Bonnerinnen von Polizei erschossenTodesschützen ab Februar in Tunesien vor Gericht?

von Iris Klingelhöfer (iri)

Bonn – Der Tod an der Bonnerin Ahlem Dalhoumi (21) und ihrer Cousine Ons (19) wird jetzt endlich gesühnt. Fünf Jahre nach dem Mord an den jungen Frauen durch tunesische Polizisten werden sich offenbar in Kürze unter anderem die beiden Hauptschützen vor Gericht verantworten müssen. 

Der Prozess soll im Februar in Tunesien beginnen. Eine Nachricht wie ein Paukenschlag. „Es wird dort bald den ersten Hauptverhandlungstag geben", bestätigt der Bonner Anwalt Michael Hakner, der die Familie vertritt, auf EXPRESS-Nachfrage. Er geht davon aus, dass es auch zu Verurteilungen kommen wird.

Der Prozess soll in Sfax, einer Hafen- und Industriestadt am Mittelmeer, stattfinden. Sie liegt rund 270 Kilometer südlich von Tunis und ist die zweitgrößte Stadt des Landes. 

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Bonnerinnen von Polizei erschossen: Haupttäter im tunesischen Sfax vor Gericht

Für die tunesische Justiz hat es so einen Fall noch nie gegeben. „Es ist in Tunesien nicht üblich, dass Polizisten vor Gericht gestellt werden. Überhaupt ist es das erste Mal, dass gegen Polizisten Anklage erhoben wird“, erklärt Ahlems Tante Arbia Dalhoumi. Die Familie hatte nie aufgeben.

EXPRESS berichtete bereits vor einem halben Jahr, dass die Justiz in dem Maghreb-Staat die mutmaßlichen Täter vor Gericht stellen will. Nach langem juristischen Tauziehen, in das sich auch das Auswärtige Amt eingeschaltet hatte, soll den Hauptschützen sowie neun weiteren Ordnungshütern in Tunesien der Prozess gemacht werden.

Arbia Dalhoumi, deren Tochter Yasmin ebenfalls bei der Attacke der Einsatzkräfte im August 2014 angeschossen worden war, zeigte sich zufrieden: „Nach fast fünf Jahren Kampf mit den tunesischen Behörden, scheint nun die Gerechtigkeit zu siegen.“

Polizisten eröffneten Feuer auf Wagen der Bonnerinnen

Auf der Rückfahrt von einer Feier nahe dem tunesischen Ort Kasserine war seinerzeit plötzlich eine Polizeieinheit aus den Gebüschen seitwärts der Straße herausstürmte und hatten ohne große Vorankündigung das Feuer auf den Wagen eröffnet. Die Beifahrerin Ahlem Dalhoumi und ihre Cousine Ons, die auf Urlaub bei ihren Verwandten weilten, starben durch den Kugelhagel, ihre Cousine Yasmin Soula erhielt einen Schuss in den Rücken (hier mehr dazu lesen).

Tunesische Polizisten bislang auf freiem Fuß

Die Polizei behauptete später, das Auto habe eine Straßensperre nicht beachtet. Da man die Insassen für Terroristen hielt, hätten die Beamten gefeuert. Die Aussagen der Überlebenden legen genau das Gegenteil nahe. Ein Überfall aus dem Nichts, in dem Polizisten wild um sich feuerten. Zeitweilig wurden die Schützen inhaftiert, kamen anschließend aber wieder auf freien Fuß. 

Laut Ahlems Tante dürfen die Tatverdächtigen jedoch ihren Wohnort nicht verlassen, auch wurden ihnen die Reisepässe abgenommen. Krass: Gemäß der Zeitung Al-Sabah wurde das Verfahren extra von Kasserine nach Sfax verlegt, um Druck von den Ermittlern zu nehmen. Denn die Polizei-Gewerkschaften würden aus Solidarität mit den Angeklagten bei jeder Sitzung Protestmahnwachen organisieren.