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Spargel Ritter in BornheimErntehelfer bezahlt, Insolvenzverwalter weist Kritik zurück

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Erntehelfer vom Spargelbetrieb Ritter und Unterstützer verschiedener Gruppen protestierten am Montag gegen Missstände, schlechte Bezahlung und die Zustände in der Unterkunft.

von Béla Csányi (bc)

Bornheim – Wie angekündigt wurde den rumänischen Spargelstechern am Mittwoch offenbar der noch ausstehende Lohn ausgezahlt. Die Auszahlungen wurden in Abstimmung mit der Polizei in Kleingruppen vorgenommen. „Wir wollten verhindern, dass sich wieder so große Menschenansammlungen bilden wie am Montag“, teilte ein Sprecher des Insolvenzverwalters EXPRESS mit.

Da es sich bei den Auszahlungsbeträgen um viel Bargeld handelte, wurden die Orte der Auszahlung bis zuletzt geheim gehalten. Laut der Insolvenzverwaltung habe das Vorgehen gut funktioniert und die überwiegende Mehrheit der Arbeiter habe sich für alles bedankt. „Das lief gestern sehr ruhig ab“, bestätigte auch die Polizei auf EXPRESS-Nachfrage.

Die Gewerkschaft FAU hatte die Auszahlungen auf Feldern und die Einteilung in Zehnergruppen zur Fahrt an unbekannte Orte zuvor als „Wildwest-Manier“ kritisiert und sich über „Security aus dem Rocker-Millieu“ beklagt.

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Erntehelfer aus Bornheim erzielten Anfang der Woche einen Teilerfolg

Nach dem aufwühlenden Montag rund um den Bornheimer Erdbeer- und Spargelhof von Claus Ritter hatten die unzufriedenen Saisonarbeitern bereits Montagabend einen Teilerfolg erzielt.

Wie unter anderem die Linkspartei Rhein-Sieg berichtete, wurde den Erntehelfern am Montagabend zumindest ein Teil ihrer geforderten Gehälter ausgezahlt. Die Partei hatte unter anderem mit dem Bundestagsabgeordneten Dr. Alexander S. Neu die Proteste von Arbeitern und Gewerkschaftern begleitet.

Erntehelfer protestierten wegen fehlender Löhne und Hygienemängeln gegen Spargelhof Ritter

Seit vergangenem Freitag war es immer wieder zu massivem Protest der Erntehelfer gegen den Betrieb gekommen, der sich seit Anfang des Jahres in einem Insolvenzverfahren befindet. Die Hilfskräfte aus Rumänien hatten sich über angeblich unfaire Lohnzahlungen und katastrophale Lebensbedingungen beklagt.

Weil wegen Corona vor allem der Absatz von Spargel einbrach, hatte die Gläubigerversammlung beschlossen, die Spargelernte, wegen der viele Arbeiter angeworben worden waren, abzubrechen. Auch die Erdbeerernete wurde inzwischen abgebrochen.

Große Proteste am Montag: Erntehelfer von Spargelhof Ritter feiern Teilerfolg

Am Montag spitzte sich die Lage dann zu. Nachdem die Gewerkschaft FAU Bonn zu Protesten aufgerufen hatte, beteiligten sich auch etwa 60 Erntehelfer an der Demonstration. Sie riefen immer wieder laut „Bani, Bani“ – zu Deutsch: Geld. Am Nachmittag kam es schließlich bei aufgeheizter Stimmung auf dem Betriebsgelände zu langen Verhandlungen, die von einem starken Polizeiaufgebot abgesichert wurden. Auch ein privater Sicherheitsdienst schritt immer wieder ein.

Am frühen Abend gab es dann zumindest einen Teilerfolg bei den Forderungen der Saisonarbeiter. „Ihnen wurde zumindest ein Teil der ausstehenden Lohnzahlungen ausbezahlt. Vorangegangen war ein nervenzerreibendes Hin und Her zwischen dem zuständigen Insolvenzverwalter und den Betroffenen“, teilte die Linkspartei am Montagabend mit. Das bestätigte auch die Insolvenzverwaltung gegenüber EXPRESS.

Vielen Erntehelfern reichte das aber noch nicht. Sie waren weiter sauer und beklagen, lediglich einen Teil der vereinbarten Löhne erhalten zu haben. Der zwischenzeitliche Kompromiss brachte  zumindest wieder etwas mehr Ruhe – wie es sich der zuständige Insolvenzverwalter Dr. Andreas Schulte-Beckhausen gewünscht hatte.

Bornheim: Erntehelfer bei Spargel Ritter beklagen sich über Unterbringung und Lohnzahlung

FAU-Sprecher Erik Hagedorn äußerte sich im Gespräch mit EXPRESS fassungslos über das, was die Arbeiter über ihre Situation behaupteten: Ihnen werde kein Geld oder viel zu wenig ausgezahlt, außerdem werde teils abgelaufenes, verschimmeltes oder verrottetes Essen ausgeteilt, teilweise ungekochter Reis.

