Unterkunft Sankt AugustinWie? Teil der verlegten Flüchtlinge hat jetzt auch Corona

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Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes am Sonntag vor der Flüchtlingsunterkunft in Sankt Augustin. Inzwischen gibt es über 150 positive Corona-Fälle unter den Bewohnern.

Sankt Augustin – Wegen der Corona-Welle im Flüchtlingsheim waren in der letzten Woche 39 nicht infizierte Bewohner in die Zentrale Unterbringungseinrichtung des Landes NRW nach Schleiden verlegt worden – doch dort wurden jetzt 18 von ihnen ebenfalls positiv getestet! 

Das kam bei einer Testung in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt raus. Wie das sein kann, ist noch unklar. Denn alle Flüchtlinge aus Sankt Augustin waren vor ihrer Verlegung negativ getestet worden. In der Unterkunft in Schleiden sind sie zudem direkt in Quarantäne gekommen und hatten so keinen Kontakt zu anderen Bewohnern.

„Die Bezirksregierung Köln befindet sich in enger Abstimmung mit dem Kreis Euskirchen und dem zuständigen Gesundheitsamt", so Dennis Heidel, Sprecher der Bezirksregierung. So seien zwischenzeitlich alle erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen worden, um ein weiteres Infektionsrisiko möglichst auszuschließen.

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Auch zwölf Flüchtlinge, die von Sankt Augustin in eine Bonner Jugendherberge verlegt worden sind, haben jetzt Corona. Auch sie waren zuvor negativ getestet worden und befinden sich jetzt in Quarantäne. 

Corona-Welle in Flüchtlingsheim Sankt Augustin: Lage hatte sich immer weiter zugespitzt

Die Corona-Lage rund um die Flüchtlingsunterkunft in Sankt Augustin-Niederpleis hatte sich immer weiter zugespitzt. Seit dem ersten Fall am letzten Donnerstag wurden inzwischen 152 Bewohner und 13 Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet.

Die Unterkunft steht unter Quarantäne. Im Vergleich zum Montag kamen noch einmal rund 25 neue Fälle hinzu. Kritik gibt es am Plan, unter Quarantäne stehende Mitarbeiter mit einer Ausnahmegenehmigung weiterarbeiten zu lassen.

60 nicht infizierte Bewohner waren bereits am Sonntag in andere Unterkünfte verlegt worden, derzeit wird nach weiteren Unterbringungsmöglichkeiten gesucht. In Bad Honnef wird die Jugendherberge vorübergehend als Flüchtlingsunterkunft genutzt.

Corona in Flüchtlingsunterkunft Sankt Augustin: Derzeit 312 Bewohner vor Ort

Insgesamt sind 489 Personen in der Unterkunft gemeldet, viele wohnen laut Bezirksregierung allerdings außerhalb, etwa bei Freunden, und sind daher nur unregelmäßig vor Ort. Am Wochenende wurden daher zunächst 300 Personen getestet, aktuell ist die Unterkunft mit 312 Personen belegt.

Am Dienstag wurden bei der Auszahlung von Taschengeldern 95 weitere Flüchtlinge registriert, von denen allerdings nur sieben als Risikoträger in Quarantäne mussten. Die Vorgänge waren von Polizei und Ordnungsamt begleitet worden.

Vanessa Nolte, Sprecherin der zuständigen Bezirksregierung Köln, gibt zumindest mit Blick auf den Gesundheitszustand der Infizierten Entwarnung: „Den Bewohnern geht es gut. Sie zeigen keine oder nur schwache Symptome.“ Dennoch sind die Sorgen rund um die Unterkunft groß. Zumal Sankt Augustin mit dem Kollaps im Pflegeheim St. Monika (hier lesen Sie mehr) über die Ostertage die volle Wucht der Corona-Pandemie bereits einmal zu spüren bekommen hatte.

Corona in Flüchtlingsunterkunft Sankt Augustin: Kritik an Einsatz von Mitarbeitern in Quarantäne

Daher warnt auch die Linkspartei vor den Folgen der aktuellen Situation. „Der Kreistagsfraktion DIE LINKE.Rhein-Sieg liegen Informationen vor, wonach der Betrieb der ZUE Sankt Augustin wegen Personalmangels gefährdet ist“, schrieb die Partei am Mittwoch.

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Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes stehen in Schutzanzügen an der Flüchtlingsunterkunft in Sankt Augustin. Inzwischen sind 130 Personen positiv auf das Coronavirus getestet worden. 

Die Lage sei bereits derart bedrohlich, dass 25 Mitarbeiter, die derzeit als Kontaktpersonen unter Quarantäne stehen, mit einer Ausnahmegenehmigung wieder eingesetzt werden sollen. Damit ist etwa ein Viertel des vor Ort beschäftigten Personals betroffen.

Quarantäne bei Mitarbeitern soll nur in begründeten relevanten Fällen aufgehoben werden

Die Kritik der Linkspartei an den Verantwortlichen ist entsprechend scharf: „Die Kreistagsfraktion DIE LINKE hält es für unverantwortlich, unter Quarantäne stehende Kontaktpersonen wieder einzusetzen. Die MitarbeiterInnen können nicht wie Leibeigene behandelt werden.“

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Die ZUE in Sankt Augustin steht seit Sonntag unter Quarantäne.

