Borussias AthletiktrainerDie Grenzen seines Jobs und eine knifflige Challenge

BMG Athletiktrainer Eibenberger

Patrick Eibenberger arbeitet seit Sommer 2019 als Athletiktrainer bei Borussia Mönchengladbach.

Mönchengladbach – Seit knapp einem Jahr ist Düsseldorf die Wahlheimat von Patrick Eibenberger (32). Damals wechselte der Athletiktrainer gemeinsam mit Chefcoach Marco Rose (43) und dessen Assistenten Alexander Zickler (46) und René Maric (27) von RB Salzburg zu Borussia Mönchengladbach.

Und so sieht man den leidenschaftlichen Läufer nun seine Runden am Rhein drehen. Die verbindet Eibenberger ab und an mit einer besonderen Challenge, wie er im Interview mit GladbachLIVE erklärt. Außerdem Thema: Wie sehen die Aufgaben eines Athletiktrainers in der Corona-Pause aus? Und eine „philosophische Frage“, wie der Österreicher sie nennt: Wo sind die körperlichen Grenzen im Fußball?

Patrick Eibenberger, wie kommen Sie damit klar, dass Sie als Fitnesstrainer der vielleicht unbeliebteste Mitarbeiter im Trainerstab von Marco Rose sind? Als Athletiktrainer ist man immer das ungeliebte Kind.

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Ist das so? In bestimmten Phasen komm das schon mal vor. Meine Position wird nicht immer gern gesehen. Ich bin derjenige, der mit den Spielern Sachen macht, die sie in der Regel nicht so gerne abarbeiten. Egal, ob das Krafttraining ist oder Zusatzaufgaben nach dem Training. Den Finger immer wieder in die Wunde zu legen, ist für beide Seiten nicht so einfach. Aber mich als Typen finden sie, glaube ich, schon okay.

Patrick Eibenberger erklärt Methoden der Trainingssteuerung

Sie werden wahrscheinlich häufiger mit dem Vorurteil konfrontiert, dass Sie die Jungs einfach nur laufen lassen. Worin genau bestehen Ihre Aufgaben im Trainer-Team von Chefcoach Marco Rose? Das stimmt tatsächlich. In erster Linie versteht man unter einem Athletiktrainer, ganz salopp gesagt, einen Fitnesstrainer. Der wirft dann ein paar Übungen in den Raum, kontrolliert diese und schickt die Jungs noch ein paar Runden laufen – das denken viele. Aber diese sehr einfache Beschreibung trifft auf meine Aufgaben bei Borussia hier nicht zu. Vielmehr geht es um Trainingsplanung, Trainingssteuerung oder darum, dass man Belastungssituationen erkennt. Dafür haben wir viele Methoden zur Verfügung.

Welche sind das? Dazu gehören die täglichen Gespräche mit den Spielern, um ein Gespür dafür zu bekommen, wie die Jungs so drauf sind, wie es ihnen körperlich geht. Natürlich haben wir auch technische Möglichkeiten. Über GPS-Empfänger sehen wir die Laufwege, die Anzahl der Beschleunigungen und können die Sprints der Spieler im Training messen. Neben der subjektiven Belastungsempfindung, nach der wir uns bei den Spielern erkunden, gehört auch die Herzfrequenz dazu. Alles wird gesammelt und aus diesem ganzen Datenpool treffen wir unsere Entscheidungen. Das ist dann eine Mischung aus Erfahrung und dem Know-how unseres gesamten Teams. Das kann als Symbiose zwischen Wissenschaft und Kunst verstanden werden.

Die Corona-Krise hat den Trainings-Alltag komplett verändert. Erst war gar kein gemeinsames Training möglich, jetzt nur in Kleingruppen. Was ist aus Ihrer Sicht da die größte Herausforderung? Natürlich haben sich Abläufe verändert und wir können kein geregeltes Fußballtraining mehr abhalten. Aber unsere Spieler haben die Situation sehr schnell verstanden. Sie wissen, dass wir nicht am Ende einer Saison sind und dass sie nicht in den Urlaubsmodus schalten können.