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Auch die hygienischen Einrichtungen seien in katastrophalem Zustand, es gebe außerdem kein warmes Wasser. „Das ist wie Sklaverei“, beklagte Hagedorn.

Aufgeheizte Stimmung rund um Auszahlung von Gehältern für Erntehelfer von Spargel Ritter

Von 15 Uhr an wurde auf dem Betriebsgelände der Firma die Auszahlung von Gehältern organisiert. Die Stimmung war aufgeheizt, die Polizei mit mehreren Einsatzwagen vor Ort.

Ein Vorarbeiter, der offenbar für die Auszahlung zuständig war, machte immer wieder deutlich, dass nicht alle Erntehelfer noch am Montag bezahlt werden könnten. Ein Anwalt für Arbeitsrecht versuchte vor Ort im Auftrag der Saisonarbeiter zu vermitteln.

Hygienische Situation für Saisonarbeiter Spargel Ritter in Bornheim beanstandet

Das Gesundheitsamt des Rhein-Sieg-Kreises, das die Stadt Bornheim in beratender Funktion unterstützt, hatte die Zustände in den Toiletten der Unterkünfte bei einer Begehung am Freitag beanstandet. Bornheims Bürgermeister Wolfgang Henseler äußerte sich am Montag zur Situation der Arbeiter: „Zunächst hat das Ordnungsamt vor Ort umgehend dafür gesorgt, dass die Hygienebedingungen und verschiedene andere Punkte in Ordnung gebracht wurden.“

Bereits am Wochenende war nachgebessert worden, unter anderem wurden Hygieneartikel aufgefüllt und Papierhandtücher bereitgelegt. Das Ordnungsamt will die Zustände nun regelmäßig kontrollieren.

Insolvenzverwalter verspricht Zahlung aller Gehälter an Saisonarbeiter bei Spargelhof Ritter

Seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens leitet Insolvenzverwalter Dr. Andreas Schulte-Beckhausen den Betrieb. EXPRESS erreichte Schulte-Beckhausen am frühen Montagnachmittag.

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Angesprochen auf die vielen Kritikpunkte an seiner Betriebsleitung wiegelt er ab. „Ich kann gar nicht nachvollziehen, was da Ursache und Wirkung ist. Ich versuche dafür Sorge zu tragen, dass wir wieder Ruhe haben, dass alle ihr Geld bekommen und die Verträge richtig eingehalten werden.“

Insolvenzverwalter verspricht Mitarbeitern bei Spargel Ritter saubere Abrechnung

Da die Spargelernete abgebrochen und die Erdbeerernte deutlich zurückgefahren wurde, gab es derzeit nur noch für wenige Erntehelfer Arbeit. 104 Arbeitern war am Wochenende gekündigt worden, in ihren Dreimonatsverträgen ist eine branchenübliche Kündigungsfrist von einem Tag enthalten.

Eine Rückreise in Ihre Heimat ist wegen geschlossener Grenzen derzeit allerdings nicht möglich. Vielen fehlt durch die Kündigung außerdem eingeplantes Geld, um mögliche Rückflüge zu bezahlen. Schulte-Beckhausen verspricht: „Selbstverständlich werde ich keinen nach Hause schicken, wenn er nicht die Möglichkeit hat, nach Hause zu fahren.“

Er sieht die Unruhen im Lohnmodell begründet, nach dem die Arbeiter den Großteil ihres Gehalts erst am Ende der Ernte erhalten. Zwischenzeitlich werden lediglich regelmäßige Taschengelder ausgezahlt. „Selbstverständlich erhält jeder Mitarbeiter eine saubere Abrechnung und bekommt das vertraglich zugesicherte Geld ausgezahlt“, so Schulte-Beckhausen.

Spargelhof Ritter: Alte Betreiber erheben schwere Vorwürfe gegen Insolvenzverwalter

Doch auch von den langjährigen Betreibern des Spargelhofs gibt es harsche Kritik am Vorgehen des Insolvenzverwalters. Gegen die Familie Ritter besteht seit einigen Wochen ein Tätigkeitsverbot, nachdem sie zunächst noch mit ihrer Expertise in die Abläufe auf den Feldern eingebunden waren.

„Der Insolvenzverwalter ist für niemanden mehr zu erreichen und hat sich komplett abgeschottet“, beklagte Ritters Schwiegersohn und langjähriger Mitarbeiter Moritz Lorek auf EXPRESS-Nachfrage: „Ich habe Gehaltsabrechnungen für die Saisonarbeiter gesehen, wo 360 Euro für einen Monat ausgezahlt wurden. Das kann nicht sein. Dadurch kommen die Demonstrationen zustande, die wir komplett unterstützen.“

Der Insolvenzverwalter hatte das Betretungsverbot für die Familie damit begründet, dass diese für Unruhe beim Betriebsablauf gesorgt habe.