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Bonner Top-Virologe StreeckCorona-Studie in Heinsberg als „Harakiri-Aktion“

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Der Bonner Virologe Prof. Hendrik Streeck startete am Dienstag mit einer großen Studie in der Gemeinde Gangelt im Kreis Heinsberg.

Bonn/Heinsberg – Der Kreis Heinsberg gilt als Epizentrum des Coronavirus-Ausbruchs in Deutschland. Im Kleinen lässt sich daher beobachten, was im großen Land noch droht. Forscher wollen sich das zunutze machen. Der Studienchef nennt es allerdings eine „Art Harakiri-Aktion“.

Coronavirus: Virologe wegen eines Hollywood-Films

Wenn man Professor Dr. Hendrik Streeck fragt, warum er Virologe geworden ist, hat er eine fast klischeehafte Antwort parat: „Ich bin mal Virologe geworden, weil ich den Film „Outbreak“ mit Dustin Hoffman so toll fand.“ In dem Hollywood-Klassiker von 1995 bricht eine Ebola-Variante aus. Hoffman kämpft für eine Kleinstadt, die zur Begrenzung der Epidemie ausgelöscht werden soll. „Outbreak“ ist ein Film darüber, wie im Kampf gegen ein Virus Helden geboren werden.

Kreis Heinsberg ist Epizentrum des Coronavirus

Streeck, Virologe von der Uni Bonn, hat nun seine eigene Kleinstadt, sie heißt Gangelt, liegt im Kreis Heinsberg und gilt als Epizentrum des Coronavirus-Ausbruchs – der erste bestätige Corona-Patient in NRW kommt von dort. Vieles, was woanders noch droht, hat die „Erstregion“ bereits erlebt.

Alles zum Thema Corona

Streeck wird sie für eine Studie nun genau untersuchen, um zu ergründen, was Deutschland dort tief im Westen lernen kann. Wie kommt man aus der Corona-Krise? Wann können Einschränkungen des öffentlichen Lebens gelockert werden? Es sind die großen Fragen dieser Zeit. Wenn es klappt, ist Streeck ein Held.

Coronavirus: Studie eine Art Harakiri-Aktion

„Wenn die Politik Maßnahmen lockert, während noch die Zahl der Infektionen steigt, kann man damit nicht gewinnen“, erklärt der Forscher der Deutschen Presse-Agentur das Dilemma. „Der einzige Weg daraus sind Fakten. Man muss wissen, wie viele Menschen sowieso schon infiziert sind. Man muss wissen, welche Einrichtungen besonders geschützt werden müssen“, sagt er. „Und das versuchen wir nun in sehr kurzer Zeit in einer Art Harakiri-Aktion herauszufinden.“

Praktisch bedeutet das laut Streeck, dass mit Hilfe des Einwohnermeldeamtes 500 Familien repräsentativ ausgesucht wurden. Sie sollen in einem improvisierten Studienzentrum in einer Schule untersucht werden – mit einer Blutuntersuchung, einem Rachenabstrich und einem umfassenden Fragebogen. Hatte man gesundheitliche Beschwerden? Mit wem hatte man Kontakt und wie eng war dieser? Wie verliefen die Infektionsketten? Die Familiengröße variiert, am Ende sollen ungefähr 1000 Leute in der Stichprobe landen.

Coronavirus im Kreis Heinsberg: Es begann mit einer jecken Sitzung

So soll ein relativ gutes Bild entstehen, wer mit dem neuartigen Coronavirus infiziert wurde und wer nicht - und warum. Es geht darum, die wohl hohe Dunkelziffer der Infizierten aufzuhellen. Gangelt ist dafür perfekt geeignet. „Wir wissen ziemlich genau, wann das Virus in den Ort gekommen ist - der 15. Februar, die Kappensitzung“, sagt Streeck. Auf dieser hatte der erste bestätigte NRW-Infizierte gefeiert, auch weitere Erkrankungen standen in Verbindung zum Karneval. Das ist auch eine Hypothese des Forschers.

Coronavirus: Ausbreitung bei großen Feiern

„Es ist immer an Orten ausgebrochen, wo wild gefeiert wurde. In Gangelt war es der Karneval, in Ischgl der Après-Ski, in Bergamo ein Fußballspiel“, sagt Streeck. „Es ist immer: Viele Menschen auf engem Raum.“ Die Kappensitzung werde man sich daher nochmals anschauen, er hat sich die Teilnehmerliste besorgt. Vor allem interessiert ihn, warum sich bestimmte Gäste dort gerade nicht angesteckt haben. „Es ist ein bisschen wie Detektivarbeit.“ Weitere Frage: Inwieweit übertragen Kinder das Virus auf ihre Eltern? Die Information wäre entscheidend, wenn man eines Tages die Schulen wieder öffnen will.

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Die Fragen treiben Streeck, 42 Jahre alt und bei der Arbeit mitunter in Sneakern unterwegs, nicht nur als Virologen um. Dazu hat er sich auch schon entsprechend öffentlich geäußert. „Ich halte die Einschnitte, die wir jetzt haben, für sehr drastisch. Da argumentiere ich aber nicht als Virologe, sondern als Bürger“, sagt er. Ihm fehle die Verhältnismäßigkeit. „Es ist immer schlimm, wenn Menschen sterben. Aber die Frage ist, ob man andere Existenzen gefährdet und dadurch auch Leben aufs Spiel setzt.“ Deswegen seien Fakten wichtig.

Coronavirus: Erste Studienergebnisse in zwei Wochen möglich

Fakten hat er bereits in seinem Team geschaffen - es ist auf rund 70 Leute angewachsen, zunächst war die Rede von 20. Schon in etwa zwei Wochen will er erste Erkenntnisse vorlegen. „Wir machen alles parallel“, sagt Streeck. Wie viel arbeitet er momentan? Er antwortet: „Wie viel ich schlafe, ist wohl die einfachere Frage.“ (dpa)