Für Dr. Rainer Meilicke, Leiter des Kreisgesundheitsamts, sind die Tätigkeiten der Mitarbeiter entscheidend. „Zu Einzelpersonen ist vom Betreiber eine Anfrage gestellt worden“, teilte Meilicke mit. Diese werde derzeit geprüft.

Bei Mitarbeitern des Sicherheitspersonals gäbe es keinen Grund, die Quarantäne aufzuheben. Bei speziell geschulten Betreuern, die den Bewohnern psychologisch zur Seite stehen, würde man die Sondergenehmigung aber erteilen

Corona in Flüchtlingsunterkunft: Unterkünfte für gesunde Bewohner gesucht

Um die Belegungssituation in Flüchtlingsunterkünften zu entzerren, hat die Bezirksregierung Köln die Jugendherberge in Bad Honnef am Mittwoch vorübergehend zu einer neuen Unterkunft erklärt. Bewohner aus verschiedenen Einrichtungen sollen hier vorläufig untergebracht werden.

„Das Land NRW und das Deutsche Jugendherbergswerk haben hierzu kurzfristig eine entsprechende Vereinbarung angekündigt“, berichtete Bürgermeister Otto Neuhoff: „Neben den Jugendherbergen in Schleiden im Kreis Euskirchen sowie in der Stadt Bonn wird zur Entlastung der Flüchtlingsunterbringung auch die Jugendherberge Bad Honnef genutzt werden.

Hygiene-Maßnahmen in Flüchtlingsunterkunft bemängelt

Bislang waren 60 Bewohner aus Sankt Augustin in andere Unterkünfte in Bonn und Schleiden verlegt worden, nach den Plänen der Bezirksregierung sollen viele weitere schon bald folgen. „Gesunde Bewohner sollen hier hin umziehen, damit die Abstands- und Hygieneregeln bestmöglich eingehalten werden können“, teilte Sprecherin Nolte mit.

Hier lesen Sie mehr: Alle aktuellen Informationen zum Coronavirus im Rhein-Sieg-Kreis im Liveticker

Doch auch an der Umsetzung der bisherigen Hygienemaßnahmen gibt es Kritik. Ali Dogan, Leiter des Krisenstabs der Stadt Sankt Augustin, hatte beklagt, dass die Hygienemaßnahmen bislang nicht ausreichend umgesetzt worden seien. Auch hier will die Bezirksregierung bereits kurzfristig nachbessern, unter anderem mit vermehrten Reinigungen.

Die  Sonntag angeordnete Quarantäne wird in der Unterkunft  bislang nur bedingt befolgt. „Das scheint von den Bewohnern noch nicht vollständig eingesehen zu werden“, beklagte Meilicke. Er befürchtet weitere positive Fälle. Bessert sich die Lage nicht, könnte mit einem richterlichen Beschluss auch die Polizei das Ordnungsamt bei der Durchsetzung der Maßnahmen unterstützen.

Corona in Flüchtlingsunterkunft Sankt Augustin: Vereinzelte Einsätze von Polizei und Ordnungsamt

Bereits am Sonntag, als die erste große Welle positiver Corona-Tests bekannt wurde, mussten bei den Verlegungen von Bewohnern vereinzelt auch Polizei und Ordnungsamt eingreifen.

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Beamte der Polizei und des Ordnungsamtes gehen in Schutzanzügen vorder Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Sankt Augustin.

„Das löst teilweise Verunsicherung aus, wenn viele Leute in Schutzanzügen dort sind. Die meisten Leute nehmen die Informationen an und kooperieren entsprechend. Wir versuchen vor allem zu deeskalieren, damit Einsätze von Polizei und Ordnungsamt wegen uneinsichtiger Personen, so wie es sie gestern vereinzelt gab, so wenig wie möglich vorkommen“, sagte ein Sprecher des Betreibers ORS auf EXPRESS-Anfrage am Montag.

Bewohner in Flüchtlingsunterkunft Sankt Augustin über Corona aufgeklärt

Er betonte, dass bereits über Wochen die Bewohner der ZUE über die Corona-Risiken aufgeklärt wurden: „Neben den üblichen Maßnahmen wie Abstandsmarkierungen wurde in den vergangenen Wochen immer wieder das Gespräch gesucht, um Leute aufzuklären und wegen des Ansteckungsrisikos zu sensibilisieren. Wir haben Videos in elf Sprachen zur Verfügung gestellt zum Thema »was ist Corona«, mit allen wichtigen Informationen.“

Um weitere Unruhe zu vermeiden, sollen den Bewohnern außerdem verbesserte Beschäftigungsmöglichkeiten angeboten werden. Wie die Bezirksregierung berichtete, sei unter anderem das W-Lan verstärkt worden, damit auch in der Quarantäne der Kontakt nach außen gehalten werden könne. (stz, bc)