Gladbach: Laufstrecke nicht entscheidend für Trainingsintensität

Klingt so, als hätten sich die Spieler an die Trainingspläne gehalten. Ja, wir waren mit allen sehr zufrieden. Wir haben uns im Team natürlich jede Menge Gedanken gemacht, wie wir damit umgehen. Bei einem Trainingsstopp wird man nicht gleich schlechter. Aber die Leistungsfähigkeit, was Sprints und Explosivität angeht, hat physiologisch gesehen die größte Abbaurate. Das zu erhalten, stand bei uns im Mittelpunkt, gepaart mit der Grundausdauer.

Durch GPS-Überwachung und Pulsuhren ist es heutzutage für die Spieler sicher auch sehr schwierig, bei den Läufen zu schummeln. Überwachen klingt hart. Wir hatten nicht das Gefühl, dass unsere Spieler was eingebüßt haben. Es geht eher darum, dass wir die Spieler bestmöglich begleiten und sie darauf vorzubereiten, dass sie in optimaler Verfassung wieder ins Training einsteigen können, sobald das wieder möglich ist.

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Wie viele Kilometer läuft ein Spieler denn in einer durchschnittlichen Trainingseinheit, wenn das normale Mannschaftstraining möglich ist? Das hängt ganz klar von der Einheit ab: Ist es ein eher taktisch geprägtes Training? Auf welcher Feldgröße spielen wir? Und wollen wir konditionelle Reize setzen? Fünf Kilometer kommen da schon zusammen. In der Vorbereitung können es auch mal sechs, sieben Kilometer werden. Das bedeutet aber nicht, dass das die intensivsten Einheiten sind. Auf einem kleinen Spielfeld kann ein Vier-gegen-Vier eine große Belastung für die Muskeln der Spieler sein, weil die Aktionsdichte viel größer ist.

War Ihnen sofort klar, dass Sie mit Marco Rose zu Borussia gehen würden, als die Anfrage kam? Im ersten Moment war es sofort klar. Dann habe ich aber eine Nacht drüber geschlafen und die Gedanken gingen so richtig los.

Eibenberger: Salzburg ist Heimat- und Herzensklub

Das klingt nach einem längeren Entscheidungsprozess. Ich bin sehr an Salzburg gebunden. Der Klub hat mir die Möglichkeit gegeben, lernen zu dürfen. Ganz besonders weiß ich die stetige Unterstützung von Marco Rose, Christoph Freund (Sportdirektor Red Bull Salzburg, Anm. d. Red.)) und Ernst Tanner (ehemaliger Manager TSG Hoffenheim und Red Bull Fuballakademie, Anm. d. Red.) zu schätzen. Man kann nur dankbar sein, sich in so einem Umfeld zu entwickeln. Es ist mein erster Arbeitgeber gewesen. Ich konnte in der Partner-Akademie in Ghana arbeiten, erste Erfahrungen sammeln und jeden Tag lernen. Mit der Jugend und später der ersten Mannschaft verbinde ich Freundschaften und großartige Erfolge, die wir gemeinsam gefeiert haben. Für mich als Salzburger ist das mein Heimat- und Herzensklub. Das ist nicht zu nicht ändern. Allerdings hat uns Max Eberl den Einstieg in Welt der Borussia sehr einfach gemacht und dafür bin ich nun ihm dankbar. Mein Herz ist groß genug, um darin auch die Borussia aufzunehmen (lacht).

Was ist letztendlich ausschlaggebend dafür gewesen, dass das komplette Trainerteam sich für einen Wechsel nach Gladbach entschieden hat? Es war von Anfang an klar, dass es einen Abschied aus Salzburg nur gemeinsam geben kann. Zumindest hat es sich so angefühlt. Marco Rose, Alex Zickler, René Maric und ich waren natürlich auch neugierig, ob wir bei einem anderen Verein erfolgreich arbeiten können.

Haben Sie als Athletiktrainer eigentlich auch einen Berater, mit dem Sie sich absprechen? (Lacht) Nein. Das ist wohl eine berechtigte Frage, aber ich arbeite ja eher im Hintergrund. Das wäre auch albern und würde sich für mich ganz komisch anfühlen.

