran, dass kein Schaden mehr vorhanden ist, wenn das Update aufgespielt wurde“, erklärte VW-Sprecher Christopher Hauss.

Der Kammervorsitzende Bellin setzte auf eine gütliche Einigung. Die scheiterte zunächst aber an Ungereimtheiten in den städtischen Akten: Kaufpreise divergierten, Unterlagen waren nicht vollständig.

Auf dieser Grundlage könne der heutige Wert des Fuhrparks (abzüglich Nutzungsentschädigung) nicht ausgemacht werden, meinten die VW-Anwälte. Also muss noch nachgebessert werden. Beide Parteien zeigten eine grundsätzliche Bereitschaft, über einen Kompromiss nachzudenken.