Wo sehen Sie denn die Grenzen im athletischen Bereich und wie weit können die Fußballer physisch noch gehen? Das ist eine stark philosophische Frage. Gesamtlaufdistanzen eines Spielers in einer Partie haben sich kaum verändert. Das Ausmaß an Sprint und explosiven Antritten schon. Man muss sich generell die Frage stellen, zu welchen Anteilen der Fußball ein physischer Sport ist. Und, extrem betrachtet, habe ich als Trainer lieber einen Top-Athleten, der gar nicht Fußball spielen kann, oder einen guten Fußballer, der im athletischen Bereich noch Luft nach oben hat? Was ist wichtiger: Taktik – sprich Entscheidungen, die ich treffe, oder doch Physis? Es ist ein Henne-Ei-Problem.

Arbeitsteilung mit Markus Müller

Ist der Fußball also mittlerweile am Maximum angekommen, was die Leistung der Spieler angeht? Ein paar Prozent sind vielleicht noch möglich. Pacing-Strategien und damit verbunden wann, wo und wie man seine Energie einsetzt, wird an Bedeutung gewinnen. Aber es ist ein langsamer Prozess. Wenn man sich Spiele aus den vergangenen Jahrzehnten anschaut, wird man definitiv Unterschiede erkennen. Aber das passiert eher schleichend. Man wird nicht in zehn Jahren das Gefühl haben, dass es ein anderer Sport ist.

Wie erleben Sie es, wenn Sie die Ersatzspieler vor 50.000 Zuschauern am Spielfeldrand aufwärmen? Ich mache das nicht immer. Den Job teile ich mir mit Markus Müller aus unserem Athletik-Team. Die Spieler sind fokussiert, angespannt und fiebern mit. Natürlich möchte jeder spielen, aber sie pushen und motivieren sich auch gerne untereinander. Manchmal sind sie so gefesselt von den Geschehnissen auf dem Platz, dass sie die Übungen kurz nicht machen können. Sie sind ja keine Roboter. Ich bekomme das Drumherum natürlich auch mit, das kann man nicht ausblenden.

Sie besitzen die gleiche blaue Sportuhr, die Marco Rose an seinem Handgelenk trägt. Wie ist es dazu gekommen? Alex Zickler und René Maric haben die auch. Wir hatten irgendwann mal die Möglichkeit, die auszuprobieren und sie hat uns gefallen. Die Farbe begleitet uns jetzt schon länger und wir haben daraus ein Gimmick gemacht. Markus Müller trägt sie jetzt übrigens ebenfalls.

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Am Spieltag legen Sie gerne im Vorfeld eine große Laufrunde ein. Ist das ein festes Ritual geworden? Das kommt auch noch aus Salzburger Zeiten. Die Idee ist damals mit Zlatko Junuzovic (früher Werder Bremen, heute RB Salzburg; Anm. d. Red.) entstanden. Die Wette war: Ich laufe in 45 Minuten die Strecke, die er in einem Spiel läuft. Und er ist immer sehr viel gelaufen. Meistens hat Zlatko gewonnen. Wenn ich mich hier mit Chris Kramer oder Florian Neuhaus messen würde, würde ich auch den Kürzeren ziehen.

Noch ist vollkommen unklar, wann und ob es in der Bundesliga wieder losgeht. Wie gut sehen Sie die Borussen im athletischen Bereich gewappnet, wenn der „Tag X“ kommt? Der „Tag X“ ist ja die große Unbekannte. Aber so schwierig, wie es sich anhört, ist es gar nicht. Wir wissen, wo wir mit unseren Spielern hinwollen. Natürlich haben wir aktuell keine Spielformen, weil wir nur mit viel Abstand und in kleinen Gruppen trainieren. Aber wenn wir wieder gemeinsam als Mannschaft trainieren dürfen, können wir das Training schon so steuern, dass wir auf den Punkt fit sind. Die ganzen psychologischen Wettkampf-Komponenten kann man natürlich nicht nachspielen und trainieren. Aber körperlich können wir relativ gut an das herankommen, was wir brauchen.